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Landwirtschaftssimulator

Farming Simulator League: So war es auf der Gamescom

Jendrik, Lukas, Hanno und Martin ernten Getreide und pressen Ballen auf Zeit – virtuell: Sie sind zweifache Weltmeister der Farming Simulator League.

Lesezeit: 5 Minuten

Neben Kriegern mit gewaltigen Äxten und Monstern mit Tentakeln steht auch ein John Deere 8R auf der Gamescom. Mit ihm posieren einige Besucher ebenso begeistert, wie mit den geliebten Charakteren aus Videospielen und Serien, die zur weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele nach Köln gekommen sind.

Der Landwirtschafts-Simulator, entwickelt von Giants Software, hat Traktoren und Drescher zu Gaming-Stars gemacht – und zu E-Sport-Geräten. Das „E“ steht dabei für elektronisch. „Es geht um schnelles Umdenken und Strategie“, erklärt Jendrik Kluge. Er und sein Team „Helm“ spielen in der Farming Simulator League (FSL). In dieser Wettkampf-Liga werden Getreide gedroschen und Ballen gepresst – alles virtuell versteht sich. Als zweifacher FSL-Weltmeister konnte der 23-Jährige Jendrik sich von den Preisgeldern ein Auto kaufen. Auch in dieser, der fünften, Saison werden Gewinne mit einem Gesamtwert von 200.000 € ausgeschüttet.

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Ungewöhnliche Idee

Während des Corona-Lockdowns begannen Jendrik, Lukas, Hanno, Martin und Paul, das Team Helm, gegen andere Online-Landwirte anzutreten.

„Den Landwirtschafts-Simulator haben wir vorher alle schon privat gespielt“, erzählt er. „In der ursprünglichen Version des Spiels geht es um die Simulation von Hofarbeit und nicht um einen Wettkampf.“ Das bestätigt auch Lars Malcharek von Giants Software: „Wir haben mit dem Arena-Modus die Möglichkeit für Wettstreits geschaffen.“

Eigentlich würde das Spiel vom Kindes- bis ins Seniorenalter gespielt – vor allem, um dem Alltag zu entfliehen und zu entspannen. „Für die 14- bis 24-Jährigen braucht es allerdings mehr Action“, sagt Malcharek. So entstand die Idee für einen E-Sport, der selbst hier auf der Gamescom verwunderte Blicke auf sich zieht. Auf 500 m2 ist eine große Bühne aufgebaut. Links drei Computer, rechts drei Computer und zwei Kommentatoren in der Mitte, die die Spiele für Messebesucher und Onlinezuschauer analysieren.

Auch Oma schaut zu

„Als ich zu Hause erzählt habe, dass ich mit Freunden bei einem Turnier des Landwirtschafts-Simulators antrete, hat meine Familie das erst nicht geglaubt“, erinnert sich Jendrik. Das hat sich nach etwa 30 Turnieren vollends geändert. „Meine Oma guckt auch heute bei unseren Spielen zu“, sagt er. „Und das, obwohl sie Geburtstag hat.“

Das Grundprinzip des E-Sports ist leicht erklärt. Jedes Team – bestehend aus drei Spielern – sammelt Punkte. Wer nach Ablauf von zehn Minuten mehr Getreide und Stroh vom Feld geholt hat, gewinnt. Essenziell ist dabei auch die Auswahl der Maschinen. Vor der eigentlichen Spielphase gibt es eine Auswahlphase, bei der bestimmte Fahrzeuge für die kommende Runde gewählt und gesperrt werden können. „Die Maschinen haben alle Besonderheiten, Vor- und Nachteile“, erklärt Hanno Maier. „Deshalb müssen wir schon in der Auswahlphase über Kombinationen und Spielstrategien nachdenken.“

In diesem Moment geht durch die Zuschauermenge ein Stöhnen. Zwei Ballen sind vom Förderband gefallen. „Das sieht hier immer einfach aus, dahinter steckt aber wochenlange Übung“, schallt es von einem der Kommentatoren herüber. Denn für kluge Entscheidungen und mechanisch korrektes Vorgehen, braucht es genau das. „Im Durchschnitt trainieren wir ungefähr zehn Stunden pro Woche“, sagt Martin Paulsen „Vor einer Weltmeisterschaft sind es auch mal 40 Stunden.“ Und das, obwohl alle vier Vollzeitjobs haben: Elektriker, Informatiker, Landmaschinenschlosser und Abiturient auf dem Weg zum Agrar-Studium.

Internationale Liga

Unterstützung erhält das Team Helm von ihrem gleichnamigen Sponsor. Dieser übernimmt Kosten für An- und Abreise, Übernachtung und zahlt den vier E-Sportlern ein kleines Taschengeld. „Damit sind wir unseres Wissens nach die Einzigen, die unabhängig von der Platzierung Gehalt bekommen“, sagt Lukas Thiemann, während sein Blick kurz zu den großen Bildschirmen wandert, um das aktuelle Spiel zu verfolgen.

Zwei der neun Teams auf der Gamescom kommen aus Frankreich, eines aus den Niederlanden und eines aus der Schweiz. „Mit 5 Mio. verkauften Kopien des Landwirtschafts-Simulators 22 gehören wir zu den größten in der Simulator-Szene und sind auch international vertreten“, sagt Malcharek stolz. An der FSL kann weltweit theoretisch jeder teilnehmen, der mindestens 14 Jahre alt ist und zwei Teammitglieder gefunden hat.

Heimat Landwirtschaft?

Die große Masse der Spieler lässt es schon vermuten: Viele Gamer haben ansonsten nichts mit Landwirtschaft zu tun. „Laut einer Abfrage vor einiger Zeit kamen etwa 25 % der Gamer aus der Landwirtschaft, zumindest über eine Ecke“, erklärt Malcharek. „Wir nehmen aber an, dass es nun etwas weniger geworden sind, weil der Simulator immer populärer wird.“ Bekannt geworden das Spiel dadurch, dass viele große Gamer es zunächst ironisch spielten und sich darüber amüsierten.

Mittlerweile arbeiten bei der Entwickler-Firma, die mit 17 Mitarbeitern gestartet ist, über 100 Menschen. „Bei uns kommt ein Drittel der Belegschaft aus dem Bereich Landwirtschaft, zwei Drittel kommen aus der Gaming-Branche“, sagt Malcharek. Das sei oft hilfreich. „Die Fraktion vom Land beschwert sich, wenn etwas nicht realis­tisch ist. Wir Gamer halten dagegen und plädieren für den Spaßfaktor“, sagt der 35-Jährige schmunzelnd. „So nähern wir uns an, bis es für alle passt.“

Auch im Team Helm hat nur die Hälfte einen landwirtschaftlichen Hintergrund. Im Spiel macht das aber keinen Unterschied. „Wenn ich hier mit einem echten Radlader fahren sollte, würde ich an jedem zweiten Stand anecken“, sagt Jendrik Kluge lachend. Das muss zum Glück keiner der Vier.

Team Helm visiert Weltmeistertitel an

Dafür müssen Drei von ihnen jetzt auf die Bühne an die Mäuse. Jendrik spielt heute nicht mit, er coacht sein Team. Die Weltmeister wirken entspannt, starten die Auswahlphase mit einem Lächeln. Weder die etwa 70 Zuschauer vor der Bühne, noch die paar Tausend Zuschauer an den Bildschirmen zu Hause bringen sie aus der Fassung.

Konzentriert wird gedroschen, abgetankt und verladen. Dann fliegen Lukas Thiemanns Fäuste in die Luft. Mit 563 zu 442 Punkten gewinnen sie ihr erstes Spiel. „Natürlich wollen wir auch in diesem Jahr wieder den Titel holen“, sagt Jendrik bestimmt. Nach den zwei Tagen Gamescom sind sie auf dem besten Weg: Ihr zweites Saison-Turnier, ihr zweiter Sieg. So kann die Ernte weiter gehen.

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