Aus Sicht vieler Landwirte hat sich Klaus Kliem die „goldene Heuschrecke“ redlich verdient. Der Ehrenpräsident des Thüringer Bauernverbandes verkaufte im Laufe des vergangenen Jahres gemeinsam mit seinen Mitgesellschaftern die ADIB (Agrar-, Dienstleistungs-, Industrie- und Baugesellschaft) GmbH inklusiv 6.000 ha Eigen- und Pachtflächen an eine Tochtergesellschaft der Lukas-Stiftung.
Die gehört wiederum zum Lebensmittel-Discounter Aldi-Nord. Aus dem Grund sah sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft veranlasst, dem ehemaligen Bauernpräsidenten den Negativpreis zu verleihen.
Fälle wie der von Kliem bringen viele Landwirte auf die Palme. Zahlen des bundeseigenen Thünen-Institutes belegen, dass sich in einigen Landkreisen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bereits knapp 20 % der landwirtschaftlichen Flächen in den Händen nichtlandwirtschaftlicher Investoren befinden. Die Lage auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt ist angespannt.
Preise steigen rasant
Rund 9.000 € für einen Hektar 2006, 26.000 €/ha im Jahr 2019 – die Bodenpreise gehen durch die Decke und haben sich seit 2006 fast verdreifacht. Im Westen betrug der Durchschnittspreis 2019 knapp 40.000 €/ha.
Der durchschnittliche Preis für landwirtschaftliche Flächen in den neuen Bundesländern lag mit 16.270 €/ha weit darunter. Wie stark die Bodenpreise in Deutschland zugelegt haben, zeigt unsere Karte. Die Veredelungsregionen im Nordwesten, wo Viehhalter schon mal 15 €/m3 für die Gülleabnahme zahlen, sind knallrot und zeigen Steigerungswerte von mehr als 200% in den vergangenen zehn Jahren. In den neuen Bundesländern und im Südosten gehen die Kaufpreise ebenfalls steil nach oben.
Die Ursache dieser Entwicklung liegt auf der Hand: Angesichts niedriger Zinsen ist viel Kapital auf dem Markt. Seit der Finanzkrise 2007 machen außerlandwirtschaftliche Akteure den Landwirten auf dem Bodenmarkt Konkurrenz. Dazu kommt eine Vielzahl von Faktoren, die den Boden verknappen:
- Ca. 60 ha Flächenverlust pro Tag für Siedlungs- und Verkehrsflächen,
- Verlust durch Ausgleichsregelungen,
- verschärfte Düngevorgaben und
- Nutzung für erneuerbare Energien.
Hofübergabe: Achillesferse
Spätestens beim Generationswechsel führen die hohen Preise vor allem in Mehrfamilienbetrieben zu Problemen.
Warum Investoren in ostdeutsche Agrarunternehmen einsteigen, hat Andreas Tietz vom Thünen-Institut für ländliche Räume untersucht. In seinen Forschungsergebnissen erkennt er: „Der Generationswechsel wird zur Achillesferse, an der sich entscheidet, ob die Landwirtschaft regional verankert bleibt oder nicht.“
Haben Kinder kein Interesse an der Landwirtschaft, bleibe oft nur der Verkauf, so Tietz. Aufgrund der Wertsteigerung der Ackerflächen können sich meist nur sehr vermögende Investoren den Kauf der Unternehmensanteile leisten.
Klöckner „ungehalten“
Auch Bundesministerin Julia Klöckner hat längst erkannt, dass steigende Bodenpreise landwirtschaftliche Existenzen bedrohen. Im Januar machte sie ihrer Wut Luft: „Sie sehen mich heute ungehalten.“ Die Regelungslücken am Bodenmarkt seien schon lange bekannt, passiert sei wenig, klagt Klöckner und schiebt den Schwarzen Peter damit den Ländern zu.
„Die Preise für den Faktor Boden sind der wirkliche Grund, warum die Betriebe an den Rand des Ruins geraten“, ist auch die klare Meinung von Jobst Jungehülsing. Er ist Leiter des Referates Bodenmarkt im Landwirtschaftsministerium. Sein Fazit: In vielen Ländern fehlt der politische Wille, die Empfehlungen der eigenen Experten umzusetzen. Seit der Föderalismusreform 2007 sind die Bundesländer für den bodenpolitischen Ordnungsrahmen zuständig. In den meisten Ländern gelten jedoch immer noch die in die Jahre gekommenen Bundesgesetze. Bei Reformen hakt es gewaltig.
In den vergangenen 14 Jahren hat es lediglich Baden-Württemberg geschafft, die Bundesgesetze mit einem „Agrarstrukturverbesserungsgesetz“ abzulösen. Für Klöckner ist klar, dass die Bundesländer mehr tun müssen. An welchen Schrauben die Länder ansetzen könnten, hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik“ schon 2015 aufgezeigt.
Vorkaufsverfahren zu teuer
Auf dem Bodenmarkt soll das Grundstückverkehrsgesetz Landwirte vor dem Abfluss von Flächen schützen. Danach muss eine zuständige Behörde jeden Kauf absegnen. Will ein Nichtlandwirt Agrarflächen kaufen, kann die Behörde den Kauf versagen. Allerdings nur dann, wenn ein sogenannter „dringend aufstockungsbedürftiger“ Landwirt die Flächen erwerben möchte. Diesen muss die örtliche Siedlungsbehörde, wie z.B. die Landgesellschaft, bestimmen.
Die Ausübung des Vorkaufsrechtes ist jedoch teuer. Der Landwirt muss unter anderem zweimal Grunderwerbsteuer zahlen. Wenn die Landgesellschaft die betroffenen Flächen kauft, wird zum ersten Mal Grunderwerbsteuer fällig. Verkauft sie die Flächen dann dem berechtigten Landwirt, muss er den Kaufpreis samt erster Steuerzahlung erneut versteuern.
In der Praxis sieht das so aus: Ein Nichtlandwirt möchte in Niedersachsen 1 ha Land für 40.000 € kaufen. Die Landgesellschaft fragt einen aufstockungsbedürftigen Landwirt, ob er in den Kaufvertrag einsteigen möchte. Sagt er zu, sieht die Rechnung mit einem Grundsteuersatz von 5% wie folgt aus:
Zum Kaufpreis von 40.000 €/ha kommt die zweifache Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.000 €. Bei Notar- und Maklerkosten für die Landgesellschaft von etwa 4.000 € (10%) muss der Landwirt also mit Zusatzkosten von ca. 8.000 €/ha rechnen. Hier winken viele Landwirte ab – nach drei Jahren Dürre und schlechten Preisen sind die Reserven aufgebraucht. Dazu kommt in vielen Fällen die unklare Perspektive, wie es mit dem Hof weitergeht.
Finanzministerium gefragt
Karl-Heinz Goetz, Geschäftsführer des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften, fordert endlich die gemeinnützigen Landgesellschaften beim Vorkaufsrechtsverfahren von der Grunderwerbsteuer zu befreien. Hier hakt es seit Jahren am Bundesfinanzministerium und nun am Bundestag. Außerdem plädiert Goetz dafür, dass die Landgesellschaften die Möglichkeit haben sollen, das Vorkaufsrecht auszuüben, auch ohne sofort einen Nachkäufer vorzuweisen. Diese Flächen sollen die Landgesellschaften dann innerhalb einer Frist von 6 bis 10 Jahren vorrangig aufstockungswilligen Betrieben anbieten.
Anteilskäufe ins Bodenrecht?
Ein weiteres Problem des Grundstückverkehrsgesetzes: Es greift nur dann, wenn auch tatsächlich Flächen gehandelt werden und ein Besitzerwechsel im Grundbuch stattfindet. Es greift nicht, wenn Investoren lediglich Anteile landwirtschaftlicher Gesellschaften kaufen. In den neuen Bundesländern bewirtschaften juristische Personen laut jüngster Agrarstrukturerhebung bereits gut 50% der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Gilt das Bodenmarktrecht also nur noch für die Hälfte der deutschen Agrarflächen?
Zumindest kann man das Grundstückverkehrsgesetz mit Share Deals umgehen. Sie fallen unter das Gesellschaftsrecht. Denn bei diesen Rechtsakten wechselt nicht das Land, sondern der Landeigentümer (bspw. eine Agrar-GmbH) den Besitzer.
Erwerben Käufer maximal 95 % der Gesellschaft, fällt keine Grunderwerbsteuer an und sie tauchen nicht in der Bodenmarktstatistik auf. Bis dato sträubt sich Finanzminister Scholz, diese Grenze zu senken. „Share Deals unterlaufen die Grundstückverkehrskontrolle nach dem Grundstückverkehrsgesetz“, meint Goetz. Sein Verband hat 2015 in einem Gutachten rechtliche Instrumente prüfen lassen, die Anteilskäufe an Agrargesellschaften regeln sollen.
Der Vorschlag der Gutachter: Die Politik soll Share Deals als „genehmigungsbedürftigen Tatbestand“ im Bodenrecht regeln. Behörden müssten Anteilskäufe an Unternehmen, die Agrarflächen einer bestimmten Größe besitzen, künftig genehmigen. Zu rechtfertigen sei der Eingriff in die Grundrechte der Eigentumsfreiheit durch agrarstrukturelle Gemeinwohlziele, so die Autoren.
Die juristische Möglichkeit bestätigt auch Rechtsanwalt John Booth. Für Pachtverträge gibt es solche Anzeigepflichten bereits. Die lokalen Behörden setzen sie aber nur stiefmütterlich um. Experten fordern die Länder auf, Druck auszuüben und Personal zur Verfügung zu stellen.
Mehr Transparenz
Die vorgeschlagenen Maßnahmen hätten das Potenzial, mehr Transparenz auf dem Bodenmarkt zu schaffen. Bisher ist die Datenlage unzureichend, um die Phänomene am Bodenmarkt genau zu beschreiben und problematische Entwicklungen zu erkennen.
In der Politik sind die Problemfelder des Bodenmarktes hinlänglich bekannt. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition im Bundestag hieß es bereits 2013, dass man „die rechtlichen Instrumentarien der Kontrolle des unmittelbaren und mittelbaren Erwerbs landwirtschaftlicher Flächen durch nicht-landwirtschaftliche Investoren prüfen werde.“ Passiert ist wenig. In den Ländern gab es nur vereinzelte Initiativen zur Modernisierung des Bodenrechtes.
Baden-Württemberg packts an
Einziges Bundesland mit „Agrarstrukturverbesserungsgesetz“ ist seit 2009 Baden-Württemberg. Weil immer mehr finanzstarke Bauern aus der Schweiz grenznahe Ländereien aufkauften, explodierten die Preise. Seitdem gilt für Kaufverträge in den grenznahen Kreisen eine Preisbremse bei 20% über dem landwirtschaftlichen Verkehrswert. Außerhalb der grenznahen Bereiche gilt die bundesweite „Preisbremse“ von 50% über dem Verkehrswert.
Das Problem, dass man einen kaufwilligen Landwirt braucht, damit die Landgesellschaft das Vorkaufsrecht ausüben kann, ist so gelöst: Die Landgesellschaft kann die Flächen zunächst übernehmen und später an Landwirte abgeben. Positiv sehen Experten, dass das Landesgesetz auch das Landpachtverkehrsgesetz umfasst und es Sanktionen für nicht angezeigte Pachtverträge gibt.
Ob das Landesgesetz dafür sorgt, dass die Bodenpreise in Baden-Württemberg deutlich unterhalb denen in Bayern liegen, ist bislang nicht wissenschaftlich untersucht. „Wer sich die statistischen Daten anschaut, kann aber zu keinem anderen Schluss kommen,“ meint Jobst Jungehülsing aus dem Landwirtschaftsministerium. Die anderen Länder sollten daher schnellstens mit dem Ländle gleichziehen und zusätzliche Regelungen zu den Share Deals aufnehmen.
Sachsen-Anhalt scheitert
Wie schwierig jedoch der Einigungsprozess auf Länderebene sein kann, zeigt die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt. Sie ist gerade mit ihrem Agrarstrukturgesetz krachend gescheitert. Offizielle Begründung: Die notwendige Präsenzanhörung hätte Corona-bedingt nicht mehr vor der Landtagswahl im Juni stattfinden können. Kritiker sprachen dem Gesetz allerdings sowohl juristische Machbarkeit sowie inhaltliche Brauchbarkeit ab. Schon 2016 hat der damalige Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens an einem Agrarstrukturgesetz gefeilt und scheiterte damit auch am Widerstand des Berufsstandes.
Im November 2020 legte eine Lenkungsgruppe aus Vertretern der drei Regierungsfraktionen einen neuen Gesetzentwurf zum Agrarstrukturgesetz vor. Basis sollte ein agrarstrukturelles Leitbild mit folgenden Hauptzielen sein: Ortsansässige Landwirte fördern, mehr Transparenz auf dem Bodenmarkt schaffen und eine breite Eigentumsstreuung in der Region herstellen. Konkret wollten die Parlamentarier folgende Regelungen einführen:
- Eine Preismissbrauchsklausel für Pacht- und Kaufverträge,
- mehr Befugnisse für gemeinnützige Landgesellschaften: Landkauf auch ohne aufstockungsbedürftigen Landwirt möglich,
- Kauf- und Pachtverbot für Landwirte, die bereits mehr als 50% der Fläche in der Gemarkung besitzen,
- Kontrolle von Anteilskäufen an Unternehmen mit mehr als 250 ha landwirtschaftlichen Flächen,
- bei Zuwiderhandlung Bußgelder von bis zu 1 Mio. €.
Daraus wird nun nichts. In Niedersachsen scheiterte 2016 das Agrarstrukturgesetz. Der thüringische Agrarminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke) hat vor Kurzem einen Agrarstrukturbericht vorgestellt. Als nächsten Schritt will er ein Agrarstrukturgesetz erarbeiten. Auch in Brandenburg diskutiert man ein agrarstrukturelles Leitbild als Vorstufe zur Reform des Bodenrechts.
Die Gründe, warum sich die Länder so schwertun, sind vielschichtig. Natürlich ist die Komplexität des Bodenrechts nicht zu unterschätzen. Das darf die Politik allerdings nicht davon abhalten, passende Gesetze zu erlassen. Die Bundesländer wirken zuweilen juristisch überfordert. Hier muss der Bund helfend zur Seite stehen. Aber auch der Berufsstand zeigt sich in der Debatte zurückhaltend. Der Deutsche Bauernverband hat seit 2014 eine Position zum Bodenmarkt. Die einzelnen Regionalverbände in den Bundesländern scheinen allerdings eher zu bremsen als agrarstrukturelle Reformen im Sinne der Bauern voranzutreiben.