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Gutachten der FH Soest

Bauernverband: So teuer werden die geplanten Pflanzenschutzverbote für Landwirte

Steht der konventionelle Landbau in Schutzgebieten vor dem Aus? EU-Pläne zur Pflanzenschutzverboten bedrohen die Existenz vieler Bauernhöfe, sagt ein Gutachten der FH Soest.

Lesezeit: 5 Minuten

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Pflanzenschutzverbote in „sensiblen Gebieten“ würden für Landwirte massive Ertragseinbußen und Einkommensminderungen bedeuten. Das belegt ein im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes (DBV) erstelltes Gutachten der Hochschule Soest.

Das Gutachten stellte der DBV am Dienstagnachmittag am Rande der Plenarsitzung des Europaparlamentes in Straßburg vor.

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Die Prognose der Soester Wissenschaftler: Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) würde klassischen Acker-, Obst-, Gemüse- und Weinbau in Schutzgebieten unmöglich machen.

Ertragseinbußen unterschiedlich

Im Ackerbau kalkulieren die Soester Autoren um Prof. Dr. Friedrich Kerkhoff mit durchschnittlichen Ertragsverlusten beim Wintergetreide von ca. 30%, bei den Kartoffeln und Winterraps mit ca. 40 %. Sommergetreide, Ackerbohnen und Futtererbse sowie der Mais seien im Anbau ohne chemischen Pflanzenschutz mit deutlich geringeren Ertragseinbußen verbunden.

Im Modellbetrieb mit typischen Anbaufrüchten auf sehr guten Ackerbaustandorten betragen die Einkommensminderungen 449 €/ ha. Auf dem Standorten mit einem niedrigen Ertragspotential sei der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz wirtschaftlich nicht tragfähig, wenn bereits in der Ausgangssituation nur ein niedriges Gewinnniveau vorliegt.

Die Ertragsminderungen auf dem Grünland haben die Autoren mit 5 - 10 % kalkuliert. Beim untersuchten Gemüse komme es zu hohen Ertragsminderrungen von mindestens 30 % bis zum Totalausfall.

Kerkhoff: Kartoffelanbau nicht mehr wirtschaftlich

Agrarökonom Kerkhof von der Hochschule Soest betont die Deutlichkeit der Ergebnisse: „Auf den guten Ackerbaustandorten sind die Einkommensminderungen bei den wirtschaftlich starken Früchten Kartoffeln, Raps, Zuckerrüben und Weizen am höchsten.“

Der Anbau von Kartoffeln sei nicht mehr wirtschaftlich, die relative Wettbewerbsfähigkeit von Mais nehme dagegen zu. Gerade im Ackerbau auf Standorten mit einem niedrigen Ertragspotenzial sei ein Verzicht auf den chemischen Pflanzenschutz wirtschaftlich nicht tragfähig, so Kerkhoff.

Gemüseanbau wandert ab

Für den Gemüseanbau in Deutschland zeichnet Kerkhoff ein dunkles Bild: „Im Gemüseanbau steigt das Anbaurisiko durch Schädlinge und Schadpilze erheblich an. Bei Verzicht auf den chemischen Pflanzenschutz wird der Anbau vieler Gemüsearten aufgegeben oder lohnt sich nur bei sehr hohem Preisniveau.“

Im Modellbetrieb wurde infolge des Verzichts auf den chemischen Pflanzenschutz der Anbau von Spargel, Speisezwiebeln und Eissalat aufgegeben, da der Anbau wirtschaftlich nicht weiter tragfähig ist. Dadurch entstehen Gewinnminderungen in Höhe von 6.900 € pro ha.

Rukwied: Pflanzenschutzvorschläge abändern!

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, fordert vor dem Hintergrund des Gutachtens eine grundlegende Überarbeitung der Vorschläge. „Das Gutachten macht deutlich, dass die EU-Kommission mit ihren weltfremden Plänen zur Pflanzenschutzmittelreduktion nicht nur die Existenz zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe massiv gefährdet, sondern auch die sichere Nahrungsmittelversorgung in Europa leichtfertig aufs Spiel setzt.“

Wo steht die Debatte in Brüssel?

Im Juni 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) vorgelegt. Die zentralen Ziele der Kommission: Einsatzverbote für chemisch-synthetische Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten und auf Ebene der Mitgliedstaaten eine Halbierung des Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030, wobei der Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2017 als Basis dienen soll.

Nach massiver Kritik aus den Reihen der Mitgliedstaaten, legte die Kommission Ende des Jahres 2022 einige Kompromissvorschläge in einem sogenannten Non-Paper vor. Bei den sensiblen Gebieten ruderte die Behörde zwar zurück, bleib aber unklar, welche Pflanzenschutzmittel wo erlaubt bleiben könnten und welche sie verbieten will.

Ein EU-Gesetz wie die SUR tritt nur in Kraft, wenn sich die EU-Kommission, das Europaparlament und die Mitgliedstaaten auf einen Kompromiss einigen können. Jede der drei Institutionen braucht also eine Position, um in die Verhandlungen zu starten.

Der Verordnungsvorschlag und das Kompromisspapier sind die Position der EU-Kommission.

Das will Wiener

Im Europaparlament muss die österreichische Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener für einen Kompromiss sorgen. Dazu hat sie ihren Kollegen im Parlament einen ersten Aufschlag vorgelegt:

Konkret will Wiener „besonders gefährliche“ Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 80 % reduzieren, Bio-Pflanzenschutzmittel in „sensiblen Gebieten“ zulassen sowie den integrierten Pflanzenschutz europäisch definieren und verpflichtend vorschreiben.

Was die Pflanzenschutzanwendung in sogenannten „sensiblen Gebiete“ anbelangt, pocht die ehemalige Fernsehköchin darauf, nitratempfindliche Gebiete aus der Definition auszuschließen. Das begründet sie damit, dass diese für die Zwecke dieser Verordnung nicht relevant seien. Auch beid er hochumstrittenen Frage, ob Landschaftsschutzgebiete als „sensibel“ gelten, zeigte sich Wiener gesprächsbereit.

Für viele Parlamentarier gehen Wieners Änderungsvorschläge nicht weit genug oder schlichtweg in die falsche Richtung. Bis Ende März hatten die Mitglieder des Umweltausschusses Zeit, eigene Änderungsvorschläge einzureichen. Zu den sieben Kapiteln mit 45 Artikeln der Pflanzenschutzverordnung kamen mehr als 2900 Änderungsvorschläge zusammen. Der ambitionierte Plan der Parlamentarier: Bis Oktober wollen sie sich auf eine gemeinsame Position geeinigt haben.

Mitgliedstaaten noch ohne Position

Im Kreise der Mitgliedstaaten stocken die Verhandlungen über eine gemeinsame Position aktuell. Die wirklich brisanten Themen, wie die Pflanzenschutzverbote, verhandeln die EU-Staaten erst dann weiter, wenn die neuen Daten vorliegen, heißt es. Ende des vergangenen Jahres forderten eine Mehrheit der Mitgliedstaaten neue Daten und eine ausführlichere Folgenabschätzung von der Kommission.

Eine Position der Mitgliedstaaten erwarten Brüsseler Insider daher frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2023.

Den endgültige Beschluss, der am Ende des langen Prozesses zum Gesetz wird, müssen dann Vertreter der EU-Kommission, des Europaparlamentes und der EU-Mitgliedstaaten aushandeln. Ob das noch vor der Europawahl im Frühjahr 2024 gelingt, ist aktuell fraglich.

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