Die Unternehmensführung von Tönnies hat am Mittwoch gemeinsam mit dem Kreis Gütersloh die vorrübergehende Stilllegung des Standorts Rheda beschlossen. Bei einem neuen Corona-Massentest sind jetzt schon 656 von 983 Tests positiv ausgefallen. Am Morgen tagte der Krisenstab des Kreises Gütersloh.
Landrat Sven-Georg Adenauer teilte am Mittwochnachmittag bei einer Pressekonferenz mit, die Schließung des Schlachthofes angeordnet zu haben. Ab 9 Uhr wurden keine Schweine mehr angenommen, aktuell werden die Bänder noch abgearbeitet. Laut WDR war die Spätschicht angetreten.
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Adenauer schwebt ein Schließungszeitraum von 14 Tagen vor, könnte aber auch in sieben Tagen schon wieder öffnen, im Extremfall aber auch später. Die Lage der Landwirte sei ihm bewusst, daher sei er flexibel. Er habe auch gehört, dass 20 % der Fleischprodukte in deutschen Supermärkten fehlen, wenn Tönnies nicht produziert. Es gebe aber keinen Grund für Hamsterkäufe.
Schulen und Kindertagesstätten im Kreis Gütersloh sollen ab morgen geschlossen werden, was für erheblichen Unmut in der Bevölkerung sorgt. Der Hotspot liegt laut dem Landrat bei Tönnies in der Zerlegung. Es müsse nun darum gehen, einen kompletten Lockdown für den Kreis zu verhindern, so Adenauer. Alle betroffenen Mitarbeiter und die direkten Kontaktpersonen gingen jetzt in Quarantäne. Insgesamt sollen 7.000 Menschen in Quarantäne geschickt worden sein, heißt es.
Pressesprecher Dr. André Vielstädte entschuldigte sich im Namen von Clemens Tönnies bei allen Familien. Man arbeite sehr eng mit dem Krisenstab und dem Kreis zusammen. Auch habe das Unternehmen stets alle Vorgaben exakt erfüllt. Ihm ist es wichtig zu betonen, dass die behördlichen Tests der jetzt positiven Mitarbeiter vor einigen Wochen noch negativ waren. Das Virus muss also seitdem in den Betrieb von extern hereingetragen worden sein. Zusammen mit Wissenschaftlern wolle man nun erforschen, wie sich der Hotspot entwickeln konnte. Er erwartet, dass uns alle das Thema noch in den nächsten Jahren beschäftigen wird.
Ganz klar sagte er aber auch, dass Mitarbeiter aller Nationalitäten, Positionen und Beschäftigungsverhältnisse betroffen seien. Die Ansteckung sei nicht an bestimmten Wohnverhältnissen oder Herkünften festzumachen.
Auf die Frage eines Journalisten, ob das Konzept versagt hat, betonte Dr. Gereon Schulze Althoff, Leiter des Tönnies-Pandemie-Krisenstabs, dass der Betrieb nicht für eine Pandemie gebaut sei, sondern einen Versorgungsauftrag erfüllen müsse. "Das Konzept hat nicht versagt. Die neuen Erkenntnisse über die Spreading-Situation, die Ausbreitung der Viren über die Atemluft, ist ja erst wenige Wochen alt", so Schulze Althoff. Dazu käme die Kälte in den Hallen und die Luft, die umgewälzt wird. Dadurch verteile sich das Virus offenbar stärker, das Problem hätten jedoch alle Unternehmen der Branche. "Am Ende war es nicht genug, das müssen wir lernen und die Produktionsketten jetzt schnell wieder ans Laufen bringen."
Im Sinne der Fleischversorgung und der Landwirte werde Tönnies jetzt einen Weg erarbeiten, wie, wann und ggf. wohin die Bauern ihre Tiere ab jetzt liefern können, so Schulze Althoff weiter.
Das sagt Tönnies
„Die Gesundheit und der Schutz unserer Mitarbeiter steht an erster Stelle. Daher haben wir gemeinsam mit dem Kreis Gütersloh und Landrat Sven-Georg Adenauer heute den vorrübergehenden und schnellen Sofort-Stillstand unserer Schlachtung in Rheda beschlossen“, sagt Firmenchef Clemens Tönnies.
Der Stopp der Schlachtung ist bereits am Mittwochmittag erfolgt. Sukzessive werden weitere Bereiche heruntergefahren. Nur so könne man die weitere Ausbreitung der Erkrankung im Betrieb minimieren. „Es geht jetzt nicht um das Unternehmen, es geht um die Menschen und um den Kreis. Wir unterstützen die Behörde in vollstem Umfang bei allen Maßnahmen“, fügt Tönnies hinzu.
Dem Unternehmen sei es nach eigener Aussage viele Wochen gelungen, mit einem frühzeitig eingeführten Hygiene-Konzept und zahlreichen Schutzmaßnahmen das Virus aus dem Betrieb herauszuhalten. „Doch jetzt hat es leider eine große Ausbreitung gegeben“, sagt Gereon Schulze Althoff. Der Ausbruch könne viele Gründe haben. „Die werden wir gemeinsam mit dem Kreis Gütersloh prüfen.“ In den ersten Monaten der Pandemie verzeichnete das Rheda-Wiedenbrücker Unternehmen bei mehr als 13.000 Tests in der gesamten Unternehmensgruppe lediglich 128 positive Fälle.
Wie lange der Produktionsbereich geschlossen bleibt, entscheiden die Behörden lageorientiert. „Wir werden uns nun in erster Linie um unsere Mitarbeiter kümmern – vor allem um die positiv getesteten und die, die sich in Quarantäne befinden. Erst dann werden wir den Betrieb in Abstimmung mit den Behörden wieder hochfahren.“
An den weiteren Standorten der Tönnies Gruppe wurden in den vergangenen Wochen ebenfalls behördliche Tests durchgeführt. Hier gibt es aktuell keine Auffälligkeiten, so dass die Produktion gemäß den dort gültigen Hygiene-Regelungen weiterläuft.