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Rede Hubertus Paetow

DLG-Unternehmertage: "Gasumlage beschlossen, Tierwohlumbau immer noch nicht!"

Hubertus Paetow sprach in seiner Eröffnungsrede die großen Herausforderungen und Sorgen der Bauern an. Unverständnis äußert er für Pflanzenschutzverbote und schleppende politische Motivation.

Lesezeit: 6 Minuten

Es gibt keinen Zweifel – wir befinden uns in der schwersten wirtschaftlichen Krise der letzten Jahrzehnte, einige sagen, seit dem letzten Krieg. Mit diesen Worten eröffnete DLG-Präsident Hubertus Paetow am Dienstag die DLG-Unternehmertage in Würzburg.

Die durch die gerade erst abebbende Pandemie ohnehin schon strapazierten globalen Lieferketten würden nun durch die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine noch weiter aus dem Gleichgewicht geraten, sagte Paetow mit Blick auf die Kostensteigerungen bei Energie und energieintensiven Vorleistungsgütern wie z.B. Düngemittel. „Niemand mag heute eine Prognose wagen, wann auf den Güter- und Energiemärkten wieder so etwas wie Ruhe und Normalität einkehren wird. In der Folge ist auch die Inflation, nach Jahrzehnten der Geldwertstabilität, zurück - mit allen negativen Folgen der Planungs- und Investitionssicherheit für Unternehmen und Verbraucher“, stellte er fest.



Die Reaktionen aus der Politik auf diese Verwerfungen sind laut dem Landwirt geprägt von Aktionismus und Symbolik sowie von häufigen Fehleinschätzungen wirtschaftlicher Zusammenhänge und daher auch der Wirkung wirtschaftspolitischer Instrumente – wie jüngst wieder bei der Gasumlage zu beobachten.

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Vermarktung und Beschaffung stehen jetzt ganz oben

Die aktuelle Situation ist laut Paetow durchaus mit der letzten Hochpreisphase vor 15 Jahren zu vergleichen – und wie damals gewinne für viele Betriebe der Bereich Vermarktung und Beschaffung eine neue Bedeutung. „Die Reinerträge des laufenden Wirtschaftsjahres werden erheblich mehr von den Verkaufszeitpunkten der Ernte 22 sowie dem Zeitpunkt des Düngereinkaufes abhängen, als von den Arbeitserledigungskosten oder auch den Flächenerträgen. Vermarktungsstrategien und Absicherungsinstrumenten rücken in den Fokus des unternehmerischen Handelns.“

Herausforderungen in der Tierhaltung

Und dies gelte auch für die Rinderhaltung. Trotz gestiegener Futter- und Energiekosten könnten die allermeisten Milchviehbetriebe kostendeckend wirtschaften.



Deutlich anders sieht es laut dem Präsidenten in der Schweinehaltung aus – hier seien selbst die 2,05 € pro kg Schlachtgewicht nicht ausreichend, um die hohen Futterkosten zu decken und auch den Sauenhaltern noch einen auskömmlichen Preis für die Ferkel zu zahlen.



„Die Gesamtbestände und auch die Zahl der schweinehaltenden Betriebe sind im freien Fall, und leider gibt es auch aus der Politik keine Signale, dass man dagegen etwas tun muss.“ Zeitgleich stellt der Rückgang des Fleischverzehrs in Deutschland den Markt vor weitere Herausforderungen. Die vergleichsweise teure Produktion in Deutschland begrenzt die Möglichkeiten, sich auf den Exportmärkten dem Wettbewerb zu stellen, berichtete er weiter.

Borchert-Konzept scheitert an Finanzierung

„Solange unsere gesellschaftlich erwünschten Standards im Bereich Tierwohl und Emissionsschutz nicht für alle Produzenten, zumindest in der EU gelten, wird sich das auch nicht ändern. Der vielversprechende und allseits gelobte Lösungsansatz über das Borchert-Konzept scheitert an der Finanzierung, wobei es schon erstaunlich ist, dass dieselbe Regierung, die keinen Weg hin zu einer Tierwohlumlage sieht, in kürzester Zeit eine Gasumlage in mehrfacher Höhe und zugunsten einiger weniger Unternehmen einführen will“, so Paetow in seiner Rede weiter.

Es verwundert sehr, dass eine Gasumlage für wenige Unternehmen in einigen Wochen beschlossen werden konnte, die Umsetzung der Borchert-Pläne aber immer noch nicht voran kommt.



Man bekomme den Eindruck, als seien die Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe über alle Maßen gestiegen. Dies sei aber nur dann richtig, wenn man die letzten drei oder vier Jahrzehnte in Deutschland und Europa als Maßstab anlegt.

Blickt man in andere Gegenden der Welt oder geht in der Zeit weit zurück, so seien die Schwankungen und Unsicherheiten, mit denen wir es heute zu tun haben, gar nichts Besonderes mehr. „Rund um den Globus müssen viele Berufskollegen in korrupten Staaten wirtschaften und bereits Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es große Verwerfungen auf den Agrarmärkten. Diese waren im Übrigen einer der Gründe für die Entstehung der DLG“, so der Präsident.

Stilllegung hier muss Intensivierung da gegenüberstehen

Im weiteren Verlauf sprach er die stetige Optimierung der Abläufe auf den Betrieben sowie die permanente Anpassung des Produktionsprogrammes an die Anforderungen und Voraussetzungen des Marktes an.

Aus der Bedeutung der nationalen Erzeugung lasse sich nicht der Anspruch herleiten, dass auf dem Acker und im Stall nur noch die reine Produktivität zählt und die Schonung der natürlichen Ressourcen erst einmal zurückstehen muss – das sei nach wie vor zu kurzgedacht.

„Wenn ein gewisser Anteil der Fläche als Rückzugsraum für gefährdete Arten notwendig ist, so müssen wir auf dem Rest der Fläche umso produktiver wirtschaften – nur so lassen sich die Ziele der Ernährungssicherung und der Ökologie in Einklang bringen. Das heißt aber auch, dass sowohl die Beurteilung der negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Ökosysteme, als auch die Wirksamkeit der Instrumente des Naturschutzes ständig verbessert werden müssen“, sagte Paetow.

Pflanzenschutzmittelverbot passt nicht zu nachhaltiger Entwicklung

Wer in Zeiten global knapper Lebensmittel in deren Produktion eingreift, sollte schon sehr genau wissen, was er tut, mahnt der Landwirt weiter. Vor diesem Hintergrund würden die Pläne der EU-Kommission zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes wenig zielführend wirken.

„Ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten passt nicht zu dem modernen Verständnis einer ausbalancierten nachhaltigen Entwicklung, welches sich auch im Agrarbereich in den letzten Jahren als Zielbild durchgesetzt hat. Man könnte den Eindruck gewinnen, als hätte es keine umfangreichen Konsultationen mit anerkannten Leitlinien aller beteiligten Akteure, wie in der Zukunftskommission, gegeben.“

Die Reaktionen aus der Land- und Ernährungswirtschaft sind für Paetow daher durchaus verständlich und zeigen deutlich, wie schnell man aufwändige Befriedungsprozesse gesellschaftlicher Konflikte wieder zunichtemachen kann.

Seine Lösung

Paetow unterbreitet einen Gegenvorschlag: „Wir alle wissen, dass man den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auch ohne Verbote und Ertragseinbußen reduzieren kann, sei es durch Sortenwahl, Schadschwellenmanagement, Fruchtfolgeumstellungen, Bandspritzung in Reihenkulturen oder mechanische Unkrautbekämpfung mit autonomen Systemen.

Was fehlt, ist ein politisches Instrument, das diese Innovationen im Sinne der Ökologisierung betriebswirtschaftlich attraktiv werden lässt. Und das ist sicherlich nicht ein Verbot in Schutzgebieten – das könnte viel eher eine betriebliche Quotenregelung sein, wie sie in der CO2-Reduktion auf EU-Ebene schon lange erfolgreich zum Einsatz kommt.“



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Dr. Lothar Hövelmann neuer DLG-Hauptgeschäftsführer

Am Montag hatte der DLG-Gesamtausschuss bereits Dr. Lothar Hövelmann zum neuen Hauptgeschäftsführer der Gesellschaft berufen. Er folgt auf Dr. Reinhard Grandke, der die DLG auf eigenen Wunsch verlässt, um sich neuen beruflichen Herausforderungen und Projekten zu widmen.

Freya v. Czettritz wird ab sofort als neue CEO der DLG-Holding GmbH die wirtschaftlichen Aktivitäten der DLG verantworten. Mit der neuen hauptamtlichen Doppelspitze sieht sich die DLG für die Zukunft sehr gut aufgestellt.

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