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Familienbetriebe Land und Forst stemmen sich gegen pauschale Pflanzenschutzverbote

Noch ist das totale Pflanzenschutzverbot in Sensiblen Gebieten nicht vom Tisch. Die Familienbetriebe Land und Forst hören deshalb nicht auf, davor zu warnen. Die Folgen wären nämlich drastisch.

Lesezeit: 4 Minuten

Das von Brüssel vorgeschlagene Totalverbot für chemischen Pflanzenschutz in Sensiblen Gebieten verliert politisch an Rückhalt, bewegt aber nach wie vor die Gemüter von Landnutzern. Zu groß wären die Konsequenzen, die ein solcher Schritt für die Produktivität, aber auch den Wert von Nutzflächen in den Schutzgebieten mit sich brächte.

Der Verband der Familienbetriebe Land und Forst hat deshalb nicht nur die Kampagne „pflanzen schützen, Zukunft sichern“ ins Leben gerufen, sondern am Mittwoch unter dem Motto „Pflanzenschutz im Zeichen des Green Deals“ auch zu einer Diskussionsveranstaltung mit Fachleuten, Betroffenen und Politikern nach Berlin eingeladen.

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Elverfeldt: Verbot käme Berufsverbot für Landwirte gleich

Der Verbandsvorsitzende Max v. Elverfeldt stellte gleich zu Beginn klar: „Unsere Landwirte stehen dazu, weiterhin den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, das liegt in ihrem ureigenen Interesse. Doch der Weg über Totalverbote für Landwirte in Schutzgebieten ist falsch und kommt für die Betroffenen einem Berufsverbot gleich!“.

Von Elverfeldt gab zu bedenken, dass je nach Verteilung der Schutzgebiete regional bis zu 90 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen betroffen wären. Die Erträge würden dort drastisch sinken mit allen Folgeeffekten von schrumpfender regionaler Versorgung über eine höhere Importabhängigkeit bis hin zu einem deutlichen Wertverlust der Nutzflächen.

Diesen massiven Eigentumseingriff wollen die Landnutzer nicht hinnehmen, zumal es beispielsweise mit Precision Framing, Neuen Züchtungstechnologien oder Biologischem Pflanzenschutz auch anders ginge, so v. Elverfeldt.

Paetow: Chemischer Pflanzenschutz gehört in die „Trickkiste“

DLG-Präsident Hubertus Paetow sieht das ähnlich. Er erinnerte daran, dass die Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist, Lebensmittel zu bezahlbaren Preisen zu erzeugen. Chemischer Pflanzenschutz gehört dabei nach seiner Überzeugung ungeachtet aller Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit mit in die „Trickkiste“.

Der schlichte Verzicht auf den konventionellen Pflanzenschutz wird laut Paetow ohnehin nicht funktionieren, da er die Ursachen für Artenschutzverluste in der Kulturlandschaft eher an mechanischer Bodenbearbeitung und gleichförmigen Kulturen festmacht. Besser wäre daher ein Ausbau des Integrierten Pflanzenschutzes und mehr Landschaftselemente sowie mehr Artenschutz neben den produktiven Flächen. „Chemischer Pflanzenschutz muss aber als Ultima Ratio erhalten bleiben“, fordert der DLG-Präsident.

Hoffmann: Artenschutz auch in der Fläche möglich

Die Landwirtin und bekannte Agrarbloggerin Marie Hoffmann widersprach Paetow in einem Punkt: Nach ihrer Überzeugung ist Artenschutz auch in der Fläche möglich und muss sich nicht auf Rand- und Blühstreifen beschränken. Sie denkt dabei an Direktsaat oder den Einsatz von Drohnen im Pflanzenschutz.

Auch Hoffmann ist gegen ein pauschales Agrarchemieverbot und weist auf einen weiteren negativen Effekt hin, der daraus resultieren würde. Ohne chemischen Pflanzenschutz würden die Zahl der Überfahrten auf den Flächen und die mechanischen Eingriffe über Hacke und Striegel notwendigerweise deutlich zunehmen. „Bodenbrüter, Hasen und Wildbienen haben so keine Chance“, warnt die Junglandwirtin.

Ohne Agrarchemie Ertragsrückgang, Erlöseinbußen und Vermaisung

Prof. Friedrich Kerkhoff von der Fachhochschule Südwestfalen hat einmal durchgerechnet, was ein Pauschalverbot für die Soester Börde bedeuten würde. Ihm zufolge wären 55 % der Börde betroffen. Hier erwartet er ohne chemischen Pflanzenschutz je nach Kultur Ertragseinbußen zwischen 30 und 40 % bei deutlich steigendem Anbaurisiko. Den wirtschaftlichen Verlust beziffert der Agrarökonom im Schnitt mit 450 €/ha.

Kerkhoff befürchtet zusätzlich Fruchtfolgeverengungen. Gebietsweise würde sich nach seiner Einschätzung die Frage stellen, ob der Rapsanbau überhaupt noch Sinn macht. Stattdessen könnten viele Landwirte auf Mais umschwenken, da hier noch am ehesten mit stabilen Erträgen gerechnet werden kann.

Heger: Totalverluste im Weinbau möglich

Die Pläne der EU-Kommission gefährden aber nicht nur die herkömmliche Landwirtschaft. Auch die deutschen Winzer befürchten Schlimmes, sollte es zu den pauschalen Pflanzenschutzverboten kommen. Der Badener Winzer Joachim Heger wirtschaftet heute schon herbizidfrei, kann sich aber nicht vorstellen, dass die Weinerzeugung ganz ohne chemischen Pflanzenschutz funktionieren kann. Er sagt: „Wir brauchen einen allerletzten Rettungsanker, wenn alles schief geht.“

Dass ein solches Szenario nicht unwahrscheinlich ist, zeigt ihm zufolge die Lage in der französischen Weinregion Bordeaux, wo es in diesem Jahr ohne Pflanzenschutz zu Totalausfällen kommt.

Kreiser: Fleischverzehr muss halbiert werden

Nabu-Naturschutzexperte Benjamin Kreiser ist dennoch optimistisch, dass das ebenfalls von Brüssel angepeilte Ziel, chemischen Pflanzenschutz bis 2030 zu halbieren, umzusetzen ist. Er will dabei auch nicht das Argument sinkender Erträge und möglicher Versorgungsprobleme gelten lassen. Wenn man auf den Anbau von Futtermitteln und Biomasse verzichte, reiche die Produktivität der deutschen Landwirtschaft problemlos auch ohne Agrarchemie aus, argumentiert Kreiser.

Voraussetzung dafür wäre allerdings eine Halbierung des Fleischkonsums. Wie die Ernährungsgewohnheiten der deutschen Verbraucher ohne Zwang so grundlegend verändert werden sollen, konnte allerdings auch der Nabu-Vertreter nicht erschöpfend erklären.

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