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EU-Pflanzenschutzverordnung SUR: Nachhaltiger, aber wie?

Seit Monaten gibt es Streit über die Brüsseler Reduktionspläne für Pflanzenschutz. Wie ist der Stand und was kommt auf Landwirte zu?

Lesezeit: 4 Minuten

Dieser Beitrag erschien zuerst beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der EU soll drastisch sinken. Das fordert die EU-Kommission in ihrem Verordnungsentwurf zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, kurz SUR. Das Papier hat eine hitzige Debatte ausgelöst. Damit die SUR tatsächlich EU-Gesetz wird, müssen EU-Kommission, EU-Parlament und die Mitgliedstaaten einen Kompromiss finden. Zuvor müssen sich EU-Parlament und Mitgliedstaaten aber auf jeweils eigene Positionen verständigen. Gelingt das noch vor der Europawahl im Juni kommenden Jahres?

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Für das Europaparlament soll die österreichische Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener einen Kompromiss finden. In ihrem Bericht schlägt sie unter anderem vor, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um 50 % und den „besonders gefährlicher Pflanzenschutzmittel“ um 80 % zu reduzieren. Zudem sollen in „sensiblen Gebieten“ nur noch Bio-Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen dürfen.

Für die Landwirtschaft, besonders in Intensivregionen wie NRW, könnte das zu deutlichen Ertragseinbußen führen, während die positiven Umwelt-Auswirkungen umstritten sind. Auch bisherige Folgenabschätzungen liefern sehr verschiedene Ergebnisse.

„Unwissenschaftlich“

Deutliche Kritik an SUR übt Prof. Andreas von Tiedemann von der Universität Göttingen: „Aus der Umsetzung der SUR würde ausschließlich wirtschaftlicher Schaden, aber kein ökologischer Gewinn resultieren“, sagte er am Montagabend im digitalen Wochenblatt-Branchengespräch. Ihn als Wissenschaftler ärgere es besonders, dass viele Begründungen im Diskussionspapier nicht wissenschaftlich begründet, sondern emotional geprägt seien. Das führe neben der Politik auch in der Gesellschaft immer mehr zu einer einseitigen Risiko-Nutzen-Bewertung von Pflanzenschutzmitteln, „die bei medizinischen Produkten undenkbar ist“, so Prof. von Tiedemann.

Das Wochenblatt-Branchengespräch zum Nachschauen finden Sie hier:

(Quelle: Wochenblatt)

Dennoch sieht der Wissenschaftler im Verordnungsvorschlag auch eine Chance für die Landwirtschaft: „Vielleicht ist das ja auch der Anstoß zum Umdenken“, denn in der Diskussion um SUR werde immer deutlicher, wie wichtig wirkstoffbasierter Pflanzenschutz für die Ernährungssicherheit sei.

Mehr Regeln nötig?

Prof. von Tiedemann beruft sich unter anderem auf eine Folgenabschätzung der Universität Wageningen, die von Ertragsverlusten von rund 20 bis 40 % rechnet, falls SUR wie vorgeschlagen umgesetzt werde. Auch er befürworte eine Reduktion des Pflanzenschutzmittelaufwandes, wünsche sich aber andere Wege als reine Verbote: „Wer chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel ablehnt, muss das fachlich begründen können und Alternativen aufzeigen“, so der Wissenschaftler, der zum Beispiel in moderner Gentechnik einen Ansatz für große Mitteleinsparungen sieht.

Deutliche Gegenworte kamen von Martin Häusling, dem agrarpolitischen Sprecher der Grünen im Europaparlament. „Wir haben auch früher schon Pflanzenschutzmittel eingesetzt, bei denen es hieß, dass es ohne diese zu deutlichen Ertragsverlusten kommt“, so Häusling. Als Beispiel nennt er die neonicotinoide Beize von Zuckerrüben-Saatgut, durch deren Verbot „keine Einbußen zu verzeichnen sind.“

Auch die Gentechnik sieht Häusling nicht als den großen Hebel an, denn die Situation in den USA zeige, dass Krankheiten und Schädlinge auch dort schneller seien als die Züchtung. Vielmehr setzt der Politiker darauf – wie in SUR gefordert –, den integrierten Pflanzenschutz verpflichtend zu verankern. Eine Lösung auf freiwilliger Basis wie bisher sei nicht zielführend, weil der integrierte Pflanzenschutz aktuell kaum von Landwirten umgesetzt und von den Mitgliedsstaaten kontrolliert werde.

Endlich sachlich

Norbert Lins von der Europäischen Volkspartei EVP, zu der auch die CDU gehört, ist der Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament. Er kritisierte im Branchengespräch Häuslings Aussage, dass man in der EU genug Getreide geerntet habe, weil der eigene Bedarf gedeckt sei: „Wenn man eine Gunstlage wie die EU hat, hat man eine Verantwortung über die Region hinaus – also auch für Afrika und den Nahen Osten.“ Er verwies auch auf die Kritik der Welternährungsorganisation an den Plänen der EU-Kommission.

Dieter Hagedorn, Landwirt und Vorsitzender der WLV-Arbeitskreises Pflanzenbau gab den Politikern seinen Ärger über die aktuelle Zulassungspraxis für Pflanzenschutzmittel mit auf den Weg: „Natürlich wollen wir Praktiker auch weniger einsetzen, aber wir können es nicht, weil wir Werkzeuge von gestern haben.“ Neben schnelleren Entscheidungen über Neuzulassungen plädierte auch er für eine offene Diskussion über neue technische und züchterische Technologien.

Hoffnung hierauf machte Lins: Nach dem Rücktritt von Frans Timmermans als Vizepräsident der Europäischen Kommission beschreibt er eine konstruktive Arbeit im Agrarausschuss, die „endlich mal wieder sachlich“ sei. Der Ausschuss plane unter anderem mit einer Verschiebung der Reduktionsziele vom Jahr 2030 auf 2035 sowie einer deutlichen Minderung der von Totalverboten für chemisch-synthetischen Mitteln betroffenen Gebiete.

Einen Kompromiss, mit dem alle einverstanden sind „muss es geben“, sind sich alle einig. Eine inhaltliche Einigung vor den Europawahlen im kommenden Sommer scheint angesichts der sehr konträren Standpunkte aber weiter unwahrscheinlich.

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