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Felßner: "Wir brauchen einen Konsens mit der Gesellschaft"

Günther Felßner ist neuer Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. top agrar fragte ihn, welche Kernziele er hat und wie er diese umsetzen will.

Lesezeit: 9 Minuten

Herr Felßner, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes. Dass es neben Ihnen vier weitere Mitbewerber gab, zeigt, dass dieses Ehrenamt trotz der gewaltigen Herausforderungen begehrt ist. Was war für Sie letztlich ausschlaggebend zu kandidieren?

Günther Felßner: Für mich war ausschlaggebend, dass ich eine Riesenchance sehe, den Bauernverband, die Landwirtschaft und das Umfeld unserer Betriebe mit nach vorne zu entwickeln. Ich habe 2019 im Verband den Strategieprozess „Rolle vorwärts“ angestoßen zu den Fragen „wohin wir in Zukunft wollen“, „wie wir künftig arbeiten wollen“, „wie wir uns als Verband aufstellen“ usw. Als Walter Heidl vor einem Jahr angekündigt hat, nicht mehr zu kandidieren, war klar, dass ich mich um das Amt des Präsidenten bewerbe, um diesen Veränderungsprozess selbst begleiten und umsetzen zu können.

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Das zweite ist: Als Ehrenamtler möchte ich für die Bauern etwas bewegen und das kann ich als Präsident am besten tun. Und ich habe den Rückhalt und die Aufforderung meiner Bauern wahrgenommen, die gesagt haben: „Du bist hier am richtigen Platz, du musst kandidieren!“

Wo steht die bayerische Landwirtschaft aktuell und welche Ziele leiten Sie daraus für Ihre Amtszeit ab?

Felßner: Baustelle eins ist die öffentliche Diskussion, die wir in der Landwirtschaft mit der Gesellschaft führen. Wir müssen raus aus der gefühlten Opferrolle. Diese Diskussion muss in einen offenen und ehrlichen Dialog auf Augenhöhe mit der Gesellschaft übergeführt werden. Wir müssen mit der Gesellschaft kommunizieren und eine Art Gesellschaftsvertrag finden, wie wir in Zukunft die Landwirtschaft in Bayern aufstellen wollen. Wir brauchen einen Konsens und müssen mit den Menschen Landwirtschaft betreiben.

Das zweite ist die Marktseite. Bayern ist gekennzeichnet durch bäuerliche Familienbetriebe und Tierhaltung. Die Tierhaltung ist das Rückgrat der Landwirtschaft in Bayern Und die steht, vor allem im Bereich der Schweinehaltung, massivst unter Druck durch politische Vorgabe wie den Umbau der Tierhaltung und durch die Marktvorgaben infolge der Afrikanischen Schweinepest. Diese Situation zu drehen und den Schweinehaltern eine Perspektive zu geben, ist eine ganz wichtige Aufgabe.

Das dritte ist, Zukunftsmärkte zu erschließen, die wir heute so noch nicht kennen: z. B. für alles, was mit Decarbonisierung und Klimaschutz zu tun hat, Märkte zu entwickeln. Landwirte sind die einzigen, die eine CO2-Bindungsleistung erbringen können.

Sie haben die dramatische Situation in der Schweinehaltung angesprochen. Was muss der Gesetzgeber tun, damit dieser Betriebszweig in Bayern nicht komplett zusammenbricht? Und was fordern Sie von den Marktpartnern?

Felßner: Das erste ist, dass sich die Bundesregierung dazu bekennt, eine starke Tierhaltung in Deutschland zu haben, und die Politik aufhört, eine Reduzierung der Tierhaltung zu fordern. Wenn der Bundeslandwirtschaftsminister sich für eine Halbierung der Tierhaltung ausspricht, tötet das bei den Landwirten jede Investitions- und Zukunftsbereitschaft ab.

Wenn die Märkte offen bleiben, müssen wir den Borchertplan umsetzen. Denn in diesem Plan steckt der Konsens mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Das dieser Konsens nun von der Politik nicht umgesetzt wird, ist völlig unverständlich.

Das dritte ist, dass wir auf der Erzeugerseite künftig gebündelter und marktfähiger auftreten. Ein positives Beispiel ist die Bayern MeG. Sie ist mittlerweile weit über Bayern hinaus der große Kondensationspunkt in der Milchvermarktung. Ich meine, wir müssen uns auch bei der Vieh- und Fleischvermarktung stärker bündeln, um uns so am Markt besser positionieren zu können.

Wir müssen auf der Erzeugerseite gebündelter auftreten.

Sie haben auf dem deutschen Veredlungstag eine Allianz der Tierhalter mit den Verbrauchern gefordert. Wie könnte die aussehen und welche Schritte müssten die bäuerlichen Organisationen hier konkret ergreifen?

Felßner: Nach den Bauerndemonstrationen vor zwei Jahren hatten wir die Zukunftskommission Landwirtschaft. So etwas kann ich mir auch für die bayerische Landwirtschaft vorstellen. Dass sich bäuerliche Organisationen mit Verbraucher- und Umweltorganisationen an einen Tisch setzen und überlegen: Wie einigen wir uns über die Entwicklung der Landwirtschaft in den nächsten zehn Jahren. Mir geht es darum, diesen Schlagabtausch in den Medien zwischen Schutzorganisationen und landwirtschaftlichen Organisationen einzufangen und gemeinsame Ziele zu formulieren, also raus aus der Anklage- und Opferrolle zu kommen. Erst dann bekommen Landwirte wieder Lust zu investieren und an die Zukunft zu denken.

Die wirtschaftliche Lage der Milcherzeuger sieht aktuell besser aus als bei den Schweinehaltern, weil wir einen Nachfragemarkt haben. Gehen Sie davon aus, dass dies vorerst so bleibt? Und was muss von politischer Seite passieren, dass die bayerische Milchviehhaltung wettbewerbsfähig bleibt?

Felßner: Die Milchviehhalter sind genauso mit den immensen Kostensteigerungen konfrontiert, wie alle anderen Landwirte auch. Wir haben hier nur die glückliche Situation, dass wir auf einen Nachfragemarkt treffen, der zu Erzeugerpreissteigerungen geführt hat. Diese 60 Cent, an die wir uns ranbewegen, brauchen die Betriebe aber auch. Ich hoffe, dass der Markt so bleibt, aber dafür gibt es keine Garantie. Es kann in einem halben Jahr oder Jahr auch wieder anders aussehen.

Was müssen wir tun, um die Milchviehhaltung in Bayern zu fördern? Nach wie vor befindet sich die Hälfte der bayerischen Betriebe in Anbindehaltung. Wir brauchen deshalb die Akzeptanz der Kombinationshaltung und die weitere Vermarktungsfähigkeit der Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung in Stufe 1.

Wir brauchen die Akzeptanz der Kombinationshaltung und die weitere Vermarktungsfähigkeit der Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung.

Zweitens muss das Baurecht so angepasst werden, dass wir die Tierwohlställe auch so bauen können wie gefordert ­ - ob das der Umbau zu einem Kombinationsstall oder der Neubau eines Laufstalles ist. Da scheitern wir bisher oft am Emissionsrecht. Wenn ich sehe, dass jetzt die EU eine Emissionsrichtlinie plant, auch Betriebe mit weniger als 100 Kühen in eine Art BImsch-Genehmigung zu drängen, könnte es künftig noch schwieriger werden, neue Ställe zu bauen.

Zudem brauchen wir neben der Haltungskennzeichnung eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel, weil die bayerischen Betriebe durch ihre kleinen Strukturen höhere Kosten haben.

Wie ist Ihre persönliche Einschätzung: Wird die aktuelle Wirtschaftskrise aufgrund des Krieges gegen die Ukraine dazu führen, dass wir auch in Deutschland die Standardproduktion, sprich Haltungsform 1, sprich Milch aus Anbindehaltung, wieder mehr Beachtung schenken sollten? Oder haben unsere Bauern nur eine Chance mit hohen Tierwohl- und Umweltstandards?

Felßner: Wir erleben aktuell einen kompletten Richtungswechsel des Verbrauchers, was ich enttäuschend finde. Wir waren in den letzten zehn Jahren in Richtung Tierwohl- und Mehrwertprodukte unterwegs, und diese Schiene hat sich am Markt auch entwickelt. Seit Beginn der Krise haben die Verbraucher sofort reagiert und zuerst bei Lebensmitteln auf Billigprodukte umgestellt. Und die Mehrwertprodukte liegen aktuell wie Blei in den Regalen. Das besorgt mich, weil es zeigt, dass den Verbrauchern Tierwohl gar nicht so wichtig ist und sie sehr schnell wieder in die andere Richtung wechseln.

Ich hoffe, dass sich diese Krise in den nächsten zwei Jahren wieder legt, auch wenn wir nicht zu den alten Preisen und Kosten zurückkehren werden. Und dann zieht die Nachfrage nach diesen Mehrwert-Produkten wieder an. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, diese Weiterentwicklung in der Ökologie und beim Tierwohl nicht zu verlassen. Aber im Moment ist es nicht bezahlbar und wir haben keine Planungssicherheit. Deshalb brauchen wir die Umsetzung des Borchertplans und, was den Lebensmitteleinzelhandel angeht, langfristige und belastbare Verträge, auf deren Grundlage man auch investieren kann.

Wenn uns das, also die Umsetzung des Borchertplans und langfristige Verträge mit dem LEH, nicht gelingt, dann befürchte ich, dass die Zukunft des Tierhaltungsstandortes Deutschlands ernsthaft gefährdet ist. Wir werden dann nur noch ein paar Premium-Produkte mit grünem Mäntelchen für die 10 % Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen produzieren und die Grundversorgung wird billig aus dem Ausland kommen. Die deutsche Landwirtschaft möchte die gesamte deutsche Bevölkerung versorgen, und zwar von der Haltungsstufe 1 bis zur Haltungsstufe 4. Es macht keinen Sinn, nur noch Produkte aus der Haltungsstufe 4 in Deutschland zu erzeugen und die übrigen drei Stufen aus dem Ausland zu importieren.

Ein Wort zur bayerischen Agrarpolitik: Während Ministerpräsident Markus Söder und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber nach dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ verstärkt auf grüne Themen gesetzt haben, ist seit dem Krieg gegen die Ukraine die Ernährungssicherheit wieder ein Thema. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass die bayerische Staatsregierung in den nächsten Jahren wieder mehr auf die Landwirte und ihre Interessenvertreter hört?

Felßner: Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich nie. Aber es wird nicht die Frage sein, wie stark wir sind oder wie laut wir schreien, sondern wie gut unsere Ideen sind. Ich gehe davon aus, dass wir als Bauernverband mit der bayerischen Staatsregierung gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten werden, unabhängig davon welche Parteien die Regierung stellen. Wir werden ein konstruktiver Partner sein und einen ganzen Strauß an Ideen einbringen. Ich werde in den nächsten Wochen Gespräche mit Herrn Söder, mit Frau Kaniber und mit Umweltminister Thorsten Glauber führen. Eines der ersten Themen wird die Umsetzung der Düngeverordnung in Bayern sein.

Die Themen der Landwirte sind jetzt die Mega-Themen der ganzen Gesellschaft.

Ich sehe aktuell für uns eine Chance: Die Themen, die für uns Landwirte wichtig waren, aber für die Gesellschaft bisher keine hohe Priorität hatten, wie z. B. die regionale Produktion, die Versorgungssicherheit, generationenübergreifendes Denken, raus aus den fossilen Energien, sind jetzt die Mega-Themen der ganzen Gesellschaft. Die Landwirtschaft vor der Haustür wird wieder mehr geschätzt. Unsere Themen sind jetzt auch die Themen der Gesellschaft. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir die Zukunft mitgestalten, nicht weil wir den besten Draht zu bestimmten Politikern haben, sondern weil unsere Themen und Inhalte so modern sind.

Herr Felßner, herzlichen Dank für das Gespräch!

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