Nach Ansicht der Verbraucherschutzorganisation foodwatch gibt es eine "exzessive Spekulation mit Agrar-Rohstoffen". Die Finanzwetten an den Rohstoffbörsen würden die aktuellen Preisanstiege etwa für Getreide zusätzlich befeuern. Spekulationsexzesse müssten daher endlich verhindert werden, fordert foodwatch. Dafür müsse die EU wirksame Handelsschranken, sogenannte Positionslimits, festlegen. Das sei jedoch bisher am Einfluss der Finanzlobby gescheitert.
„Angesichts drohender Hungerkrisen ist die Zockerei auf Agrar-Rohstoffpreise unerträglich", sagt Matthias Wolfschmidt, Strategiedirektor von foodwatch International. Die Preise steigen seiner Überzeugung nach, weil Unternehmen und Regierungen befürchten, nicht mehr ausreichend Weizen, Sonnenblumenöl oder andere Grundnahrungsmittel kaufen zu können.
"Finanzspekulanten befeuern die stark steigenden Agrar-Rohstoffpreise zusätzlich: Sie wetten auf steigende Preise und hoffen auf rasche Gewinne. Es braucht Transparenz darüber, wer über welche Getreidereserven verfügt – nur so kann der Angst vor Knappheit begegnet werden. Und die EU muss dringend Spekulationslimits festlegen und so die Wetten auf steigende Preise beenden“ fordert Wolfschmidt. Die Finanzindustrie sei schon jetzt ein Gewinner des russischen Angriffskrieges.
Lebensmittel schon 34 % teurer als letztes Jahr
Die Lebensmittelpreise sind in den letzten Wochen weltweit massiv gestiegen. Laut den Vereinten Nationen liegen die Preise um 34 % höher als vor einem Jahr und haben den höchsten Stand seit 1990 erreicht.
Die Preise steigen laut foodwatch aus zwei Gründen: Zum einen fürchten Unternehmen und Händler aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands ein verknapptes Angebot von Weizen, Pflanzenölen und Phosphat-Dünger aus der Schwarzmeer-Region sowie von Erdöl und Erdgas aus Russland. Zum anderen befeuerten Finanzwetten auf steigende Rohstoffpreise die Preise zusätzlich, kritisierte foodwatch.
Die Preissteigerungen an den Rohstoffbörsen in Paris und Chicago seien laut der Verbraucherorganisation nicht zuletzt erheblichen Versäumnissen der EU-Kommission und der US-Regierung geschuldet. EU und USA hätten die ihnen unterstellten Finanzmarkt-Aufsichtsbehörden seit Jahren nicht zur Durchsetzung wirksamer Spekulations-Begrenzungsinstrumente gedrängt und im Jahr 2020 sogar Deregulierungen durchgeführt.
Bauernverband weist Kritik zurück
Der Deutsche Bauernverband weist die Kritik dagegen zurück. „Eine Pauschalkritik an ‚Agrarspekulation‘ ist populistisch, weil es für die Landwirte eine Risikoabsicherung ihrer Ernten ist. Aktuell geht es um eine Absicherung gegen die stark gestiegenen Inputkosten für Düngemittel und Treibstoffe“, sagte der stellvertretende DBV-Generalsekretär, Udo Hemmerling, der Tageszeitung taz.
Für Warenterminmärkte bestünden bereits seit 2018 detaillierte EU-Vorgaben für Positionslimits, um Marktbeeinflussungen größerer Akteure auszuschließen, so Hemmerling. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte solche Limits gefordert. Auf Nachfrage der taz räumte sie ein, es gebe diese Vorgaben – aber sie reichten nicht. „Eine international verlässlichere Erfassung der Getreidevorräte wäre sicherlich hilfreich, aber scheitert in der Realität vor allem an der Geheimniskrämerei und mangelnden Kooperation Chinas“, ergänzte Hemmerling.
Der Münchener Mischkonzern Baywa, der selbst zum Beispiel Getreide-Futures nutzt, argumentierte: „Hohe Handelsvolumen können Preisbewegungen kurzfristig durchaus überzeichnen. Mittel- und langfristig unterliegt die Preisfindung allerdings den grundsätzlichen Regeln von Angebot und Nachfrage in den physischen Märkten.“ Strengere Positionslimits würden auch die treffen, die mit Warentermingeschäften umsichtig umgingen, sagte eine Unternehmenssprecherin der taz.