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topplus Agrarpolitische Linie der Ampel

Mittag: „Der Umbau der Tierhaltung wird nicht hintenangestellt“

In der Agrarpolitik der Ampel-Koalition driften die Grünen und die FDP in unterschiedliche Richtungen. Wo steht die SPD? Ein Interview mit der SPD-Agrarsprecherin im Bundestag, Susanne Mittag.

Lesezeit: 8 Minuten

top agrar: In der Ampelkoalition haben die Grünen das Landwirtschaftsministerium übernommen. Die FDP fällt damit auf, dass sie der Linie der Grünen vor allem Kontra gibt. Wo verorten Sie in dem Spannungsfeld die SPD?

Mittag: Wir haben eine Koalition gebildet und sind uns in vielen Punkten einig. Aber natürlich sind wir auch in bestimmten Bereichen unterschiedlicher Meinung. Das war mit unserem vorherigen Koalitionspartner der CDU/CSU in der Agrarpolitik nicht anders. Allerdings ging da zum Schluss nichts mehr voran. Die SPD ist ein vernünftiger Partner. Ich bin weiterhin optimistisch, dass wir jetzt mit der Ampel Kompromisse hin bekommen.

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Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine trifft die Agrarmärkte und hat eine scharfe agrarpolitische Debatte ausgelöst. Für welche agrarpolitischen Konsequenzen stehen Sie?

Mittag: Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat ein erstes Entlastungspaket geschnürt. Zudem gibt es 60 Mio. € Krisenreserve von der EU, die wir in den Haushaltsberatungen national um 120 Mio. € ergänzen wollen. Die große Frage ist, wie können die Erzeuger aus der Landwirtschaft die gestiegenen Energie, Futter- und Düngerpreise weitergeben. Da hat die Landwirtschaft identische Probleme wie die gesamte Wirtschaft. Unstrittig ist, dass die Landwirtschaft essenziell wichtig ist, weil sie die Lebensmittelversorgung garantiert, die bei uns gesichert ist. Aber es wird teurer.

Das Geld aus der Krisenreserve muss an Nachhaltigkeit gebunden sein.

Wie wollen Sie das Geld aus der Krisenreserve in der Landwirtschaft verteilen?

Mittag: Die EU hat dafür Vorgaben gemacht. Eine ist, dass das Geld bis zum 1. September bei den Landwirten ankommen muss. Das Landwirtschaftsministerium ist noch dabei zu erarbeiten, wie man das machen kann. Vielleicht geht es über die Greening-Flächenstruktur, damit es wirklich bei allen Landwirten ankommt.

Bauernverband und AbL fordern, damit die Kürzungen bei der Landwirtschaftlichen Unfallsversicherung wieder abzufangen. Werden Sie das umsetzen?

Mittag: Das geht nicht, das lassen die Vorgaben der EU nicht zu. Eine davon ist zum Beispiel, dass das Geld an Nachhaltigkeit gebunden sein muss. Das macht eine Pauschalierung der Zahlungen schwierig. Wir warten jetzt ab, wie sich das BMEL das vorstellt.

Wie geschlossen steht die SPD hinter dem Nein von Agrarminister Cem Özdemir zu einem Anbau auf ökologischen Vorrangflächen? Die SPD-geführten Agrarministerien in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland wollten dort einen Anbau 2022 zulassen.

Mittag: Wir hatten als Bundestagsfraktion keinen Einfluss darauf. Darüber haben die Länder entschieden und nicht der Bundestag. Ich halte die Freigabe der ökologischen Vorrangflächen zur Futternutzung für richtig, das haben wir auch schon bei der Dürre in den vergangenen Jahren gemacht. Bei den Brachflächen werden von den Landwirten nicht die allerbesten Flächen zur Verfügung gestellt. Weizen braucht aber einen guten Untergrund und den kann man nicht überall anpflanzen. Deshalb ist eine Milchmädchenrechnung, die ökologischen Vorrangflächen als Ganzes gegen mögliche Tonnen Weizen aufzurechnen.

Erwarten Sie Abstriche von den 4 % Stilllegungsflächen ab 2023?

Mittag: Zunächst sind ja allenfalls zwei Prozent davon nutzbar. Die Landwirte nehmen dafür allenfalls die schlechteren Standorte. Also wie soll dort etwas hochwertiges angebaut werden? Realistisch ist das nicht. Ich finde es schwierig, die Nahrungsmittelnot in anderen Regionen für die Aufgabe von Stilllegungsflächen in Deutschland zu instrumentalisieren. Wichtig ist, dass wir jetzt kurzfristig das Welternährungsprogramm unterstützen. Es ist eine Frage der Verteilung und der Bezahlung. Wir müssen den Regionen Hilfe zur Selbsthilfe geben. Das macht auch die Klimakrise notwendig.

Die Tendenz ist: Auf gleicher Fläche weniger Tiere.

Ihre Parteifreundin Entwicklungsministerin Svenja Schulze forderte einen Abbau der Tierbestände und eine Umorientierung zum Brotgetreideanbau. Wie erklären Sie das den Veredlern in Ihrem landwirtschaftlich geprägten Wahlkreis?

Mittag: Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat letztes Jahr dazu ein gutes Ergebnis hingelegt, was wir umsetzen wollen. Wir werden die Eckpunkte aus der Borchert-Kommission in Gesetzesform gießen, um in den Umbau der Landwirtschaft in der Tierhaltung einzusteigen ab nächstem Jahr. Die Tendenz ist: Auf gleicher Fläche weniger Tiere. Mit Offenställen oder Auslauf können wir die Probleme, die sich in den Ställen über all die Jahre ergeben haben, angehen. Der Schlüssel ist die Haltung und der höhere Platzbedarf. Landwirte haben kein Problem mit der Verringerung von Tierbeständen, wenn sie davon leben können. Dafür muss das Fleisch besser bezahlt werden. Wir werden mit den Tierwohlprogrammen zwangsläufig zu geringeren Tierbeständen kommen. Aber das ist ein Ziel, das erst in Jahren zu erreichen sein wird. Erstmal müssen wir eine rechtssichere und langfristige Perspektive für die Landwirte, die umbauen, schaffen, damit das auch funktioniert.

Die Grünen wenden sich aktuell wieder von den Borchert-Vorschlägen ab und präferieren eine Haltungskennzeichnung entsprechend der Eierkennzeichnung. Ist das schon in der Koalition abgestimmt?

Mittag: Wir stehen weiterhin fest zu den Borchert-Ergebnissen. Es ist nur die Frage, wie wir sie umsetzen. Es muss ein Gesamtpaket sein. Und es muss sich auch weiterhin über alle drei Tierarten, Schwein, Rind und Geflügel erstrecken. Auch Transport und Schlachtung müssen einbezogen werden. Wir sind mitten in der Debatte mit dem Ministerium und den Koalitionspartnern.

Die Pläne des Ministeriums wirken aber ziemlich abgespeckt. Erstmal nur für Schweine und dann auch nur für die Mast. Transport und Schlachtung fallen auch raus. Das wäre gerade nicht das Gesamtpaket. Ist mehr in der derzeitigen Situation nicht drin?

Mittag: Das was wir bei Frau Klöckner zuletzt hatten, war auch nicht vollständiger. Entscheidend ist das Gesamtpaket, dass am Ende der Verhandlung steht, nicht jetzt die einzelnen Punkte, die öffentlich erörtert werden.

Die Finanzierung des Mehraufwands ist noch offen.

Nach wie vor ungeklärt ist die Finanzierung. Die 1 Mrd. € über 4 Jahre, die nun im Haushalt stehen, reichen vorne und hinten nicht. Die FDP will keine Mehrwertsteuererhöhung, die Grünen keine privatwirtschaftliche Umlage. Kommt jetzt die mengenbezogene Tierwohlabgabe?

Mittag: In der Machbarkeitsstudie waren nur zwei verschiedene Varianten drin. Deshalb ist die Frage, wie war eigentlich der Auftrag für dieses Gutachten? Gibt es noch andere Möglichkeiten? Darüber debattieren wir. Das ist noch offen. Im Haushalt haben wir schon einmal die Milliarde für die Investitionskosten festgesetzt. Jetzt müssen wir noch schauen, wie wir den Mehraufwand finanziert bekommen. Wir prüfen gerade alles zeitgleich, weil das Gesamtpaket möglichst dieses Jahr noch fertig sein soll.

Mit dem Ukraine-Krieg haben sich Prioritäten in Richtung Sicherheit verschoben. Ist der Zeitpunkt, wo Geld in den Umbau der Tierhaltung gesteckt werden kann, verpasst?

Mittag: Der Etat der Ampel Koalition steht und darin sind auch eine Milliarde Euro für den Umbau der Tierhaltung drin. Der Umbau der Tierhaltung läuft weiter, der wird nicht hintenangestellt. Wir können nicht weiter warten, weder beim Umbau der Tierhaltung noch beim Klimaschutz. Das System ist krisenanfällig, das sehen wir doch. Der Umbau der Tierhaltung ist ein langfristiges Programm.

Tierwohlfleisch muss mehr kosten. Wird es bei ohnehin steigenden Preisen bei Energie und Lebensmitteln und wegen der Inflation jetzt noch eine Bereitschaft bei den Konsumenten geben mehr Geld für Fleisch zu zahlen?

Mittag: Wir sehen gerade, wenn Lebensmittel in den Regalen fehlen, wie wichtig sie für uns sind. Ich denke schon, dass die Wertschätzung von Lebensmitteln zugenommen hat. Sonst gäbe es nicht so viele Labels. Es wird mehr wahr genommen, wie wir mit Lebensmitteln und mit Lebensmittelverschwendung umgehen. Es ist gerade schwierig zu überblicken, weil der Preisanstieg bei den Energie- und Lebensmittelpreisen lang dauern könnte.

Wie stellen Sie sich die Kriterien für die Haltungskennzeichnung vor?

Mittag: Wir setzen da weiter auf die Borchert-Kommission, die ist vom BMEL damit beauftragt worden. Die Punkte hinsichtlich der Praktikabilität, gibt die Borchert-Kommission vor. Die Politik setzt um.

Am Ende ist die Umstellung auf Ökolandbau immer eine Entscheidung des Landwirts.

Steht die SPD weiter zum 30-%-Ziel für den Ökolandbau 2030?

Mittag: Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Wir sind dort noch lange nicht angelangt. Das 30-%-Ziel ist ein Zeichen, dass der Ökolandbau gewollt ist, aber das heißt nicht, dass der ausschließliche Fokus darauf liegt. Am Ende ist die Umstellung auf Ökolandbau immer eine Entscheidung des Landwirts und das ist auch gut so.

Das Bundeskabinett hat im Osterpaket Reformen für die Erneuerbare-Energien-Gesetze beschlossen. Darin enthalten ist auch die bessere Förderung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Das Thema ist in der Landwirtschaft umstritten, weil es die Bodenpreise erhöht. Wie wollen Sie das überein bekommen?

Mittag: PV-Anlagen auf Freiflächen gibt es schon die ganze Zeit. Agri-PV ist interessant für Sonderkulturen oder Tierhaltung. Jeder Landwirt soll für sich überlegen können, was er davon umsetzen kann auf seinen Flächen, was für ihn und seine Standorte passt. Die Erneuerbaren geben mehr Möglichkeiten für Landwirte und verschaffen ihnen mehr Standbeine.

Wir sollten Agri-PV auch auf Grünland ermöglichen.

Bei der Agri-PV, die eine landwirtschaftliche Nutzung mit der PV kombiniert, sind bisher nur Ackerflächen zugelassen. Wie weit sind Sie damit, dass dies auch auf Grünland möglich wird?

Mittag: Das ist noch nicht alles ausverhandelt. Ich hoffe, da lässt sich noch was machen. Ich finde es schwierig, bestimmte Standorte auszuschließen. Man sollte Einschränkungen machen, weil Agri-PV selbst auf Ackerland nicht überall sinnvoll ist. Aber wir sollten gucken, dass wir es auch auf Grünland ermöglichen. Landwirte haben auch auf Grünland einen berechtigten Anspruch, diese Technik zu nutzen.

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