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topplus Borchert-Kommission

Umbau Tierhaltung: „Die FDP-Vorschläge sind Wahlkampfgetöse“

Bislang blockiert die FDP die Finanzierungsfrage beim Umbau der Nutztierhaltung. Jochen Borchert, Vorsitzender des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, fordert endlich klare Zusagen der Bundespartei.

Lesezeit: 4 Minuten

Der Umbau der Nutztierhaltung scheitert bislang an der Finanzierungsfrage. Während die niedersächsische FDP das Fonds-Modell vorschlägt, schweigt die Bundespartei weiterhin beharrlich. Top agrar sprach dazu mit dem Vorsitzenden des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung, Jochen Borchert:

Herr Borchert, die Pläne zum Umbau der Nutztierhaltung stocken, es scheint mächtig Sand im Getriebe zu sein. Auch vom BMEL hört man dazu seit Monaten nichts mehr. Sitzt Agrarminister Cem Özdemir das Thema aus?

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Borchert: Nein, im BMEL arbeitet man mit Hochdruck an Lösungen und der Minister ist weiterhin offen für die Vorschläge der Borchert-Kommission. Wir sprechen aktuell intensiv darüber, wie die drei Haltungsstufen ausgestaltet werden sollen und bis wann wie viel Prozent der deutschen Schweinehaltung in die jeweiligen Stufen überführt sein sollen. Wo es momentan hakt, ist die Frage der Finanzierung. Hier findet die Ampelkoalition weiterhin keinen gemeinsamen Nenner.

Wer bremst?

Borchert: Das Problem ist die Bundes-FDP. Während SPD und Bündnis90/DieGrünen sowohl unseren Mehrwertsteuer-basierten Finanzierungsvorschlägen als auch einer nutzer- bzw. mengenbezogenen, staatlichen Tierwohlabgabe folgen können, blockiert die FDP weiterhin die Frage der Finanzierung von Tierwohlmaßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben. Insbesondere das Modell der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte lehnen die Liberalen kategorisch ab. Aus meiner Sicht liegt das vor allem daran, dass die FDP im letzten Bundestagswahlkampf damit geworben hat, keine Steuererhöhungen zu dulden.

Völlig überraschend hat die FDP in Niedersachsen jetzt eine Tierwohlabgabe von bis zu 40 Cent je Kilogramm verkauftem Fleisch vorgeschlagen. Wie ist dieser Vorstoß einzuordnen?

Borchert: Das ist ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver der niedersächsischen Landes-FDP. Denn in Niedersachsen finden am 9. Oktober Landtagswahlen statt. Angeblich soll das Papier mit der Bundespartei abgestimmt sein, die äußert sich bis dato aber überhaupt nicht dazu. Auch das spricht eher dafür, dass es sich um reines Wahlkampfgetöse aus Niedersachsen handelt.

Was sagt das BMEL zu den Vorschlägen der FDP?

Borchert: Ich nehme wahr, dass das BMEL zwar dankbar dafür ist, dass endlich wieder Bewegung in die Diskussion kommt. Mein Eindruck ist aber auch, dass das Ministerium dem Fondsmodell eher kritisch gegenüber steht.

Juristen halten nichts vom privaten Fondsmodell“

Wie sehen Sie das?

Borchert: Die Juristen sagen klipp und klar, dass eine staatlich verordnete Sonderabgabe für einen Tierwohlfonds verfassungswidrig wäre. Auch ein privater Fonds, in den alle Verkäufer von tierischen Lebensmitteln - Supermärkte, Kantinen, Metzger, Hofläden usw. - einzahlen müssten, ist nicht die Lösung. Denn eintreiben müsste der Fonds die Abgaben selbst. Dafür müsste eine eigene Verwaltung aufgebaut werden, die alle über 300.000 abgabepflichtigen Unternehmen erfasst, deren Fleischumsatz regelmäßig kontrolliert und schließlich die Ansprüche durchsetzt.

Dazu käme der Verwaltungsapparat, um die Förderung an die Tierhalter weiterzuleiten. Die Verwaltungs- und Handlingskosten gingen in die Millionen. Das Geld würde den Landwirten dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Ein Gutachten einer Rechtsanwaltskanzlei hat das im letzten Jahr schon alles eingehend untersucht und kommt zu einem vernichtenden Urteil.

Gibt es beim Fondsmodell einen weiteren Haken?

Borchert: Ja. Bei jedem privatwirtschaftlich organisierten Fondsmodell besteht die Gefahr, dass den Tierhaltern keine langfristig sicheren Verträge im Hinblick auf die Tierwohlförderung zugesichert werden können. Bei so viel Unsicherheit werden Bauern kaum investieren und riskieren, auf den laufende Mehrkosten sitzen zu bleiben.

Nur wer einen Vertrag mit dem Staat hat, ist auf der sicheren Seite.“

Gibt es diese Unsicherheit bei einer staatlichen Förderung nicht?

Borchert: Wenn der Staat mit den einzelnen Bauern langfristige Verträge zur Förderung der tierwohlbedingten Mehrkosten abschließt, ist er für die ganze Dauer zur Zahlung verpflichtet. Auch wenn der Staat das Förderprogramm irgendwann für neue Verträge einstellt, gelten die bestehenden Verträge bis zum Ende der jeweiligen Laufzeit. Nur wer einen Vertrag mit dem Staat hat, ist auf der sicheren Seite!

Wir drehen uns beim Thema Umbau Nutztierhaltung nun seit über zwei Jahren im Kreis. Was fordern Sie von der Politik?

Borchert: Ich fordere von der Ampel-Koalition endlich ein unterschriftsreifes Konzept für den Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland sowie eine langfristige und verlässliche Finanzierung über den Staat. Denn ohne langfristig abgesicherte Förderung wird es keinen Umbau der Tierhaltung geben. Dann werden Gerichte wie beim Kastenstandurteil entscheiden, wie wir künftig Tiere zu halten haben. In der Folge werden noch mehr Betriebe aus der Tierhaltung aussteigen und die Produktion wandert in Länder mit weit niedrigeren Tierschutzstandards ab.

Am Ende hat es die FDP in der Hand: Will sie die landwirtschaftlichen Unternehmer im Land halten, muss sie sich bei der Finanzierungsfrage endlich bewegen. Mehr Tierwohl geht nur, wenn der Staat seine Finger im Spiel behält und den Umbau langfristig absichert. Die Wirtschaft allein kann das nicht regeln.

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