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Landwirt im Interview

ZukunftsBauer Zellmann: "Unser Ziel ist ein Netzwerk"

Mit dem ZukunftsBauern wollen der DBV und die Landesverbände Wege zu einem besseren Miteinander von Landwirtschaft und Gesellschaft aufzeigen. Landwirt Zellmann erklärt im Gespräch mit top agrar, wie das geht.

Lesezeit: 11 Minuten

Dr. Thorsten Zellmann ist gelernter Landwirt, hat ein Umweltschutz-Diplom und wurde in Agrarwirtschaft promoviert. Er war viele Jahre für die Robert-Bosch GmbH in der Automobil- und Maschinenbauindustrie tätig, zuletzt als Leitender Angestellter. Im Jahr 2016 kehrte er auf den heimischen Bauernhof nach Endlichhofen (Rheinland-Pfalz) zurück, wo er heute auf 40 ha mit 40 Kühen und Nachzucht Milch erzeugt und über eine eigene Hofmolkerei vermarktet.

Daneben hat Dr. Zellmann in den vergangenen Jahren seine Erfahrungen und Expertise aus der Industrie in die Arbeitsgruppe #ZukunftsBauer eingebracht. Sie soll im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und dessen Landesbauernverbänden die Zukunft der deutschen Landwirtschaft „mit Beinfreiheit neu denken“. Wir haben mit Dr. Zellmann über die Empfehlungen der Arbeitsgruppe und seine eigenen Ideen für ein zukunftsfähiges Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft gesprochen.

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Herr Dr. Zellmann, im vergangenen Jahr hat der Bauerntag in Lübeck sich mit den Ergebnissen Ihrer Arbeitsgruppe zum ZukunftsBauern auseinandergesetzt. Noch weiß aber nicht jeder etwas damit anzufangen. In zwei, drei kurzen Sätzen: Was ist der ZukunftsBauer?

Zellmann: Für mich ist der Zukunftsbauer zunächst die persönliche Erkenntnis jedes Landwirts, dass es einen gesellschaftlichen Wandel gibt und dass der nicht nur Risiko, sondern auch Chance für die Landwirtschaft bedeutet. Der ZukunftsBauer soll darüber hinaus eine Methode sein, wie man diesen Wandel in der Landwirtschaft aktiv begleiten kann und daraus sogar einen Nutzen zieht.

Einen individuellen Nutzen oder einen für die Landwirtschaft insgesamt?

Zellmann: Sowohl als auch. Es soll ein Selbstbild, ein Bild von der Gemeinschaft der Bäuerinnen und Bauern entwickelt werden. In der ersten Arbeitsgruppe des Deutschen Bauernverbands haben wir aber auch das Ziel geprägt, Wertschätzung und Wertschöpfung auf den Betrieben zu erreichen.

Wer ist in der Arbeitsgruppe ZukunftsBauer vertreten? Nur Landwirte oder haben Sie noch andere Experten mit an Bord genommen?

Zellmann: Die Arbeitsgruppe rekrutiert sich aus den Landesverbänden des Bauernverbandes. Jeder Landesverband hat jemanden entsandt. Der DBV hat koordiniert. Natürlich haben wir aber auch externe Experten zu Rate gezogen.

Sie sind selbst Landwirt und haben an der Konzeption des ZukunftsBauern mitgearbeitet. Was war Ihre persönliche Motivation?

Zellmann: Ich habe Landwirt gelernt und bin jetzt wieder auf dem elterlichen Hof. Fast 20 Jahre war ich außerhalb der Branche in der Industrie tätig. Das prägt.

In der Industrie haben wir viel von dem praktiziert, was nun mit dem ZukunftsBauern angestoßen werden soll.

Da haben wir schon viel von dem praktiziert, was nun mit dem ZukunftsBauern angestoßen werden soll: Dass ich den gesellschaftlichen Wandel und den Kunden im Fokus habe, dies mit meinem Selbstbild abgleiche und mein Tun danach ausrichte. Letztlich das, was wir in der Industrie unter Kundenorientierung verstanden haben. Für mich war eine Antriebsfeder, diesen Ansatz beim ZukunftsBauern einzubringen.

Die deutsche Chemieindustrie hatte in den 60er und 70er Jahren einen wahnsinnig schlechten Ruf. Später hat der Sektor die Trendwende geschafft und ist irgendwann zu einer Branche mit gutem Leumund geworden. Kann die Landwirtschaft daraus lernen?

Zellmann: Wir hatten früher in der Industrie einen Slogan: „Der Kunde liegt nicht immer richtig, aber er hat immer Recht.“ Das bedeutet, dass ich mir die Argumente des Kunden anhören muss, selbst wenn sie mir nicht gefallen.

Man muss versuchen, dem Konsumenten so weit wie möglich entgegenzukommen.

Man muss versuchen, dem Konsumenten so weit wie möglich entgegenzukommen. Denn der muss am Ende unsere Produkte kaufen. Wenn ich ihm nicht signalisiere, dass er mir wichtig ist, warum sollte er dann Produkte von deutschen Bäuerinnen und Bauern kaufen und nicht „irgendetwas von irgendwem“?

Das Konzept Zukunftsbauer basiert in Teilen auf einer Studie des Rheingoldsalons. Eine Grundaussage daraus: Landwirtschaft und Gesellschaft leben in Parallelwelten. Man könnte auch sagen, der Bauer ist immer der Böse. Lässt sich das überhaupt noch heilen?

Zellmann: Ja, davon bin ich überzeugt. Wir haben das große Glück, dass jeder Mensch auf der Straße ein potentieller Kunde für uns ist. Ein Problem ist aber, dass wir als Bauernstand oftmals von der Marktwirtschaft mit einem direkten Kundenkontakt ausgeschlossen sind. Ich liefere z.B. immer noch Milch an eine Großmolkerei und muss mich einen Monat später überraschen lassen, was ich dafür bekomme.

Aber auch die chemische Industrie liefert nicht unmittelbar an den Endkunden. Sie hat es dennoch geschafft,mit Kundenorientierung und Kommunikation zu zeigen, was die eigenen Produkte und der Berufsstand wert sind. Da müssen wir hin.

Was kann der Zukunftsbauer dem Bürger anbieten, damit die Bauern und ihre Arbeit wieder in ein positives Licht gerückt werden?

Zellmann: Wir müssen beim Zukunftsbauern raus aus dem Reden, rein ins Tun kommen. Die Methode ist einfach, jeder Landwirt, jede Landwirtin kann das in ganz konkreten Projekten umsetzen. Bei Stallbauvorhaben, bei geplanten Solar- oder Windparks oder anderen Projekten. Man muss sich selbst fragen, wie man mit seinem potenziellen Kunden redet. Ob die Erwartungen, die sie haben, mit meinem Selbstbild vereinbar sind oder ob ich mein Selbstbild daran anpassen kann. Dann kann ich in die Kommunikation gehen. Andere Branchen haben dazu schon lange Instrumente entwickelt.

Welche sind das?

Zellmann: Damit meine ich vor allem Methoden aus dem Customer Relation Management, also der Umgang mit den Kunden, oder des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Für mich ist der Zukunftsbauer keine Einmalaktion, sondern auf Dauer angelegt. Die Gesellschaft wird sich weiter verändern und neue Anforderungen stellen. Daran müssen sich auch die Landwirte kontinuierlich anpassen.

Zweitens gibt es in der Industrie Ansätze, wie man eine gute Idee publik machen oder aus Fehlern (positiv formuliert „Lessons Learned“) in einer Organisation lernen kann . Wenn wir die Gemeinschaft der ZukunftsBauern als „Organisation“ oder besser als Netzwerk sehen, bieten sich immense Potenziale: Wenn es z.B. in Schleswig-Holstein eine gute Idee gibt, dann sollten der Kollege oder die Kollegin in Bayern davon Kenntnis erlangen können und entweder den Nutzen übernehmen oder denselben Fehler nicht wiederholen.

Wie sehen die Mitglieder an der Basis das Projekt Zukunftsbauer?

Zellmann: Wir veranstalten z.B. im Landesverband Rheinland-Nassau Workshops zum ZukunftsBauern. Die stoßen auf reges Interesse. Auch, weil erkannt wird, dass es so nicht weitergehen kann. Da bietet diese Methode einen neuen Ansatz.

Es gibt aber auch die andere Meinung: Dass jetzt mit dem ZukunftsBauern wieder eine „neue Sau“ durchs Dorf getrieben wird. Ich denke aber, wenn es uns gelingt, den konkreten Nutzen der Kampagne für den einzelnen Betrieb aufzuzeigen, dann wird es auch richtige Dynamik entfalten und die Skeptiker überzeugen.

Wie kann ich mir das vorstellen? Dass der Landwirt mit dem besseren Image Projekte wie einen neuen Stall oder einen Solarpark besser durchsetzen kann als jetzt? Oder wie rechnet sich das in den Augen des Einzelnen?

Zellmann: Für mich beginnt es bei den Kleinigkeiten.

Für mich beginnt es bei den Kleinigkeiten.

Gerade bei mir in der Region gibt es in den Kommunen den Wunsch, Wegeränder nicht mehr zu mulchen, sondern zu mähen. Diese Dienstleistung können Interessierte (Kommunen, Naturschutzverbände o.ä.) bei mir kaufen. Ich muss dafür aber investieren, was einen entsprechend kalkulierten Preis bedeutet. Wenn so Interessent (Kunde) und Dienstleister (ZukunftsBauer) zusammenkommen, bringt dasWertschätzung, denn ich erfülle einen Wunsch der Öffentlichkeit. Und gleichzeitig Wertschöpfung, weil ich dafür angemessen bezahlt werde.

Oder bei großen Projekten wie einem neuen Stall. Wenn ich im Sinne unseres Ansatzes mit Andersdenkenden vorab rede, sie überzeuge und dabei auch Kompromisse eingehen kann, dann sieht der Stall nachher vielleicht etwas anders aus. Aber er wird „gemeinsam“ mit der Öffentlichkeit - dem Kunden – gebaut. Das bedeutet Wertschöpfung und Wertschätzung zugleich.

Das ist die Kommunikation auf der lokalen, individuellen Ebene. Wie sieht es mit der gesamtgesellschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit aus? Es gab ja in Deutschland mit der CMA schon einmal eine solche Organisation. Könnte man da wieder anknüpfen?

Zellmann: Wir haben in der Arbeitsgruppe diskutiert, ob wir wieder eine CMA brauchen. Bei allem Für und Wider, und die CMA hatte wirklich gute Impulse in Sachen Öffentlichkeitsarbeit, waren und sind wir aber keine solche Organisation. Wir sind ein Netzwerk aus ZukunftsBauern, wo Interessierte aus Landwirtschaft, aber auch darüber hinaus, sich zusammentun können, um gegenseitigen Nutzen zu stiften. Eine CMA oder ähnliche Institutionen können hilfreich sein, aber unser eigentliches Ziel ist ein Netzwerk und keine Institution.

Gibt es erfolgreiche Vorbilder im Ausland, die für den Zukunftsbauern Pate standen?

Zellmann: Ich bin in der Schweiz sehr aktiv und ich finde den dortigen Ansatz sehr zielführend. Die Schweiz geht in der gesellschaftlichen Debatte von der Frage aus, wie sich die Gesellschaft zukünftig ernähren will oder soll. Unter der Prämisse kann man dann überlegen, welche Produkte dafür gebraucht und wie diese erzeugt werden.

In Deutschland startet die Diskussion in der Erzeugung und ist oft schwarz/weiß gespalten. Hier Konventionell, da Öko, andere vegan, die nächsten vegetarisch und die Dritten flexitarisch. Dadurch verhakt sich die Debatte schnell. Vielleicht wollen und brauchen wir aber alles. Deshalb empfehle ich den Schweizer Ansatz, sich erst über die zukünftige Ernährung zu einigen und dann über den (gemeinsamen) Weg dorthin.

In der Konzeption zum Zukunftsbauern ist auch die Rede von einem neuen Selbstverständnis der Landwirte. Das haben wir eben auch schon angeschnitten. Was ist gemeint und wie wollen Sie das erreichen?

Zellmann: Für mich gehört dazu die Akzeptanz, dass ein gesellschaftlicher Wandel existiert und nicht grundsätzlich schlecht ist. Wenn ich dem gegenüber positiv eingestellt bin, dann kann ich mich auch weiterentwickeln und mein Selbstbild als Landwirt immer weiter schärfen.

Ich bin Milchbauer geworden, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Milch und Molkereiprodukte gut für die Ernährung des Menschen sind.

Ich bin Milchbauer geworden, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Milch und Molkereiprodukte gut für die Ernährung des Menschen sind.

Dennoch habe ich Anfang nächsten Jahres einen Kurs über die Herstellung von Pflanzendrinks belegt. Einfach, weil ich das verstehen will. Ich glaubeeine Offenheit für Andersdenkende müssen wir in noch viele Köpfe reinkriegen - im Berufsstand und darüber hinaus..

Neue Kommunikationsformen sind eines der Ziele der Kampagne. Was darf ich mir darunter vorstellen?

Zellmann: Wir müssen die ganze Klaviatur benutzen. Wenn ich beispielsweise junge Menschen ansprechen will, dann geht das nicht über die Tagesschau, sondern vielleicht besser über Instagram. Wir müssen vor allem auch mit den Kritikern der Landwirtschaft reden, mit Fridays for Future, mit dem BUND, Nabu und anderen – und zwar ergebnisoffen. Dann können wir sehen, wo wir Schnittmengen finden.

Dabei gilt für mich: Je kritischer, je besser. Die ohne eigene Meinung erreiche ich nicht. Aber jeder mit einer anderen Meinung ist wieder eine Chance, mein Selbstbild zu überprüfen und vielleicht sogar zu ergänzen. Immer vorausgesetzt, dass die andere Seite ein redliches Interesse an einer Diskussion, einem Konsens oder vielleicht sogar an einem Kompromiss hat.

Wenn man über Öffentlichkeitsarbeit mit großer Breitenwirkung geht, braucht es viel Geld. Wie soll das gelöst werden? Gibt es vielleicht einen neuen Absatzfond?

Zellmann: Ja, es braucht Geld.

Ja, es braucht Geld.

Es sollte meiner Meinung nach auf dieser Ebene aber nicht nur die Initiative des einzelnen Bauern oder des Bauernverbandes sein, sondern die des gesamten Ernährungsbereiches mit seinen vor- und nachgelagerten Bereichen. Hier besteht doch ein gemeinsames Interesse - und da gibt es auch genug Geld.

Wie wollen Sie die Politik mit ins Boot holen?

Zellmann: Ohne die Politik wird es nicht gehen. Spätestens, wenn das Ordnungsrecht ins Spiel kommt und mir der Staat vorschreibt, was ich zu tun habe, ist die Freiwilligkeit des ZukunftsBauern obsolet. Aber wenn ich mit der Politik Vereinbarungen treffen kann, die auf Nutzen für die Gesellschaft und des ZukunftsBauern ausgerichtet sind. Und wenn ich für meine Leistung zum Wohle der Gesellschaft entsprechend bezahlt werde, ist das auch ein guter Ansatz für künftige Ökoregeln. Für gesellschaftliche Leistungen wird mich kein Privatkonsument bezahlen, der Staat im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben kannn das aber schon. Da sollten wir Bauern ansetzen und mit Leistungen zur Daseinsvorsorge gesellschaftlichen Nutzen erbringen und Geld verdienen. Auf Augenhöhe mit unseren Kunden und mit geradem Rücken.

Vielen Dank für das Gespräch!

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