Keine Frage: Die Getreidepreise in Deutschland sind auf Tiefststände abgesackt, eine Trendwende ist derzeit nicht abzusehen. Sowohl auf dem Weltmarkt bei den Exporten in Drittländer als auch auf dem heimischen Markt seien Partien aus Russland und der Ukraine oftmals günstiger verfügbar, heißt es von Marktbeobachtern, während auf vielen Höfen in Deutschland noch unverkauftes Getreide der Ernte 2023 lagere.
Viele Landwirte sind inzwischen frustriert und kritisieren, dass es bei den ukrainischen Importen oftmals nicht mit rechten Dingen zugehe: Die EU würde Transportkostenzuschüsse für die Lieferung in die EU zahlen, den Weitertransport in Drittländer aber vergessen. Windige polnische Händler würden ukrainische Lieferanten mit weniger als 100 €/t Weizen abspeisen und Zertifikate und Unbedenklichkeitsbescheinigungen seien das Papier nicht Wert.
Doch wie ist die Lage in der Ukraine auf den dortigen Betrieben? Wir haben bei Dietrich Treis nachgefragt. Dietrich Treis stammt aus Deutschland und lebt mit seiner Familie in der Ukraine. Seit 2017 führt er einen Ackerbaubetrieb nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew mit 4.500 ha und 80 Mitarbeitern. Er floh im Morgengrauen des 24. Februar 2022 aus Kiew in Richtung Deutschland, kehrte aber wenige Wochen später zurück.
Transport nach Deutschland würde 100 $/t kosten
Er räumt mit den Gerüchten auf: Die Preise für Mais und Futterweizen liegen laut Treis im Hafen von Odessa derzeit bei ca. 145-150 US-Dollar/t. Von seinem Beitrieb bei Kiew sind es ca. 600km bis Odessa und die Transportkosten liegen bei gut 30 US-Dollar/t, d.h. ab Hof liegt der Preis bei rund 120$/t. Ein Transport nach Deutschland würde ihn über 100$/t kosten, sei also nicht interessant. Aus der Westukraine werde der Transport zum Hafen etwas teurer sein, da kann sich die Vermarktung über Polen rechnen.
Laut Treis sei natürlich jedem selber überlassen, sich für unter 100 €/t abspeisen zu lassen, wenn man aber eine ordentliche Qualität hat, müsse das nicht sein und er könne sich auch nicht vorstellen, dass jemand für den Preis verkaufe. Treis verweist auf die Preis-Infoseite des ukrainischen Getreidegroßhändlers Nibulon, die die aktuellen Ab Hof-Preise in der Landeswährung ausweist. Die dort aufgerufenen Kurse hält er allerdings für zu niedrig.
PSM nicht günstiger als in der EU
Zu den Pflanzenschutzmitteln gebe es eine Zulassung, die nicht wesentlich günstiger als in der EU sei und nur für einen kleinen Markt gelte. Sein Betrieb kaufe zum größte Teil original Produkte, er könne sich nicht vorstellen, dass Bayer oder andere tricksen. Bei Generika gibt es viele Anbieter.
Keine Transportkosten erstattet bekommen
Treis Betrieb habe Raps in die EU geliefert, aber keine Transportkosten erstattet bekommen, das gebe es seines Wissens nach auch nicht. Ukrainische Landwirte bekämen auch keine anderen Subventionen. „Letztendlich handeln wir alle auf dem Weltmarkt, und da ist der australische Landwirt genauso ein Konkurrent wie der Deutsche. Aktuell sind es eher die Russen die den Getreidemarkt überschwemmen“ lautet seine Einschätzung.
Er habe in den vergangenen Monaten seine Ernte, bis auf 1.800 t Raps, über die Schwarzmeerhäfen oder die Donau vermarktet. Auf Seiten wie vesselfinder.com könne man einfach nachprüfen, wie viele Schiffe inzwischen, auch ohne Getreideabkommen, die Ukraine anlaufen.
Ukraine nicht die Ursache
Dass die Polen die Grenzen blockieren, hat nach Treis Einschätzung bisher keine große Auswirkung auf die Preise. In der Westukraine, mit kürzeren Wegen zu Grenze, könne das anders aussehen.
Generell seien die Weltmarktpreise im Vergleich zum Sommer 2022 stark gefallen, das habe aber wenig mit der Ukraine zu tun. Im Gegenteil: „Wenn es keinen Krieg gäbe, wären die Preise vielleicht noch niedriger“, glaubt Treis. Wahrscheinlich mit Unterstützung russischer Desinformation werde aber auf den Schwächsten eingeschlagen, einer müsse ja schuld sein.
Treis wird deutlich: „Deutsche Landwirte müssen ihre Felder nicht nach Minen absuchen, müssen keine LKW oder andere Technik an die Bundeswehr abgeben und sie müssen keine Angst haben, dass ihre Mitarbeiter zur Armee eingezogen werden und sie niemanden mehr haben, der die Felder bestellt“, fasst er die Lage zusammen.
Trotz allem mache ihm seine Arbeit aber weiter Spaß. Er lädt sogar ein, sich selbst ein Bild zu machen: „Wer wissen will, wie die Landwirtschaft in der Ukraine läuft, kann gerne zu uns zu Besuch kommen, und sich ein eigenes Bild machen."