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AMA-Gütesiegel: „Die Austauschbarkeit muss verringert werden“

Christina Mutenthaler-Sipek und Martin Greßl im Gespräch mit top agrar über Vertrauen ins ­AMA-Gütesiegel, Tierwohlprodukte, die niemand kauft, und das neue Getreide-Siegel.

Lesezeit: 9 Minuten

Das AMA-Gütesiegel ist in Verruf. So antworteten 91 % der Leser der Kleinen Zeitung auf die Frage „Vertrauen Sie nach all den Skandalen noch aufs AMA-Gütesiegel?“ mit Nein. Wie wollen Sie das verlorene Vertrauen zurückgewinnen?

Christina Mutenthaler-Sipek: Natürlich haben auch uns die veröffentlichten Bilder aus dem Geflügelschlachthof zu Jahresbeginn schockiert. So etwas können wir nicht akzeptieren. Für mich war das eine ganz neue Situation, da es in meiner ersten Arbeitswoche passiert ist. Klar ist, wir haben eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber Gesetzesbrüchen. Das Gesetz muss jeder Gütesiegelbetrieb einhalten, ebenso wie unsere Richtlinien. Das kontrollieren wir auch mehr. Es gibt mehr Routinekontrollen und Spot-Audits, die unangekündigt stattfinden. Zusätzlich setzen wir auf digitale Vernetzung. Gerade entwickeln wir ein Kontrollinformationssystem, wo unsere Kontrollen, behördliche Kontrollen und jene von Kontrollstellen abrufbar sind.

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Was kommt auf die Bauern zu, wenn die Kontrollintensität erhöht wird?

Mutenthaler-Sipek: Die Kontrollen sind wichtig, weil wir an Glaubwürdigkeit gewinnen. Wichtig ist uns auch die Prävention, damit wir helfen, dass es gar nicht erst so weit kommt. Denn oft sind es persönliche Krisen der Landwirte, die zu solchen Missständen führen. Jeder Bauer will, dass es seinen Tieren gut geht. Oft führen Krankheiten, Überforderung oder Krisen zu solchen Fällen – es steht meist ein menschliches Schicksal dahinter. Überforderung zeigt sich so schnell im Tierbestand. Es ist uns aber auch klar, das beste Kontrollsystem wird nie 100 % aller Fälle verhindern können.

Die AMA will das Tierwohl fördern. Wie sieht der Zulauf bei den Tierwohlprogrammen aus, wie viele Betriebe haben sich schon dafür qualifiziert?

Mutenthaler-Sipek: Wir haben rund 150 Schweinebetriebe und 1.500 Rinderbetriebe. Doch aktuell ist das Angebot größer als die Nachfrage. Das heißt, Vermarktungsbetriebe lassen zurzeit keine Betriebe mehr zu. Tierwohl ist ein Zukunftsthema, das muss jedem bewusst sein. Aber im Moment gibt es bei den Produkten eine Flaute, die Konsumenten kaufen weniger und schauen auf den Preis. Fleisch wird zu 54 % als Aktionsware gekauft, trotzdem fordern mehr als 80 % der Konsumenten mehr Tierwohl, viele wissen aber gar nicht, was dahinter steht.

Ein Beispiel aus der Praxis: Zwischen konventioneller Salami mit AMA-Gütesiegel und Bio-Salami liegen 8 Cent Preisunterschied. Wie können da noch zwei Tierwohlstufen (60 % mehr Platz und 100 % mehr Platz) dazwischen passen?

Mutenthaler-Sipek: Wir mischen uns nicht in Preisdiskussionen ein. Generell ist in Österreich eine fünfstufige Tierhaltungskennzeichnung geplant. Diese reicht von gesetzlich vorgeschrieben, über AMA-Gütesiegel zu Tierwohl gut (60 %), Tierwohl sehr gut (100 %) und Bio. Derzeit wird noch daran gearbeitet, es soll für den Schweinebereich, für Rinder und Geflügel kommen.

„Fleisch wird zu 54 %

als Aktionsware gekauft,

trotzdem fordern über

80 % der Konsumenten

mehr Tierwohl.“
Christina Mutenthaler-Sipek

Das Ziel im Schweinebereich ab 2030 lautet 1 Mio. Tierwohl-Schweine pro Jahr zu vermarkten. Wie realistisch sehen Sie dieses Ziel im Moment?

Mutenthaler-Sipek: Wir sind optimistisch und müssen daran glauben. Im Masterplan Schwein 2021wurde es so definiert. Aus aktueller Sicht ist es jedoch sehr schwierig. Klar ist, dass wir auch eine Zielgruppe erreichen müssen, die mehr Wert auf Tierwohl legt.

Wie sollen dann die Landwirte motiviert sein, die höheren Standards einzuführen, wenn jetzt keine Betriebe mehr ins Programm aufgenommen werden?

Mutenthaler-Sipek: Mehr Tierwohl heißt Mehrkosten für den Bauern, hier braucht es Planungssicherheit. Darum regulieren die Vermarkter den Zulauf. Wir müssen darauf achten, dass Nachfrage und Absatz zusammenpassen. Jene Betriebe, die jetzt im Programm sind, finden Absatz. Langfristige Prognosen zeigen, dass Landwirte in die Tierhaltung und ins Tierwohl investieren müssen. Der nächste große Trend ist das Thema Nachhaltigkeit, das die Bauern und uns als AMA-Marketing beschäftigen wird.

Beim Putenfleisch ist Österreich EU-weit Vorreiter in puncto Tierwohl und Haltungsstandards. Trotzdem gibt es große Probleme beim Absatz von heimischem Putenfleisch. Wie kann die AMA die Produzenten unterstützen?

Mutenthaler-Sipek: Der Putenbereich ist wirklich eine Riesenherausforderung. Wir haben mit Abstand die höchsten Kriterien und wollen das auch kommunizieren. Unsere Hoffnung legen wir auf den öffentlichen Bereich. Hier sollte in der Gemeinschaftsverpflegung zum österreichischen Putenfleisch gegriffen werden, sonst ist es für die österreichischen Produzenten langfristig nicht rentabel. Wir können nur Bewusstsein bilden und sind auch mit den großen Lebensmittelhandelsketten im Dialog.

Das AMA Gesetz sieht auch Beiträge für Almflächen vor – mit 1 € pro ha. Bauern kritisieren, dass unter einem Gütesiegel naturnahe Produkte wie „Almochsen“ und Massenprodukte gleichzeitig beworben werden sollen?

Mutenthaler-Sipek: Seit 30 Jahren gab es keine Anpassung bei den Beiträgen. Sogar der Rechnungshof hat uns eine breitere Mittelaufbringung empfohlen. Dank des neuen AMA-Gesetzes können wir nun einen starken Gesamtauftritt der Landwirtschaft schaffen. Nun müssen wir die Leistung der Almbauern hervorheben und die Produkte, die dort entstehen, auch innovativ vermarkten. Und wir schauen, dass wir konkrete Absatzmärkte bearbeiten. So haben wir im April gemeinsam mit Frankreich eine Vermarktungsschiene in Kanada gestartet. Frankreich bewirbt seinen Weichkäse und wir unseren hochwertigen Bergkäse. Wir können uns mit diesem Image auch mitverkaufen. Der kanadische Markt hat eine hohe Wertschöpfung.

„ Ziel ist es, dass die

Herkunft Österreich und

die Regionalität beim

Einkauf von Mehl mehr

Bedeutung haben wird.“
Martin Greßl, Leiter Qualitätssicherung

Auch bei den Ackerbauern sind jetzt 5 €/ha Beitrag zu zahlen. Viele fragen sich, wozu es ein Gütesiegel braucht. Hilft es den Bauern, dem Handel, den Konsumenten oder der AMA?

Mutenthaler-Sipek: Es hilft jedem. Brot und Gebäck ist zwar ein Kulturgut in Österreich, woher das Getreide dafür stammt, weiß aber keiner. Das Getreide war von keiner Marketingmaßnahme umfasst und es hat keine Herkunfts- und Qualitätssicherung dazu gegeben, weil es uns nicht erlaubt war. Das wird sich nun ändern.

Martin Greßl: Das große Ziel ist, die Zukunft der Ackerbauern abzusichern. Die Marktentwicklungen beim Getreide ist derzeit für die Bauern wenig erfreulich, die Preise sinken massiv und liegen beim Weizen nur mehr 15 % über dem Stand von vor dem Ukraine-Krieg. Die ukrainischen Importe sorgen derzeit für den größten Unmut, es ist viel Getreide in Europa hängengeblieben, anstatt nach Afrika transportiert zu werden. Somit ist das Thema Austauschbarkeit zu verringern wichtiger als je zuvor.

Welche konkreten Maßnahmen will die AMA-Marketing nun im Getreidebereich setzen?

Greßl: Wir wollen die Qualitäts- und die Herkunftssicherung stärken. Derzeit ist der Ort der Vermahlung herkunftsgebend. Das geht bei uns im Gütesiegel nicht mehr, denn wenn auf Brot und Gebäck das rot-weiß-rote Gütesiegel soll, muss österreichisches Mehl vom heimischen Getreide verarbeitet worden sein. Wir wollen mit dieser Richtlinie die vielen Ökologisierungsmaßnahmen, die die Landwirte machen, thematisieren. Das ist auch der gesellschaftlichen Erwartungshaltung geschuldet, dieser ist der Schutz der natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Biodiversität wichtig.

Wie kann das Siegel dann der billigen Importware entgegenwirken?

Greßl: Das Gütesiegel regelt die Herkunft rigoros. Die Richtlinien halten sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Landwirt über den Aufkäufer hin zu den Mühlen und den Bäckereien. Ziel ist es, dass die Herkunft Österreich und die Regionalität beim Einkauf von Mehl mehr Bedeutung haben wird. Bisher ist das ein ­anonymes Produkt.

Wie kommt das Gütesiegel beim LEH und Großbäckereien an?

Greßl: Seit 16. Jänner finden die Runden statt und die Rückmeldungen sind durchaus positiv. Es hat aber auch einen großen Verarbeiter gegeben, der gesagt hat, das brauche ich nicht.

Wer hat das Gütesiegel fürs Getreide erarbeitet, wurden auch Praktiker einbezogen?

Greßl: Die Richtlinien kommen aus der Praxis, wir haben Arbeitsgruppen im Landwirtschaftsbereich, im Aufkäuferbereich und bei Mühlen und mit Bäckern und dem Handel. Es gibt jetzt ein Konzept und damit gehen wir in die Breite und diskutieren das mit den Landwirten und Erzeugergemeinschaften. Wichtig waren für uns die Daten aus dem Mehrfachantrag 2023. Denn um dabei zu sein, muss der Landwirt Ökologisierungsmaßnahmen aus dem ÖPUL-Programm umsetzen. Wie die Daten zeigen, kommen durch diese Kombinationsmöglichkeiten ungefähr 84 % der Acker- bzw. Getreidefläche für das Gütesiegel infrage.

Wann wird das Getreidegütesiegel starten und wird es finanzielle Zuschläge für die Betriebe geben?

Greßl: Wir haben es jetzt auf Papier gebracht und verdichtet. Gestartet wird im nächsten Jahr. Für die Bauern ist das Gütesiegel kostenlos, es wird aber Kontrollen geben. Das Risiko der Verunkrautung von Marktfrüchten ist bewusster zu machen. Ein Stechapfelsamen ist sehr giftig und oft im Getreide oder bei Sojabohnen zu finden. Der Preis wird sich am Markt regeln, den können wir nicht über Richtlinien vorgeben.

Wird es das AMA-Gütesiegel auch im Biobereich geben?

Mutenthaler-Sipek: Wir setzen weiter auf Verbandsware und u. a. das System mit Bio Austria, das sich etabliert hat und eine Vorzeige-Qualitätssicherung in ganz Europa hat. Der Biobereich wächst, aber die Märkte müssen mitwachsen. Das heißt, wir müssen für mehr Absatz sorgen. Die Marketingbeiträge von Biobetrieben werden zweckgebunden für Maßnahmen von Bio-Werbung eingesetzt.

Frau Mutenthaler-Sipek, Sie haben betont, dass Ihnen transparente Kommunikation besonders wichtig ist. Wie soll das künftig gelingen?

Mutenthaler-Sipek: Also Transparenz ist für mich ganz wesentlich und auch einfach zu kommunizieren. Wir sind viel stärker in den Regionen unterwegs. Um die Konsumenten zu erreichen, gehen wir vermehrt mit dem Kontroll-Thema an die Öffentlichkeit. Wir gehen für die Konsumenten aber auch vermehrt mit unseren Kontrollen an die Öffentlichkeit. Für die Landwirte ist es zwar nicht das beliebteste Thema, aber es geht darum, die Konsumenten von der Glaubwürdigkeit unseres Gütesiegels zu überzeugen. Mit Juli starten wir unsere neue Kampagne, um die Wertschätzung regionaler Lebensmittelversorgung zu stärken. Der Fokus liegt auch auf digitaler Kommunikation. Wir müssen die Konsumenten und vor allem auch junge Leute erreichen.

Wie viel Budget floss im Vorjahr von der AMA-Marketing in die Werbung?

Mutenthaler-Sipek: Aus Sicht der Landwirtschaft ist es mit 9,8 Mio. € ein großes Budget. Die drei größten Handelsunternehmen hingegen sind bei 483 Mio. € Werbebudget. Darum sind alle in der Vermarktung gefordert. Denn Landwirtschaft ist wesentlich für Österreich, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für den Tourismus und für unsere Umwelt, für unsere Lebensqualität. Das ist unsere Botschaft.

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