Ein herausforderndes Ackerbaujahr 2023 geht zu Ende. "Insbesondere die Kombination aus Klimaverschlechterung und dem verschärften Mangel an Pflanzenschutz-Wirkstoffen macht den Bäuerinnen und Bauern zu schaffen. Die Betriebe sind gezwungen darauf zu reagieren und auf andere Kulturen umzustellen.
Selbstversorgung bei Erdäpfeln bereits gefährdet
Aber auch die geringeren Preise bei nach wie vor hohen Kosten setzen die Betriebe unter Druck", berichtet Landwirtschaftskammer Österreich-Präsident Josef Moosbrugger. "Mittlerweile ist die Selbstversorgung Österreichs bei zentralen Lebensmitteln wie Kartoffeln deutlich gefährdet. Wenn es so weitergeht, wird es irgendwann ein böses Erwachen geben."
Heuer waren die Effekte der Klimaveränderung auf Österreichs Landwirtschaft deutlich spürbar. Im April und in der ersten Maihälfte war es zu kühl und regnerisch. Bei allen wichtigen Sommerkulturen wie Mais, Soja, Zuckerrüben und Sonnenblumen führte das zu Problemen bei der Aussaat und der Keimung. Darauf folgte im Juni und Juli eine Hitzephase.
Körnermais-Ernte etwa auf dem leicht gedämpften Vorjahresniveau
Für die aufgrund der kühlen Witterung spät angebauten und sich langsam entwickelnde Bestände kamen die Niederschläge Ende Juli in vielen Regionen zu spät. Das zeigt sich besonders in den diesjährigen Maiserträgen. Diese erreichten österreichweit im Schnitt nur noch knapp über 10 t pro ha. Der Gesamtertrag bei Körnermais inklusive CCM (Corn Cob Mix) liegt bei 2,1 Mio. t und damit ziemlich genau auf dem Niveau des Vorjahres. Gegenüber dem 5-Jahres-Schnitt bedeutet das ein Minus von 6,8%. Die Anbaufläche liegt relativ konstant auf 210.000 ha.
Sehr herausfordernd war das Jahr für den Ölkürbis, die Grundlage für das beliebte Kürbiskernöl. Die Kultur war nach rund 38.000 ha im Vorjahr heuer auf 30.000 ha angebaut worden (-20,6%), was um rund 2.000 ha bzw. 6,7% unter dem 5-Jahres-Durchschnitt lag. Die Aussaatbedingungen waren im kühlen und nassen Frühling extrem schwierig. Das empfindliche Kürbissaatgut verfaulte auf vielen Flächen aufgrund der feuchtkühlen Bedingungen. Bisher konnte der Keimling durch ein Beizmittel gut geschützt werden.
Dessen Einsatz wurde aber durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshof im Jänner verboten. Tausende ha mussten daher ein zweites Mal angebaut werden und das zu einem teilweise zu späten Anbauzeitpunkt. In Kombination mit der Sommerwitterung fielen die Hektarerträge heuer sehr schwach aus. Die Gesamternte liegt bei knapp über 16.000 t, rund 42% weniger als im Vorjahr, in dem über 28.000 t geerntet werden konnten, und auch spürbar unter dem 5-Jahres-Durchschnitt von 20.500 t.
Schwierige Bedingungen für Erdäpfel, auch geringere Fläche
Die diesjährige Witterung führte auch bei Erdäpfeln zu deutlich geringeren Hektarerträgen. Außerdem wurden die beliebten Knollen heuer nur auf knapp 19.000 ha angebaut - im Vergleich zu fast 21.500 ha im Vorjahr, was einem Minus von knapp 13% entspricht. Gegenüber dem 5-Jahres-Schnitt beträgt die Anbauflächenabnahme sogar über 19%. Während im feuchten Boden die Knollen teilweise verfaulten, reduzierten Hitze und Trockenheit im Sommer wiederum die Knollenbildung. So konnten heuer insgesamt nur ca. 528.000 t und damit im Vergleich zum Vorjahr mit 686.000 t um 23% weniger Erdäpfel geerntet werden. Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre liegt das diesjährige Ertragsminus sogar bei fast 29%.
"Trotz der langen Kartoffelbautradition in Österreich ist es nicht mehr selbstverständlich, dass Pommes, Kartoffelpuffer und Erdäpfelpüree das ganze Jahr über aus heimischen Erdäpfeln erzeugt werden können. Das Risiko, wegen des Klimas oder dem Fehlen von Pflanzenschutzmöglichkeiten Ertragsausfälle zu erleiden bzw. wesentliche Teile der Ernte nicht verkaufen zu können, hat für unsere Kartoffelbaubetriebe in den letzten Jahren leider massiv zugenommen. Daher sind die Anbauflächen zum dritten Mal in Folge zurückgegangen", berichtet Moosbrugger.
"Besonders ärgert unsere Bauern, dass wir keine Möglichkeiten und Wirkstoffe zur Verfügung haben, um unsere Ernte zu schützen und gleichzeitig Ware importiert wird, die genau mit diesen oder anderen bei uns verbotenen Mitteln behandelt worden sind. Das ist enorme Wettbewerbsverzerrung und sicher nicht im Sinne von Bauern, Konsumenten und Klimaschutz. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn immer weniger Bäuerinnen und Bauern bereit sind, dieses zunehmende Risiko einzugehen. Viele Betriebe hatten über Jahrzehnte etwa ihren Schwerpunkt in der Erdäpfelproduktion und geben nun auf, da es wirtschaftlich nicht machbar ist, ganze Partien ohne Erlös entsorgen zu müssen, weil der Drahtwurm nicht in den Griff zu bekommen ist. Das muss geändert werden", warnt Moosbrugger. Auch sei es notwendig, Bewässerungsmöglichkeiten für wichtige, zunehmend trockene Anbauregionen zu schaffen.
"Zusätzlich waren die Erzeugerpreise über viele Jahre hinweg zu niedrig. Heuer sind die Erzeugerpreise zwar höher, allerdings gibt es Gebiete, in denen die Erträge nur bei 50% eines Durchschnittsjahres liegen. Dadurch ist es schwierig, kostendeckend zu produzieren. Mit dem Griff zu österreichischen, AMA Gütesiegel-Erdäpfeln stärkt man die heimische Produktion und motiviert unsere Erdäpfelbäuerinnen und -bauern, auch künftig zu produzieren", erklärt der LKÖ-Präsident.
Rübenernte dank größerer Fläche gesteigert, aber Dürreauswirkungen
Erfreulicher ist die zumindest vorerst wieder erhöhte Zuckerrübenfläche in Österreich mit über 38.000 ha gegenüber 34.000 ha im Vorjahr, was einem Plus von fast 13% gegenüber dem Vorjahr und von 21% gegenüber dem 5-Jahres-Schnitt entspricht. Eine Stabilisierung auf diesem Niveau wäre für die Eigenversorgung mit österreichischem Zucker wichtig, ebenso wie Möglichkeiten für den Schutz der Kulturen. Durch größte Bemühungen gegen Schädlinge wie den Rübenderbrüsselkäfer, Erdfloh etc. konnten die Kulturen auch zur Ernte gebracht werden.
Allerdings sind auch die Rübenerträge durch die ausgeprägten Dürrephasen heuer unterdurchschnittlich und belaufen sich auf 74,4 t pro ha gegenüber 79,7 t pro ha im Vorjahr und 79,4 t pro ha im 5-Jahres-Schnitt. Durch den Flächenausbau konnten aber 2,8 Mio. t geerntet werden, gegenüber 2,7 Mio. t im Vorjahr und 2,5 Mio. t im 5-Jahres-Schnitt. Das entspricht einem Plus von 4,5% gegenüber dem Vorjahr und von fast 14% gegenüber dem 5-Jahres-Schnitt.
Moosbrugger: Mangel an Pflanzenschutz-Wirkstoffen verschärft spürbar
"Die Situation im Erdäpfel-, Kürbis- und Zuckeranbau ist zunehmend schwierig. Gründe sind einerseits der Klimawandel mit Hitze und Trockenheit und daraus resultierende Mindererträge. Aber auch der Schädlingsdruck nimmt zu, während es immer weniger Möglichkeiten gibt, das Saatgut und die jungen Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen. Bei Erdäpfeln sorgt allen voran der gefräßige Drahtwurm, eigentlich eine Käferlarve, für spürbare Ernteausfälle, aber auch diverse andere Insekten und Pilzkrankheiten", berichtet Moosbrugger. "Wir bekommen zunehmend die Rechnung für diese schwierige Situation und ein falsches Management auf EU-Ebene präsentiert. Unsere Bäuerinnen und Bauern brauchen Werkzeuge, um ihre wertvolle Ernte vor Schädlingen und Krankheiten schützen zu können, und keine Verbote. Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung beginnt am Feld."
Sojafläche zwar geringer, Gesamternte aber dank guter Erträge höher
Die Sojabohne, eine Profiteurin des Jahres 2022 mit einer Rekordfläche von knapp 93.000 ha, konnte sich heuer auf einem hohen Niveau von 86.000 ha stabilisieren. Gegenüber dem Vorjahr ist das zwar ein Minus von 7,4%, gegenüber dem 5-Jahresschnitt aber ein Plus von 15%. Dank höherer Hektarerträge konnte eine gute Ernte von rund 264.000 t eingefahren werden, was einer Gesamtsteigerung von 7,3% gegenüber dem Vorjahr und von 24% gegenüber dem 5-Jahres-Schnitt entspricht.
Überdurchschnittliche Sonnenblumenernte dank guter Erträge
Die Kultur, die am besten mit der heißen Sommerentwicklung zurechtkam, war heuer die Sonnenblume. Diese erreichte neben der Sojabohne als einzige Sommerung mit knapp 65.000 t eine um 15% größere Gesamterntemenge als im Vorjahr. Gegenüber dem 5-Jahres-Schnitt beträgt das Plus 7,3%. Die Anbaufläche beträgt relativ konstant 24.000 ha. Für die Gesamterntezunahme waren daher die gegenüber dem Vorjahr um 16% besseren haerträge verantwortlich.
Preis- und Kostenentwicklung besorgniserregend
"Nach einem für die Ackerbäuerinnen und -bauern insgesamt guten 2022 ist das heurige Jahr durch fallende Produktpreise charakterisiert. Diese liegen aktuell auf dem Niveau von Herbst 2021. Das ist für die Landwirtschaft vor allem deswegen besorgniserregend, weil die Kosten für Betriebsmittel wie Dünger, Saatgut, Treibstoffe, Ersatzteile und Maschinen nach wie vor sehr hoch sind", betont Moosbrugger. "Zu einem Zeitpunkt der reduzierten Erlöse wegen gesunkener Produktpreise sind die Betriebsmittelpreise nicht im selben Ausmaß wieder zurückgegangen. Dadurch bleibt nach Abzug der Kosten von den Erlösen deutlich weniger übrig. Die nach wie vor höheren Betriebsmittelkosten zu decken, wird somit die größte Herausforderung für den bereits gestarteten Anbau für die Ernte 2024."