Aus Wien berichtet Katharina Bauer
Vor etwa einem Jahr tauchten Szenen mit tierschutzrechtlichen Verstößen aus der Geflügelbranche auf, die für schwere Vorwürfe und Verunsicherung in der Gesellschaft sorgten. „Die veröffentlichten Bilder waren ein Schock für uns. Um solche Vorfälle nicht mehr entstehen zu lassen, haben wir dieses Jahr zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung unserer Standards gesetzt.“, erklärt heute Markus Lukas, Obmann der Geflügelwirtschaft Österreich, auf einer Pressekonferenz der Geflügelwirtschaft.
Was konkret verbessert wurde
Obwohl Österreich im europaweiten Vergleich bereits als Vorreiter mit den höchsten Standards in der Mastgeflügelhaltung gilt, konnten im Jahr 2023 weitere Verbesserungen umgesetzt werden. So setzt man nun zusätzlich zur Bio-Haltung auch in konventionellen Betrieben auf langsam wachsende Rassen. „Diese werden 10 Tage älter und brauchen ca. 20 % mehr Ressourcen und 30 % mehr CO². Sie sind aber mit der täglichen Zunahme begrenzt und daher deutlich vitaler und agiler.“, so Markus Lukas.
Des Weiteren wurde jeder Landwirt durch unabhängige Geflügelfachtierärzte, beispielsweise zur Tötung von kranken Tieren, die keine Aussicht zur Gesundung haben, geschult. Seit 1. Juli 2023 befindet sich außerdem in jedem österreichischen Geflügelstall Beschäftigungsmaterial für die Tiere, wie beispielsweise Strohballen oder Picksteine. Bei Neubauten muss bei jedem Geflügelstall ein Notstromaggregat verpflichtend installiert werden. Auch für Außenklimabereiche mit einer ständigen Frischluftzufuhr wird gesorgt.
Zusätzliche unangekündigte Kontrollen
Seitens der AMA setzt man auf ein enges Betreuungsverhältnis und eine ehrliche Kontrolle. Von insgesamt 770 österreichischen Geflügelmastbetrieben nehmen 570 Betriebe an der AMA-Gütesiegel-Richtlinie „Hendlmast“ teil. Grundsätzlich werden die Betriebe einmal jährlich durch eine kurzfristige vorherige Ankündigung kontrolliert. Aufgrund der Vorfälle wurden zusätzlich 177 unangekündigte Kurzkontrollen, sowie 46 zusätzliche Kontrollen auf die vorgeschriebene Dunkelphase von 6 Stunden durchgeführt.
„Wir haben auch an den Feiertagen, an den Wochenenden und in der Nacht Kontrollgänge durchgeführt. Natürlich ist das nicht angenehm für die Landwirte, sie wissen aber, dass die zusätzlichen Kontrollen durch die mediale Verunsicherung notwendig waren“, so Martin Greßl, Leiter des Qualitätsmanagements der AMA-Marketing. „Wir freuen uns, dass Tierhalter den Mehraufwand mittragen und sehen dies einmal mehr als Zeichen dafür, dass österreichischen Landwirten sowohl das Tierwohl als auch das Vertrauen der Konsumenten am Herzen liegt.“, betont Michael Wurzer, Geschäftsführer der Geflügelwirtschaft Österreich. Die Kontrollen zeigten bei 70 % der Betriebe keine oder nur geringfügig notwendige Verbesserungsmaßnahmen. Bei 30 % der Betriebe wurden Verbesserungspotenziale aufgezeigt. Landwirte, die die Standards nicht vollständig erfüllen, müssen sich Nachkontrollen unterziehen. Bei gröberen Verstößen drohen Konventionalstrafen oder der Entzug des Gütesiegels.
Martin Greßl erklärt: „Uns ist bewusst, dass Tierwohl ein immer wichtiger werdendes Thema ist, deshalb befassen wir uns laufend damit, wie wir noch mehr zur Verbesserung der Richtlinien beitragen können. Wir setzen auf Adaptierungen auch bei Altbauten, eine Intensivierung der Fortbildung von Mästern durch Webinare, auf vitalere Rassen und wollen auch die Tierwohlstufen ausbauen.“ Außerdem betont Greßl die Einzigartigkeit der Wertschöpfungskette in der österreichischen Geflügelwirtschaft: „In der Geflügelhaltung sind wir sehr eng verzahnt und vernetzt, egal ob Brüterei, Futtermittel oder Mast. Wir benötigen ganz eng abgestimmte Prozesse, sowie Verlässlichkeit und Planbarkeit.“
Lückenlose Erfassung aller Daten
Österreich ist weltweit das erste Land, das eine bundesweite, vollständige Datenbank für eine ganze Tiersparte vorweisen kann, die sogenannte „Poultry Health Data“. „Darauf sind wir stolz!“, freut sich Stefan Weber, Geschäftsführer des Geflügelgesundheitsdienstes QGV. Dabei wird ein Rundum-Monitoring betrieben, um laufend und lückenlos alle wesentlichen Daten jeder einzelnen Geflügelherde erfassen zu können.
So können Schwachpunkte und auftretende Probleme schnell erkannt werden. Dadurch konnte nicht nur ein starker Rückgang der Salmonellenkurve (- 87,3 % seit Inbetriebnahme der Datenbank), sondern auch ein geringerer Antibiotika-Einsatz erzielt werden. Weber betont: „Wir können nicht vermeiden, dass Erkrankungen auftreten. Durch die laufende Erfassung der Daten können wir sie aber frühzeitig entdecken und Tierleid vermeiden. Wir werden auch zukünftig Antibiotika einsetzen müssen, bemühen uns aber intensiv, keine Wirkstoffe aus der Humanmedizin zu verwenden, um die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen einzuschränken.“
Da nicht nur Mastbetriebe, sondern auch Schlachthöfe mit Vorwürfen konfrontiert wurden, hat man auch mit diesen Betrieben eingehende Diskussionen geführt. Alle Schlachthöfe stimmten dabei einem Qualitätssicherungssystem, von der Anlieferung bis zur Schlachtung, und einer ständigen Kameraüberwachung, zu. Gemeinsam mit der Geflügelwirtschaft Österreich und Experten habe man zudem ein Merkblatt zur Schulung aller Mäster durch ihre jeweiligen Betreuungstierärzte erstellt. Dieses Merkblatt muss bei einer Kontrolle auch im Stall aufliegen.
Forderung an Konsumenten zur Bewusstseinsbildung
In den letzten 2 bis 3 Wochen verzeichnete die Branche vermehrt Stalleinbrüche und macht sich deshalb für ein Umdenken in der Gesellschaft stark. Die Anforderungen an Mastgeflügelhalter zum Thema Tierwohl steigen immer weiter an. Dennoch greifen Konsumenten beim Einkauf nicht zur verlangten höheren Qualität. Stattdessen werden österreichische Geflügelprodukte von ausländischem Billigfleisch in den Regalen verdrängt.
„Uns muss bewusst sein, dass wir durch das Importieren von niedrigeren Standards aus dem Ausland zugleich Tierleid importieren.“, betont Markus Lukas. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Um das Tierwohl laufend verbessern zu können, brauchen wir aber die Solidarität aller.“ Deshalb fordert die Branche durch einen „neuen Vertrag mit der Gesellschaft“ eine „ehrliche, öffentliche Diskussion“ über die Zukunft der Mastgeflügelhaltung. „Wir fordern, dass jenes Geflügelfleisch eingekauft wird, das österreichischen Standards entspricht. Das betrifft nicht nur den Einkauf im Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch die Gastronomie, die öffentliche Beschaffung sowie die Gemeinschaftsverpflegung. Nur so können wir zukünftige Herausforderungen und gesellschaftliche Erwartungen auch meistern.“, so Michael Wurzer.