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Landwirte einbeziehen?

Laborfleisch: Könnten Zutaten für das Nährmedium aus der Landwirtschaft kommen?

Laborfleisch wächst nicht ohne ein Nährmedium. Start-ups arbeiten daran, das darin enthaltene fetale Kälberserum zu ersetzen, z.B. mit Proteinen aus Raps. Stecken darin Chancen für die Landwirtschaft?

Lesezeit: 5 Minuten

Günther Prohaczka ist Zellbiologe beim Start-up Bluu Seafood aus Hamburg. Das Unternehmen arbeitet daran, Fisch im Labor zu kultivieren. Prohaczka arbeitet in der Abteilung, die für das sogenannte Nährmedium zuständig ist, in dem die Zellen wachsen. Im Interview mit top agrar erklärt er, wieso dieses Nährmedium so wichtig ist, wann er das enthaltene fetale Kälberserum durch pflanzliche Stoffe ersetzen kann und wieso darin auch Chancen für die Landwirtschaft stecken könnten.

Das Interview mit Zellbiologe Günther Prohaczka

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​Welche Rolle könnte die Landwirtschaft bei der Erzeugung von Laborfisch oder -Fleisch einnehmen?

Günther Prohaczka: Selbst wenn Fleisch oder Fisch aus Zellkultur marktreif ist, wird die Landwirtschaft noch gebraucht. Denn was die Zellen hauptsächlich brauchen, sind dieselben Nährstoffe, die der Mensch zur Ernährung braucht: Aminosäuren, Zucker und Mineralstoffe. All das kommt nicht nur in tierischen Quellen vor, sondern auch in pflanzlichen. Und die finden wir in der Landwirtschaft.

Die Nährstoffe gelangen über ein Nährmedium an die Zellen, das als extrem wichtig gilt. Wieso eigentlich?

Prohaczka: Das Nährmedium ist essentieller Teil der Zellkultivierung. Die Zellen können ohne Nährmedium nicht wachsen. Es gibt ihnen den physischen Raum. Außerdem enthält es neben Nährstoffen alle Wachstumsfaktoren und Signalstoffe, die im Körper normalerweise das Blut enthält.

Enthält das Medium deshalb fetales Kälberserum (FBS)? Es ist umstritten, weil man es aus dem Herzen ungeborener Kälber entnimmt, die bei der ­Entnahme sterben.

Prohaczka: Fetales Kälberserum enthält alles, was Zellen zum Wachsen brauchen. Daher ist es Hauptbestandteil vieler Nährmedien und alltägliches Werkzeug in Laboren. Wie viele andere In-vitro-Fleisch-Start-ups auch wollen wir das Serum durch pflanzliche oder synthetische Stoffe ersetzen.

Fetales Kälberserum kann ersetzt werden

Wann ist das soweit?

Prohaczka: Grundsätzlich sind wir dazu schon in der Lage. Aber die Zellen sollen ohne FBS auch genauso schnell und gut wachsen. Wir arbeiten ja mit Fischzellen. Die wachsen nicht optimal im Serum eines Säugetieres. Daher müssen wir herausfinden, welche Art Zelle, also Muskel-, Fett- oder Gewebezelle, welches Signal zu welchem Zeitpunkt braucht. Das Serum hatte sozusagen zu jeder Zeit den passenden Stoff parat. Wir müssen das auseinander dividieren und einzeln bereitstellen.

100 ml Serum kosten im Pharmazie-Webshop 150 bis 500 €. Sind Ihre Produktionskosten daher so hoch?

Prohaczka: Wenn wir das Kälberserum ersetzen, verzichten wir auf tierische Bestandteile und senken gleichzeitig die Kosten. Den weitaus größeren Effekt auf die Kosten hat allerdings die Skalierung der Produktionsmenge.

Durch welche pflanzlichen Stoffe lässt sich das Serum ersetzen?

Prohaczka: Einer der Hauptbestandteile des Serums ist Albumin, ein Trägerprotein, das im Blut Stoffe von A nach B bringt, die nicht gut wasserlöslich sind. Ähnliche Trägerproteine findet man in Pflanzenextrakten. Da testen wir bereits Alternativen, die aus Raps oder Kirchenerbsen gewonnen werden.

Andere Bestandteile des Serums, wie Aminosäuren und Mineralstoffe lassen sich durch sogenannte Hydrolysate ersetzen. Dabei werden in Pflanzen enthaltene Proteine in Aminosäuren aufgespalten, die den Zellen als Nahrungsquelle dienen. Hydrolysate lassen sich theoretisch aus jeder Pflanze herstellen. Beispiele sind Weizen oder Soja.

Pflanzliche Erzeugnisse aus der Landwirtschaft

Wie gestaltet sich die Pflanzensuche?

Prohaczka: Sofern es Literatur dazu gibt, orientieren wir uns daran, was andere Forschungsgruppen erfolgreich getestet haben. Raps und Soja sind hier häufige Vertreter, da diese bereits in großem Stil angebaut werden. Oft ist die Entscheidung pragmatischer: Wir testen das, was es zu kaufen gibt. Das, was bei unseren Zellen gut ankommt und diese schnell wachsen lässt, verfolgen wir weiter.

Wieviel Rohware ist nötig, um die benötigten Stoffe zu separieren?

Prohaczka: Das lässt sich pauschal nur schwer festmachen. Es hängt davon ab, nach welchem Stoff wir suchen. Gewisse Aminosäuren sind in Pflanzen stärker vertreten, als in tierischen Quellen. Da brauchen wir entsprechend weniger Ausgangsstoff. Andere wiederum sind nur in geringeren Mengen vorhanden und müssen ggf. aus anderen Quellen zugesetzt werden.

Wie müssen die Grunderzeugnisse aufbereitet werden, um sie nutzbar zu machen? Wo würde das stattfinden?

Prohaczka: Wenn es um ein bestimmtes Protein oder Molekül geht, muss es spezifisch aufgereinigt werden. Dazu gibt es (bio-)chemische Verfahren in geeigneten Fabriken. Für einfache Extrakte und Hydrolysate kommt jedoch auch eine kleinere, lokale Produktion infrage, da diese oft mit weniger technischem Aufwand hergestellt werden können.

Bevor die Stoffe auf unsere Zellen kommen, müssen sie sterilisiert werden, um die Zellen vor unerwünschten Mikroorganismen zu schützen. Das geschieht durch Filtration oder Erhitzen und wird vor Ort im Zuge der Medienherstellung gemacht.

Wieso könnten auch organische Reststoffe und Nebenströme aus der Landwirtschaft in Betracht kommen? Welche könnten das sein?

Prohaczka: Gerade Bestandteile wie Mineralstoffe, Aminosäuren und Zucker (in Form von Stärke und Cellulose) findet man oft in Pflanzenteilen, die nicht mehr für den menschlichen Verzehr genutzt werden. Mittels moderner Verfahren oder Fermentation können diese jedoch gereinigt und für unsere Zellen nutzbar gemacht werden. Das können z. B. Schale, Blätter oder Halme sein. Bei Hülsenfrüchten kommen hierfür auch die Rückstände in Frage, die nach dem Kochen im Wasser bleiben – das sogenannte Aquafaba. Auch Reste, die nach dem Pressen von ölhaltigen Pflanzen übrigbleiben, enthalten noch Nährstoffe, die für die Zellen aufbereitet und nutzbar gemacht werden können.

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