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Landwirtschaft unter Wasser

Der Aquakultur-Erzeugermarkt in Deutschland stagniert. Hiesige Produzenten haben oft keine Chance gegen Importware. Doch deren Ruf leidet. Kommt jetzt der Moment der regionalen Produktion?

Lesezeit: 6 Minuten

Eine hohe Futterverwertung, ein Gesundheitsimage beim Endprodukt, weltweit immense Wachstumsraten – und doch sind hierzulande nur wenige auf den Fisch gekommen.

Aquakultur ist die kontrollierte Aufzucht von aquatischen Organismen. In Deutschland ist sie eine Nische. Und das nicht nur beim Fisch. Auch Garnelen und Mikroalgenprodukte gehören in das Feld der blauen Produzenten. Doch obwohl zumindest Garnelen die Hähnchenbruststreifen quasi vom Salat vertrieben haben, stammen sie fast komplett aus dem Ausland.

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2021 aß der Durchschnittdeutsche jährlich 12,7 kg Fisch, Krebse und Weichtiere. Der Selbstversorgungsgrad inklusive Meeresfischerei lag da bei nur 19,6 %. Wird sich das durch Landwirte im Binnenland ändern, die hier trotz allem ihre Nische suchen? Bei Fisch und Krebstieren noch nicht, wenn man nach dem Nationalen Strategieplan Aquakultur geht. Demnach ist die hiesige Aquakulturlandschaft gerade vor allem durch eines geprägt: Stagnation. Wir sprechen mit dennoch optimistischen Akteuren der Branche.

Es tut sich was

„Die Zeichen stehen auf Wachstum, und das auch in der Fläche in Deutschland“, sagt Dr. Stefan Meyer, Präsident des Bundesverbandes Aquakultur. Die Marktbedingungen und Techniken seien mittlerweile so, dass der Einstieg im Gegensatz zu früher erleichtert ist. „Daher wird das Wachstum vor allem durch Neu- und Quereinsteiger stattfinden.“

Gerade sieht es danach allerdings noch nicht aus: Die deutsche Fischerei hat im Jahr 2021 208 800 t Fanggewicht produziert. 16 % davon stammen aus Binnenfischerei bzw. Aquakultur, 18 267 t davon waren Fisch. Hauptsächlich sind das laut Thünen Institut Karpfen sowie Regenbogen- und ­Lachsforellen aus kleinstrukturierter Teichwirtschaft, die allerdings rück­läufig ist. Grund sind z. B. ein verhindertes Wachstum durch schwierige ­Genehmigungsverfahren. Mehr Fisch erwartet die Branche durch Kreislaufanlagen. Das sind geschlossene Tank­systeme mit ausgeklügelter Technik, die eine Rezirkulationsrate des Wassers von mehr als 90 % erreichen.

Die Zeichen stehen auf Wachstum, und das auch in der Fläche in Deutschland. - Dr. Stefan Meyer
Dr. Stefan Meyer

Garnelen vom Land

Bei Hildesheim produzieren die Gründer von Neue Meere seit 2020 Garnelen in solch einer Kreislaufanlage. Ihre neue Industriehalle fungiert als eigenes Ökosystem für die empfindlichen Krebs­tiere. Er herrschen permanent 28,5 – 30 Grad Wassertemperatur. 99 % des Salzwassers werden rezykliert, die rest­lichen 1 % muss das Team um Tarek Hermes über die örtliche Kläranlage entsorgen. Die sechs Produktionsbecken besetzen sie im Idealfall zwei Mal jährlich neu. Die Larven der White Tiger Garnele kaufen sie im Alter von 14 Tagen zu. Tarek Hermes ist studierter Agrarwissenschaftler und hatte vor zehn Jahren die Idee zur deutschen Garnele. Er gibt zu: „Wenn ich meinen Businessplan von 2018 jetzt durchlesen würde, müsste ich schon an vielen Stellen schmunzeln.“

Mit der Garnele produziert er die beliebtesten Krebstiere auf deutschen Tellern. Die weit verbreitete Weißfußgarnele (White Tiger Prawn) stammt aus Asien und wird da zum Großteil in Teichanlagen produziert. Deutschland importiert jährlich mehr als 50 000 t Garnelen. Schätzungen nach schaffen es ein paar hiesige Produzenten derzeit nur rund 0,1 % dieser Menge zu produzieren. Hermes ist sich aber sicher, dass es mehr werden: „Da passiert viel und da sind Investoren, die richtig viel Geld mobilisieren. Ein riesiger Markt wartet darauf, zu entstehen.“ Während Tarek Hermes zu Beginn Konkurrenzanlagen noch schlaflose Nächte bereiteten, ist er nun abgeklärter. „Ich kenne den Aufwand und die Schwierigkeiten, insbesondere in der Vermarktung“, so Hermes. „Von heute auf morgen wächst in dem Sektor keine Konkurrenz.“

Fische mit Filet gefragt

Die deutschen Verbraucher konsumieren nicht nur gerne Garnelen, sondern auch Fische. „Handel und Gastronomie wollen große Fische, die eine hohe Filetausbeute und eine große Vielfalt in der Verarbeitbarkeit haben“, sagt Dr. Stefan Meyer. Lachs und Großforelle rechnet er dabei große Chancen für heimische Produzenten zu. Die ersten Anlagen in Deutschland mit einer Jahresproduktion von mehr als 1 000 t sind derzeit in Planung.

Der Aquakulturspezialist verweist daher auf das Ausland: In Norwegen und Dänemark produzieren große Unternehmen diese Arten in Kreislaufanlagen und expandieren weltweit. „In den USA hat es z. B. an der Ostküste vor fünf Jahren einen Run auf die landbasierte Lachsproduktion gegeben. Da produzieren wenige Firmen mit perspektivischen Jahreskapazitäten von bis zu 90 000 t. Das ist im Fischbereich schon groß“, zieht Meyer einen Vergleich. Die Frage sei, ob auch Deutschland dafür Rahmenbedingungen im Binnenland schafft, um Produzenten die kapitalintensive Investition zu ermöglichen. Denn derzeit gebe es fast keine verlässlichen bau- und wasserrechtlichen Verfahren, um eine solche Produktion genehmigt zu bekommen.

Wo spielt Landwirtschaft mit

„Fisch statt Schwein“, „Welse als neue Hähnchen“, „Schweine raus, Fische rein“ – von diesen Headlines hält Meyer nichts: „Viele dieser Titel sind in der Vergangenheit genutzt worden, um zu suggerieren, dass Aquakultur eine einfache Alternative zu anderen Nutztieren ist. Und das stimmt einfach nicht.“ Jede Art, ob Wels oder Krabbe, hat hohe Anforderungen, sowohl an die Technik, als auch an die Tiergesundheit. Bei Fehlern können komplette Durchgänge ausfallen – dabei schwimmen viele Arten mehr als ein Jahr bis zur Schlachtreife im Becken. Wer Landwirtschaft gelernt hat, ist noch lange kein Fischwirt und muss sich intensiv einarbeiten bzw. Weiterbildungen absolvieren. Und dennoch glaubt Meyer, dass Landwirte das tun könnten. Denn Kreislaufanlagen brauchen Platz, Wasser, Energie und oft auch Wärme. „Im Gegensatz zu vielen Industriegebieten können Biogasanlagen, Windräder oder PV-Anlagen von landwirtschaftlichen Betrieben Kostenvorteile in der Produktion schaffen“, sagt Meyer.

Im Gegensatz zu vielen Industriegebieten können Biogasanlagen, Windräder oder PV-Anlagen von landwirtschaftlichen Betrieben Kostenvorteile in der Produktion schaffen.
Dr. Stefan Meyer

Tarek Hermes hat zwar Agrarwissenschaften studiert, besitzt aber selbst keinen Hof. „So stellte sich bei unserem Projekt die Frage nach dem Standort auf einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht“, erklärt er. Nach einigen Jahren Garnelenproduktion gibt er zudem zu bedenken: „Das feuchtwarme Salzwasserklima in unserer Anlage greift fast alle Oberflächen an. Da hätten wir kein Altgebäude nutzen können.“

Mammutaufgabe Vermarktung

Wer weitere Parallelen von Aquakultur und Landwirtschaft sucht, wird beim Thema Vermarktung fündig. „Fischereiprodukte sind in den Köpfen vieler Verbraucher hundertprozentige Importprodukte. Hinzu kommt, dass diese um einiges günstiger sind als die Inlandsware und dagegen müssen wir ankämpfen“, sagt der Garnelenzüchter.

Während die deutsche Fleischbranche seit Jahren an Tierwohl, Kennzeichnungen und Fleischqualität arbeitet, fängt die hiesige Aquakultur seiner Meinung nach gerade erst an. „Bei uns kann man nicht mal wirklich von einem Markt sprechen, der bedient wird. Wer jetzt den Schritt in die Aquakultur geht, muss leider einen ganz, ganz langen Atem mitbringen“, sagt Hermes.

Wer jetzt den Schritt in die Aquakultur geht, muss leider einen ganz, ganz langen Atem mitbringen. - Tarek Hermes
Tarek Hermes

Allerdings: Die Importgarnele ist zwar mindestens viermal günstiger als die hiesige, hat aber schon lange nicht den besten Ruf. Schnell gewachsene Anlagen belasten in Asien und Südamerika ganze Ökosysteme. Medikamenteneinsatz, Überfischung, Beifänge und Artensterben sind nicht wegdiskutierbare Probleme.

Und da sehen sowohl Meyer als auch Hermes den Ansatzpunkt. „Die Konkurrenz über den Preis anzustreben, ist der falsche Weg“, sagt Meyer. Denn an die Produktionskosten der Importware komme man nicht heran. Moderne Aquakultur böte aber die Möglichkeit, deutlich umwelt- und ressourcenschonender zu arbeiten. Wenn also Betriebsleiter aus der Landwirtschaft ein neues Standbein in der Aquakultur sehen, sollten sie hier ansetzen.

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