„Ende November sollen die ersten Hennen einziehen“, sagt Jonas Lechler. Er steht am Rand des 6 ha großen Geländes in Dülmen (Nordrhein-Westfalen). Dass hier ein Hühnerstall entsteht, ist nach rund einem halben Jahr Bauphase unschwer zu erkennen – schließlich wurden bereits die Bodenplatte gegossen, die Stahlträger aufgestellt und das Dach gedeckt. Daneben weist das Bauzaunbanner mit der Aufschrift „Neubau eines Freiland Bio-Legehennenstalls, Bauherr Jonas Lechler“ offen auf das Vorhaben des Junglandwirts hin.
Momentan bauen kaum noch Landwirte neue Ställe – nicht zuletzt wegen der finanziellen und politischen Unsicherheiten. Abschrecken lässt sich Jonas Lechler davon allerdings nicht. „Corona und der Krieg waren zwei Unbekannte, mit denen niemand gerechnet hätte. Trotzdem bin ich nach wie vor überzeugt von unserem Vorhaben und sehe in Bio-Eiern gute Zukunftsaussichten“, sagt der 26-Jährige.
Wenn alles nach Plan läuft, haben in sechs Wochen hier knapp 15.000 Legehennen (in fünf Gruppen mit je 3.000 Tieren) Platz im Stall. Wintergarten und ein Auslauf von 4 m² pro Tier kommen zusätzlich. Mit den Haltungsbedingungen richtet sich Lechler nach dem EU-Bio-Standard. Dabei geht er mit seinem Vorhaben bewusst voll in die Offensive. „Schon während des Baus zeige ich offen, wie die Tierhaltung bei uns aussehen wird und dass wir Wert auf Tierwohl legen. Dadurch hoffe ich auf mehr Verständnis von Verbrauchern“, sagt er.
Vom Angestelltenverhältnis zurück auf den Hof
Die Fläche, auf der der Stall gebaut wird, gehört zum Betrieb seines Onkels Günter Lechler. Jonas Lechler ist selbst auf keinem Betrieb aufgewachsen, doch hilft schon seit jeher auf dem Betrieb seines Onkels, den die beiden seit einigen Jahren gemeinsam leiten. Dass er den Hof einmal übernehmen wird, war für den gelernten Handelsfachwirt und studierten Agraringenieur aber nicht von Vorneherein klar. „Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, hier einzusteigen, weil es keinen Nachfolger gab. Klar war dabei aber auch, dass wir investieren müssen, um den Betrieb zukunftsfähig zu machen.“ Legehennen waren bis dato Neuland für den Betrieb Lechler, der sich bislang auf Ackerbau, Rinderhaltung und Sauenhaltung konzentriert, welche aber arbeitswirtschaftlich und von der Bauart her nicht zukunftsfähig war bzw. ist.
Während des Studiums hatte der Landwirt erste Berührungspunkte mit der Geflügelhaltung und schaute sich nach möglichen Konzepten um. Nachdem er im Anschluss an das Studium zunächst knapp 1,5 Jahre als Futtermittelberater arbeitete, widmet er sich nun in Vollzeit dem Betrieb. Dafür hat er sein Angestelltenverhältnis im April, zwei Monate nach Baubeginn, gekündigt. „Beides nebeneinander funktioniert irgendwann nicht mehr“, sagt der Bauherr rückblickend. Vor allem weil seine Familie so klassischerweise nicht auf dem Hof lebt. Wären Mutter und Vater mit im Betrieb, hätte er seinen Job gerne weiter gemacht. „Je weiter der Bau voranschreitet, desto mehr Entscheidungen muss man tagtäglich treffen. Es gibt ständig etwas neues, über das man sich Gedanken machen muss.“
Intensive Planungen
Mit den Planungen für den Stall hat Jonas Lechler vor über drei Jahren begonnen. Bis die Baugenehmigung Ende letzten Jahres auf dem Tisch lag, vergingen etwa zwei Jahre. Dass die Entscheidung auf einen Bio-Legehennenstall fiel, war nicht von Anfang an klar. „In der Planungsphase standen auch der Bau eines Hähnchenmaststalls zur Debatte. Die Idee war sogar schon ziemlich konkret“, blickt Jonas Lechler zurück. Nachdem er einige Monate bei einem Hähnchenmäster zur Probe arbeitete, entschied er sich letztendlich aber doch dagegen. Hinzu kamen die zum damaligen Zeitpunkt relativ guten Marktaussichten für Bio-Eier.
Baukosten 20 % höher
Überzeugt ist er von seinem Vorhaben nach wie vor, auch wenn es immer mal wieder kritische Stimmen gibt. Wäre er mit seinen Planungen ein Jahr später, hätte er vermutlich gar nicht mehr gebaut. So vermutet Lechler, dass es nächstes Jahr mit Stallbauten deutlich ruhiger wird, denn es gibt auf viele Gewerke keine Festpreise mehr. „Womit soll man dann kalkulieren und was sagt man der Bank“, merkt er an. „Eine gewisse Risikobereitschaft gehört aber einfach dazu.“
Laut dem aktuellen Konjunkturbarometer Agrar liegt der Anteil der Landwirte, der im nächsten halben Jahr investieren will, bei insgesamt 34 %. Dabei wollen immer weniger Landwirte in Maschinen und Wirtschaftsgebäude investieren, viele setzen stattdessen auf Erneuerbare Energien.
Ein Hennenplatz konnte noch vor vier Jahren für unter 100 € gebaut werden. Mittlerweile ist man schon weit im dreistelligen Kostenbereich pro Platz.
Der Bau ist für Jonas Lechler um 20 % teurer als geplant. Ein Hennenplatz konnte noch vor vier Jahren für unter 100 € gebaut werden. Mittlerweile ist man schon weit im dreistelligen Kostenbereich pro Platz, sagt er.
Abnahmevertrag für zwei Jahre
Trotz des Risikos war dem Agraringenieur eine gewisse Planungssicherheit wichtig. Für seine Bio-Eier hat er für die ersten zwei Jahre einen Abnahmevertrag mit dem 20 km entfernten Betrieb Althues im Kreis Coesfeld abgeschlossen. Die Eier werden 2 bis 3x die Woche vom Betrieb Althues frisch abgeholt. Erhältlich ist die Ware dann im regionalen LEH sowie in Biomärkten. Den genauen Preis, den er pro Ei erhält, will der Junglandwirt nicht verraten.
Transparenz für Verbraucher
Auch wenn die Abnahme fürs Erste geregelt ist, kann sich Jonas Lechler vorstellen, einen Teil der Eier direkt zu vermarkten, zum Beispiel an Hotels und Restaurants, um noch mehr Wertschöpfung selbst in der Hand zu haben. „Potenzial sehe ich bei regionalen Abnehmern. Man muss allerdings abwarten, wie sich Konsum und die Marktlage entwickeln“, sagt er. Auch ein Verkaufsautomat am Stall wäre denkbar – und sogar sinnvoll, denn Lechler baut einen von außen begehbaren „gläsernen Besucherraum“ an den Stall. „Interessierte können jeden Bereich des Stalls rund um die Uhr einsehen. Dadurch will ich Vertrauen schaffen und im Optimalfall Kunden binden“, zeigt er sich überzeugt.
Interessierte können jeden Bereich des Stalls rund um die Uhr einsehen. - Jonas Lechler
Künftig will er auch in den sozialen Medien auf seine Tierhaltung aufmerksam machen. Für Fragen von Interessierten ist Lechler offen und freut sich über einen konstruktiven Austausch. Verbraucher, mit denen er bereits ins Gespräch gekommen ist, konnte er von dem Projekt überzeugen. „Viele sehen von außen nur einen großen Stall und machen sich keine Gedanken über die Haltungsform“, sagt er. Ein Drittel mehr Platz im Stall, ein Wintergarten von 1000m² und 4m² Auslauffläche pro Huhn sind aus seiner Sicht nur einige überzeugende Argumente. „Auch die geringe Selbstversorgung von Eiern in Deutschland und vor allem in NRW ist den wenigsten Verbrauchern bewusst“, sagt Lechler.
Marktlage beobachten
Den Stall hat Lechler nach ökologischen Kriterien gebaut, um von Anfang an die Weichen für mehr Platz und Tierwohl zu setzen. Dennoch zeigt er sich auch offen für die konventionelle Freilandhaltung.„Im Nachhinein anbauen und erweitern ist immer aufwändiger und teurer. Bei größeren Umbauten ist sogar eine neue Baugenehmigung nötig und es ist oft ein Hindernis, den Stall der Zeit anzupassen“, gibt der Landwirt zu bedenken. Die Entwicklung in den letzten Jahren ging immer mehr in Richtung mehr Platz für die Tiere, etwa bei der ITW Schwein/Rind. So etwas ähnliches kann er sich auch gut für Legehennen vorstellen. „ Im schlimmsten Fall hätten die Tiere nach heutigen Stand mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben wäre, wenn auf konventionell umgestellt wird.“
Damit Anfang Dezember alles rund läuft, gilt es vorbereitet zu sein. „Vor dem ersten Durchgang versuche ich mir so viel Wissen wie möglich anzueignen“, sagt der Landwirt. Denn besonders die ersten Wochen Eingewöhnung der Tiere dürften arbeitsintensiv werden. „Wenn alles klappt, können wir die Hennen an Neujahr das erste Mal in den Auslauf lassen.“
Jonas Lechler kann sich vorstellen, die 6 ha große Auslauffläche für Agroforst oder Agri-PV zu nutzen. Auf der Dachfläche des Stalls ist bereits eine PV-Anlage geplant. Doch in der Freilandhaltung ist es bisher nicht erlaubt, den Auslauf zu anderen Zwecken zu nutzen, außer als Obstgarten, Wald oder Weide.