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Staat oder Wirtschaft – Wie gelingt der Umbau der Landwirtschaft?

Die Transformation des Agrarsektors kommt so oder so. Die ideale Rollenverteilung zwischen Markt und Staat bleibt jedoch umstritten, wie beim Rehwinkel-Symposium in Berlin deutlich wurde.

Lesezeit: 5 Minuten

Der Agrarsektor muss sich in vielerlei Hinsicht ändern und wird sich ändern – dafür werden Klimawandel, neue Verbraucherwünsche und nicht zuletzt die Politik sorgen. Aber wie groß sollte die Rolle des Marktes und die des Staates für eine erfolgreiche Transformation sein? In diesem Punkt gingen die Meinungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Agrarökonomie beim diesjährigen Symposium der Rehwinkel-Stiftung gestern in Berlin doch auseinander.

Thiele: Wirtschaft beim Tierwohl schneller

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Nach Auffassung von Prof. Holger Thiele vom Kieler Institut für Ernährungswirtschaft (ife) sollte der Staat im Wesentlichen den politischen Rahmen und Mindestanforderungen definieren. Alles, was „on top“ komme, sei auch im Hinblick auf die Umsetzungsgeschwindigkeit in der Privatwirtschaft und im unternehmerischen Wettbewerb besser aufgehoben.

Thiele verweist hierzu auf die Debatte um den Umbau der Tierhaltung. Hier habe die Wirtschaft mit der Initiative Tierwohl längst geliefert, während der Staat bei der eigenen Tierwohlkennzeichnung noch lange nicht am Ziel sei. Der Kieler Milchmarktexperte wirft der Politik in diesem Zusammenhang vor, in solchen Fragen „zu zögerlich“ auf die Unternehmensseite zuzugehen, obwohl sich diese bei der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission schon weit bewegt hätten. Dabei könne die Wirtschaft zum Schutz höherer nationaler Standards beispielsweise gegen billige Importware wesentlich restriktiver vorgehen, als dies der Staat tun dürfe, gab Thiele zu bedenken.

Krüsken: Staat blockiert private Initiativen

DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken sieht allerdings momentan noch viel Reibungsverluste und regelrechtes Konfliktpotenzial zwischen politischer und Unternehmensseite. Er moniert, dass staatlicherseits beim Tierwohlumbau teilweise aktiver Widerstand gegen private Initiativen zu spüren sei, wohl auch, um solche wirtschaftsgetragenen Systeme auszuschließen. Das geht ihm zufolge jedoch in eine völlig falsche Richtung, da notwendige und gewollte Veränderungen so am Ende nur blockiert werden.

Spiller: Fehler vom Ausstieg aus Käfigeiern beim Tierwohl nicht wiederholen

Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundeslandwirtschaftsministerium, Prof. Achim Spiller, meint, dass die Wirtschaft durchaus die richtigen Impulse setzen kann. Der Ausstieg aus Käfigeiern sei schließlich damals von Discountern begonnen worden und der Staat sei lediglich nachgezogen. Der Wechsel sei allerdings auf Schaleneier beschränkt gewesen und habe den großen Bereich der Verarbeitungsware ignoriert.

Spiller befürchtet, dass sich ähnliche Entwicklungen beim Umbau der Nutztierhaltung wiederholen. Deshalb plädiert der Göttinger Agrarökonom durchaus für eine stärkere Rolle der Politik in solchen Fällen, zumal er davon ausgeht, dass die Transformation der Landwirtschaft in ihrer Dimension an die die digitale Revolution oder ähnliche Umbrüche heranreicht. Darüber hinaus machten die Bürger auch notwendige Veränderungen nicht immer ohne weiteres mit, wie Energie- und Mobilitätssektor anschaulich gezeigt hätten, so Spiller. Staatliche Vorgaben und Eingriffe seien deshalb mitunter doch notwendig.

Politik denkt in Legislaturen

Dass die Politik es in den vergangenen Jahren nicht geschafft hat, die ZKL- und Borchert-Vorschläge umzusetzen, obwohl volle Staatskassen und Niedrigzinsen eigentlich beste Voraussetzungen dafür boten, hat nach Einschätzung des WBAE-Vorsitzenden auch etwas mit Legislaturperioden zu tun. Keine Regierung wolle, dass sich der Vorgänger womöglich mit den Erfolgen der damals vereinbarten Konzepte schmücke. Deshalb tue sich die Politik oft schwer damit, solche Ergebnisse umzusetzen, wenn Wahlen oder Regierungswechsel vonstattengegangen seien.

Spiller kritisiert auch ein zu starkes „Ressortdenken“ zwischen den Ministerien BMELV und BMU hätten viele Jahre regelrecht gegeneinander gearbeitet. Der Agrarwissenschaftler wünscht sich deshalb mehr Kooperation und „Projektmanagement“ in diesen Bereichen.

Schmidt: Schuldzuweisungen helfen nicht weiter

Die Landjugendvorsitzende und Landwirtin Theresa Schmidt stellte allerdings klar, dass Schuldzuweisungen beim Tierwohlumbau nicht helfen. Sie setze auf dem Betrieb selbst aktiv Veränderungen um und probiere neues aus, ohne „Vorwürfe an den Opa“, der die Dinge damals auf dem Hof anders gehandhabt habe.

Laut Schmidt gilt das für viele ihrer jungen Berufskollegen. Das zeige auch die rege Beteiligung am aktuellen Berufswettbewerb der Landjugend. Dennoch drängt die BDL-Bundesvorsitzende auf Fortschritte beim Tierwohlumbau sowie auf Perspektiven und Planbarkeit. Ansonsten drohe auch bei den Junglandwirten ein Exodus.

Gebhardt: Transformation darf kein Luxus sein

Nach Überzeugung von Dr. Beate Gebhardt von der Universität Hohenheim braucht es bei derartigen Vorhaben eine gut abgestimmte Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft. Sie rät davon ab, Tierwohlumbau und andere Transformationsprojekten schlicht über Preisanhebungen umzusetzen, denn „Transformation darf kein Luxus sein“.

Gebhardt sieht die Rolle des Staates vor allem darin, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu setzen, damit Unternehmen ihren Part bei der Entwicklung nachhaltigerer Wirtschaftsformen übernehmen können.

Jaghdani: Weitere Krisen werden kommen

Dr. Tinoush Jamali Jaghdani vom IAMO warnt vor allzu großer Selbstsicherheit bei der Neuausrichtung der Landwirtschaft. Ihm zufolge kann beispielsweise heute niemand sagen, ob wegen der Fortschritte bei Kultiviertem Fleisch in Zukunft überhaupt noch Nutztierhaltung im bisherigen Umfang gebraucht wird.

Der Wissenschaftlicher rät ebenfalls dazu, bei allen Transformationsplänen die Krisenresilienz der Landwirtschaft nicht aus dem Blick zu verlieren. Jedenfalls können man nicht einfach davon ausgehen, dass nach dem Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine automatisch Ruhe und Wohlstand eintrete. Weitere Krisen würden kommen, kündigte Jaghdani an.

Steinbock: Umbau besser früh als spät

Ungeachtet dessen plädierte die Sprecherin des Vorstands der Rentenbank, Nikola Steinbock, für einen optimistischen Blick auf die Zukunft. Beim Tierwohlumbau sei der erste Schritt getan, weitere würden folgen. Auch die Transformation des gesamten Agrarsektors wird nach ihrer Auffassung gelingen, wenn Politik und Wirtschaft die notwendigen Schritte unternehmen.

Das sollte besser früher als spät geschehen, rät Steinbock, denn je zeitiger man beginne, desto weniger Verlierer werde es auf dem Weg geben.

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