Kaum ein Betriebszweig ist so kreativ, wie die Direktvermarktung. Ob Hofladen, Selbsternteflächen oder SoLaWi: Jeder landwirtschaftliche Betrieb hat seine eigene Vermarktungsstrategie. So auch das brandenburgische BürgerGut Börnicke und das Gut Paulinenwäldchen in Aachen. Sie setzen beide auf die sogenannte Patenschaft, bei der sich die Kunden direkt an der Landwirtschaft beteiligen können, indem sie bestimmte Patenobjekte vorfinanzieren.
Patenobjekte können Kühe, Hennen, Bäume, Ackerflächen oder Blühwiesen sein. Dafür, dass die Paten einen einmaligen Beitrag zahlen, erhalten sie Produkte wie Milch, Fleisch, Eier oder Obst. Oder es handelt sich um eine rein ideelle Unterstützung vonseiten der Paten, wenn sich der Betrieb beispielsweise besonders engagiert für Biodiversität und Tierwohl einsetzt.
Die Hühnerpatenschaften des BürgerGuts Börnicke
Das BürgerGut Börnicke ist ein als Genossenschaft organisierter landwirtschaftlicher Betrieb mit rund 100 ha gepachtetem Grün- und Ackerland. Vorstandsmitglied Luise Pastrik erzählt gegenüber top agrar, wie die Patenschaften ihre Legehennenhaltung nahezu vollständig finanzieren.
Das Gut startete 2014 als Verein mit einer 0,8 ha kleinen Streuobstwiese und einem selbst zusammengezimmerten Hühnermobil, in dem rund 200 Tiere Platz fanden. Bevor das Gründerteam um Luise Pastrik und Initiator Ludwig Seeger mit dem Bau des Mobilstalls begann, wollten sie das Projekt vorfinanziert haben. Also rührten sie die Werbetrommel, zeigten sich auf Märkten, in Facebookgruppen und auf Instagram, druckten Flyer, schalteten Anzeigen in der Lokalpresse und sprachen mit jedem, der ihnen begegnete. Die Arbeit war erfolgreich, alle Patenschaften waren verkauft. Die Erlöse finanzierten den Bau, die Tiere, und alle laufenden Kosten für die gesamte Legeperiode.
Weil das alte Hühnermobil bald zu klein wurde, investierten sie 2019 in einen 350er Mobilstall der Firma Weiland. Ein Viertel der ca. 80.000 € übernahm die EU, den Rest finanzierten sie durch Mitgliederdarlehen der Genossenschaft und über die Patenschaften.
Diese Form der Vermarktung hat uns in den ganzen Krisenzeiten gerettet.
Seit der Gründung lassen sie sich jede Legeperiode vorfinanzieren. Insgesamt 60.000 € können sie so pro Periode erwirtschaften. „Diese Form der Vermarktung hat uns in den ganzen Krisenzeiten gerettet. Gerade im Bio-Ei Sektor hat der Russland-Ukraine-Krieg bei vielen unserer Nachbarn stark eingeschlagen“, so Pastrik.
Die Eckdaten der Hühnerpatenschaften auf dem BürgerGut Börnicke
Eine Patenschaft läuft aktuell über 42 Wochen und kann je nach Legeleistung der Hennen verlängert werden. Nach der Legeperiode schlachten sie die Tiere und vermarkten sie als Suppenhühner.
Eine Periode kostet 149 €. Für einen Aufpreis von 9 € können Kunden die „Patenschaft Plus“ erwerben und die Aufzucht des Bruderhahns mitfinanzieren.
Von 316 Paten der aktuellen Periode nutzen 230 die Patenschaft Plus.
Sechs Eier pro Woche warten an drei Abholstandorten auf die Kunden. Fällt eine Marge aus, sorgt die Genossenschaft für Ersatz aus der Nachbarschaft.
Besonders zugute kommt dem Konzept die Lage im Speckgürtel Berlins. Die Abholstationen sind mit der Straßenbahn oder dem Bus gut zu erreichen. Die Wohngebiete in Börnicke und Umgebung wachsen stetig, besonders junge Familien zieht es in die Gegend.
Pastrik und ihr Team möchten, dass die Verbraucher der Region die Landschaft demokratisch mitgestalten können – deshalb gründeten sie die Genossenschaft. Den Großteil ihrer Ackerflächen haben sie in extensives Grünland umgewandelt, auf dem sie ihre Galloway-Rinder weiden lassen. Auf den Ackerflächen ernten sie das Futter für die Tiere. „Wir wollen einen Kontrast zu den Tausendhektarbetrieben hier in Brandenburg bilden“, erklärt sie. Bisher existiert keine richtige Hofstelle, sondern nur ein Wirtschaftsgebäude auf der Streuobstwiese. Dort befindet sich der Eierpackraum, das Lager und eine Kühlzelle für das Rindfleisch.
Ein Praktiker unterstütze das Gründerteam
Pastrik hat Ökolandbau und Vermarktung in Eberswalde studiert. Ihr Praxiswissen konnte sie dank eines Projektes der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL) e. V. vertiefen, das speziell an Junglandwirte gerichtet ist. Über zwei Jahre bekamen die BürgerGut-Gründer einen festen Mentor an die Seite gestellt, der ihnen Praktikerwissen vermittelte und sie mit anderen Betrieben vernetzte.
Inspiration erhielt sie auch über die Website BioFinanz Portal, auf der sich Landwirte über die Vor- und Nachteile, Erfolgsfaktoren und Beratungsangebote verschiedener Finanzierungsmodelle informieren können – darunter auch Tierpatenschaften.
Ausblick: Krisensichere Arbeitsplätze schaffen
Inzwischen haben sie mehrere Angestellte auf Minijob-Basis, auch Pastrik ist in Teilzeit angestellt. Der Betrieb trage sich wirtschaftlich, sagt sie, jedoch gebe es noch keine Möglichkeit für eine Vollzeitstelle. In Zukunft wollen sie weiter wachsen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Pastrik gibt einen Ausblick: „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ein zweites Hühnermobil kaufen. Auch um Krisensicherer zu werden: Denn, wenn in unserem einen Mobil der Totalausfall passiert, haben wir ja keine Ausweichmöglichkeiten.“
Die Ackerpatenschaften des Gut Paulinenwäldchen
Ein weiteres Beispiel für Patenschaften als Modell der Direktvermarktung ist das Gut Paulinenwäldchen in Aachen. Das bietet neben der Hühnerpatenschaft ein weiteres Mitmach-Konzept: Die Ackerpatenschaft. Der 130 ha umfassende Bioland-Betrieb setzt auf Rinder-, Schweine- und Legehennenhaltung und vermarktet seine Produkte über den Hofladen und einen Biokisten-Lieferservice.
„Ein Acker für dich“
Die Ackerpatenschaften folgen dem BahnCard-Konzept: Paten zahlen jährlich und erhalten eine Karte mit 50 % Rabatt auf hofeigenes Saisongemüse im Bioladen. Auch für die Online-Bestellung der Biokisten gilt das.
In zwölf monatlichen Raten à 29 € können Kunden einsteigen. Insgesamt zahlen sie also 348 € für die Ackerkarte. So steigt die Kundenbindung und mit ihr die Planungssicherheit für das Hofteam.
Jeden Freitag erhalten die Paten eine Rundmail mit Informationen über das Hofleben und das kommende Gemüseangebot im Hofladen. Ein Team von drei Personen stemmt das Marketing und die Kundenkommunikation über Newsletter, Social Media und E-Mail.
„Ein Huhn für dich“
Das Gut Paulinenwäldchen bietet für 14 € im Monat und 168 € im Jahr ebenfalls Hühnerpatenschaften an. Dafür bekommen die Kunden jede Woche eine variierende Menge Eier, abhängig von der Legeleistung der Hennen. Sie können die Eier wöchentlich im Laden abholen oder mit der Biokiste liefern lassen. Zu Beginn der Laufzeit erhalten sie den Zweinutzungshahn der Rasse Coffee and Cream als Brathähnchen und am Ende die Henne als Suppenhuhn.
Die Legeperiode dauert von Anfang Mai bis Ende April jeden Jahres – aktuell geht es für das Team also wieder ans Schlachten. Viele Paten wollen ihr Huhn gern behalten, erklärt Anja Clusmann, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit im Gutsteam kümmert.
Die PatInnen tragen so zu einer Landwirtschaft bei, die sich ohne Preisdruck auf das Wesentliche konzentrieren kann: nachhaltig und umweltbewusst hochwertige Lebensmittel zu produzieren.
Wie für die Ackerpaten gibt es für Hühnerfans ebenfalls einen Newsletter, der monatlich versandt wird. Er informiert über die Entwicklung und Legemengen der Hühner sowie die Besonderheiten der Zweinutzungsrasse. Jedes Jahr vergibt das Gut 200 Patenschaften. Eine wirtschaftlich tragende Rolle spielen sie „eher weniger“, so Clusmann. Der Sinn liege vielmehr in der Beteiligung der Kunden am Hofgeschehen und mehr Transparenz in der Tierhaltung. Clusmann ergänzt: „Die PatInnen tragen so zu einer Landwirtschaft bei, die sich ohne Preisdruck auf das Wesentliche konzentrieren kann: nachhaltig und umweltbewusst hochwertige Lebensmittel zu produzieren.“
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