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Edelpilze im Schweinestall

Wo früher noch Schweine wuchsen, sprießen heute Bio-Edelpilze. Eckard Janssen hat sich für eine Nische entschieden. Der Pilzanbau ist kein Selbstläufer, ermöglicht aber eine hohe Wertschöpfung.

Lesezeit: 5 Minuten

Bitte die Schuhe aus und die Latschen an“, sagt Eckard Janssen, bevor er über die Türschwelle in den Raum steigt. Die Wände und Spaltenböden lassen auf einen Schweinestall schließen. Der saubere, gekalkte Boden, die hohe Luftfeuchte und die Gitter verraten aber, dass hier keine Schweine mehr zuhause sind. Im Gegenteil: Seit über einem Jahr wachsen auf dem Grafthof von Eckard Janssen in Neuharlingersiel exotische Edelpilze.

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Mit dem Bio-Pilzanbau hat sich der Landwirt einer Nische verschrieben. „Geplant war das nicht“, sagt er. „Es kam mehr aus der Not heraus.“ Auslöser war eine Futtermittelvergiftung seiner 6.000 Mastschweine durch toxin- und salmonellenbelasteten Mais aus dem Ausland, weshalb der 31-Jährige vor zwei Jahren fast alle Schweine nottöten musste. Bis dahin gehörten außerdem 400 Sauen im geschlossenen System zum Grafthof. Zudem bewirtschaftet Janssen 250 ha Ackerland.

Der Pilzanbau ist Pionierarbeit. Erfahrungswerte gibt es kaum." - Eckard Janssen

Ein Neuanfang in der Schweinehaltung kam für die Familie nicht infrage. Die nötigen Investitionen dafür wären zu hoch gewesen. „Wir wollten weg von der Masse in die Nische“, sagt Janssen. Nachdem die Ställe ein Jahr leer standen, sind sie heute verpachtet – bis auf drei Abteile, die dem Pilzanbau gewidmet sind. Hier experimentierte der Landwirt zunächst hobbymäßig mit dem Anbau von Pilzen. Das Wissen zum Anbau hat er sich selbst angeeignet. Erfahrungswerte gibt es kaum. Unterstützung erhielt er von seinen Eltern, seiner Freundin sowie einem Pilzanbauberater. Nachdem erste Anbauversuche gelangen, entkernte, reinigte und sanierte der 31-Jährige die alten Stallabteile in Eigenleistung.

Vom Eingangsbereich aus, in dem sogar noch alte Spaltenböden liegen, geht es eine Stufe herunter in das Abteil, in dem die Pilzballen auf Rosten oder Mauern stehen. Acht Sorten, darunter der asiatische Shiitake oder der heimische Kräuterseitling, wachsen hier auf einer Fläche von insgesamt 300 m2

ANSPRUCHSVOLL IM ANBAU

Pilze brauchen ein organisches Substrat, in dem sich ihr Wurzelwerk ausbreitet, bevor sich der Fruchtkörper bildet. Einige Sorten wachsen auf einer Mischung aus Stroh und anderen or­ganischen Fasern wie Brennnesseln oder Miscanthus, andere ziehen Holz vor. Das Bio-Pilzsubstrat kann man nicht ohne Weiteres selbst herstellen. Deutschlandweit gibt es nur wenige Züchter. Die genaue Zusammensetzung ist Betriebsgeheimnis. Janssen bezieht es aus der Nähe von Frankfurt. In der Regel erfolgt pro Substratballen eine Ernte. „Danach pflügen wir es unter oder kompostieren es“, sagt er.

Jeder Pilzsammler weiß, dass Pilze in der Natur nur sprießen, wenn Feuchte und Temperatur stimmen. Wer das ganze Jahr über ernten will, muss ideale Bedingungen bieten. „Pilze sind schnellwachsend. Änderungen in der Umgebung machen sich sofort bemerkbar.“

Pilze sind schnellwachsend. Änderungen in der Umgebung machen sich sofort bemerkbar.“ - Eckard Janssen

Für den Pilzanbau benötigt man eine keimfreie Umgebung. Eine Luftfeuchte von 90 % ist nötig, damit die Pilzballen nicht austrocknen. Die Temperatur liegt bei ca. 15 °C. Das bläuliche Licht im Stall soll die Fruchtkörperbildung anregen. Durch das Heizen, Kühlen, Desinfizieren und Reinigen ist der Energieverbrauch enorm hoch.

300 KG ERNTE PRO WOCHE PER HAND

Pilzanbau bedeutet Handarbeit. Janssen beschäftigt insgesamt drei Arbeitskräfte in Teilzeit für den Anbau und Verkauf. Geerntet wird an sieben Tagen die Woche. Die Mitarbeiter trennen jeden Pilz mit einem Skalpell ab. „Welche von ihnen erntereif sind, bestimmen die Mitarbeiter per Augenmaß.“ Die Erntemenge liegt bei 300 kg pro Woche. Und das ist mehr als es klingt. Denn ein Pilz hat zwar viel Volumen, aber kaum Gewicht.

Nach der Ernte werden die Pilze sortiert und verpackt, ehe sie wenige Stunden später auf dem Weg zu Märkten und Restaurants sind. Erhältlich sind die Pilze für rund 24 € pro kg. Marktbeschicker und Großhändler kaufen die Ware für etwa die Hälfte zum Wiederverkauf ein. Neben Frischware bietet Janssen getrocknete Pilze an. Seit Kurzem verkauft er außerdem Pilzbrühe und Pilzsuppe in Kooperation mit einem Koch aus der Region.

Den Pilzanbau ließ Janssen nach einigen Monaten nach EU-Bio-Standards zertifizieren. „Am Anbau hat sich nichts geändert. Die Pilze waren immer unbehandelt, aber die Nachfrage nach Bioware war groß.“

VERMARKTUNG KEIN SELBSTLÄUFER

So anspruchsvoll, wie Pilze im Anbau sind, ist auch ihre Vermarktung. Ursprünglich setzte der Junglandwirt auf die gehobene Gastronomie als Hauptabnehmer – bis wegen Corona viele Restaurants ihren Betrieb einstellten. Teilweise musste er mehrere Hundert Kilo Pilze entsorgen.

Um sich von der günstigen Konkurrenz aus dem Ausland abzuheben, setzt er auf Produktvielfalt, Regionalität und Stammkundschaft. Janssen besuchte jeden Gastronom persönlich. Mittlerweile gehen 50 % der Pilze an Märkte, die andere Hälfte an Bioläden, regionale Supermärkte und Restaurants. „Gastronomen verzeichnen eine wachsende Nachfrage nach fleischlosen Gerichten, wofür sich Pilze gut eignen.“

VERGRÖSSERUNG IN PLANUNG

Auch überregional steigt das Interesse. „Wir verschicken Ware bis nach Süddeutschland, weil es dort kaum Edelpilze gibt.“ In Zukunft ist an der Hofstelle zudem ein Verkaufsautomat geplant, um Angebote für die Laufkundschaft zu schaffen. Dennoch sind Edelpilze ein Nischenprodukt: Der Pilzkonsum der Deutschen liegt pro Kopf und Jahr zwar bei knapp 2 kg, Edelpilze machen aber nur einen kleinen Teil davon aus.

Mittlerweile hat der Grafthof Mühe, der wachsenden Nachfrage standzuhalten. Da sich der Betriebszweig selbst trägt, will der Landwirt die Anbaufläche auf 600 m2 verdoppeln. Eine Genehmigung zum Umbau des alten Getreidelagers läuft derzeit. Nach dem abrupten Ausstieg aus der Schweinehaltung hatte Janssen zunächst provisorisch mit dem Pilzanbau begonnen. Insgesamt investierte er 80.000 € in Umbau und Vermarktung. Künftig will er die Anbaubedingungen optimieren und die Kosten senken. Die Pilze sollen in einem ebenerdigen Gebäude mit hohen Wänden und gedämmtem Dach wachsen.

Nachahmer hat der 31-Jährige bisher kaum, auch wenn sich viele seiner Berufskollegen für den Betriebszweig interessieren. Neueinsteiger scheitern oft schon daran, Substratlieferanten zu finden. Die meisten Lieferanten achten darauf, dass ihre Kunden eine Art Gebietsschutz haben. So ist Janssen der einzige Edelpilzanbauer in Ostfriesland.

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