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Ärger um Nasenring: Landwirt soll Strafe zahlen

Eine Kuh mit Saugentwöhner ist Anlass für eine saftige Geldbuße. Bei Zuchtbullen sind Nasenringe gelebte Praxis. Was ist denn nun erlaubt?

Lesezeit: 5 Minuten

Dieser Beitrag erschien zuerst beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Ein Milchkuhhalter aus Hennef im Rhein-Sieg-Kreis ist erschüttert: Er soll bis zu 5000 € Strafe zahlen. Warum? Weil seine erstlaktierende Kuh einen Nasenring trug, als sie am Schlachthof ankam. Dieser war durch die Nasenscheidewand eingekniffen. Laut § 6 des Tierschutzgesetzes ist das verboten (siehe Kasten). So steht es in dem Schreiben, das der Landwirt Anfang August vom Veterinär­amt aus dem Kreis Olpe erhalten hat.

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Nasenring, weil Kuh saugt

„Im Mai ist mir aufgefallen, dass die Kuh andere Tiere besaugt“, sagt der Landwirt. Deshalb hat er ihr ­einen Nasenring mit Plastikzacken durch die Nasenscheidewand eingekniffen. Nachdem das Rind am 1. Juli gekalbt hatte und das Besaugen nicht bleiben ließ, musste es die Herde am 20. Juli verlassen.

So weit, so gut. Das Tier ging zum Schlachthof. Dann kam das Schreiben des Veterinärs. Der Milchviehhalter verstand die Welt nicht mehr: „Ich habe meinen ­Tierarzt und meinen Viehhändler ange­rufen, mit der Zuchtorganisation gesprochen und auch beim Vete­rinäramt nachgefragt“, sagt er. ­„Keiner konnte mir konkret sagen, was rechtens ist.“

Dr. Frank Greshake von der Landwirtschaftskammer NRW klärt auf: „Saugentwöhner, die die Nasenscheidewand oder die Oberlippe durchdringen, sind grundsätzlich verboten.“ Der Grund: Das Einziehen von Nasenringen verursacht unnötig Schmerzen und kann die Tiere stark beim Fressen, Trinken oder Lecken behindern. Er sieht saugende Tiere aber durchaus als Problem.

Das sagt das Tierschutzgesetz

Die gesetzliche Grundlage für das Einziehen von Nasenringen ist das Tierschutzgesetz. In § 6 heißt es: „Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres.“ Ausnahmen sind aufgeführt, das Einziehen von Nasenringen gehört allerdings nicht dazu.

Die Unfallverhütungsvorschrift Tierhaltung (VSG 4.1) der Sozialver­sicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau enthält Bestimmungen für den Umgang mit ­Bullen. § 10 Abs. 1 besagt: „Der Unternehmer muss sicherstellen, dass Deckbullen, die geführt werden, spätestens im Alter von zwölf Monaten geeignete Nasenringe eingezogen werden. Das ständige Anbinden nur an Nasenringen ist unzulässig.“ Zusätzlich ist ein Hinweis aufgeführt, dass Nasenringe bei Bullen notwendig sind, die ­geführt werden. Zum Beispiel in Zuchtstationen, in Anbindehaltung oder bei Bullen, die auf Tierschauen und -auktionen vorgeführt werden. Nasenringe müssen aus nicht rostendem Stahl bestehen.

Jeder Rinderhalter wird es kennen: Das besaugte Tier kann nachhaltige Schäden am Euter davontragen. Beispielsweise kann sich ein Viertel entzünden, bevor das Rind überhaupt in Milch ist. Nicht selten geben solche Kühe später nur auf drei Vierteln Milch. Greshake rät daher zu Saugstoppern aus Kunststoff mit verstellbarer Schraube.

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in NRW ergänzt: Mutterkühe, die sich dauerhaft gegenseitig be­saugen, sollten von der Zucht ausgeschlossen werden. Denn der Grund für das Verhalten sei genetischen Ursprungs. Tritt das Besaugen vermehrt auf, sollten Landwirte die Aufzuchtbedingungen optimieren. Hilft das nicht, kann ein offener Saugstoppring, der die Nasenscheidewand einklemmt, mit nach außen stehenden Stacheln für eine begrenzte Zeit helfen.

„Der Einsatz ist nur gerechtfertigt, wenn sämtliche Vorbeugemaßnahmen erfolglos waren“, heißt es vom LANUV. An der Nasenscheidewand können leicht schmerzhafte Drucknekrosen entstehen. Weder am besaugten noch am saugenden Tier darf es zu Verletzungen kommen.

Das gilt für Bullen

In einer anderen Liga spielen Zuchtbullen. Denn bei ihnen ist das Einziehen eines Nasenrings durch die Nasenscheidewand aus Sicht des Arbeitsschutzes notwendig – zumindest laut Unfallverhütungsvorschrift (siehe Kasten). Corinna Niemeier von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) erklärt, warum: „Zum einen ist diese Vorschrift ein autonomes Recht der Unfallversicherer und damit bindend für Versicherte. Trotzdem darf es den Gesetzen nicht widersprechen.

Zum anderen haben Nasenringe bei Bullen eine historische Entwicklung durchlebt: Unter früheren Haltungsbedingungen waren sie üblich und schwer verzichtbar für den Umgang zwischen Mensch und Tier“, sagt sie.

Heutzutage haben sich die Haltungsformen verändert und Tierwohl hat eine höhere Bedeutung bekommen. Im novellierten Regelwerk wurde das zum 1. April 2021 berücksichtig. Was geblieben ist: nur noch Bullen, die älter als zwölf Monate sind und geführt werden, müssen laut SVLFG einen Nasenring tragen. „Diese wider­streitenden Interessen sind allen Beteiligten bewusst und mögliche Lösungen zurzeit in der Diskussion“, heißt es vom LANUV.

Der betroffene Milchkuhhalter hatte auf das Schreiben des Veterinäramts im August geantwortet und erklärt, warum seine Kuh einen Nasenring trug. Bis heute hat er noch keine Rückmeldung darauf bekommen, ob er tatsächlich eine Geldbuße ­zahlen muss.

Kommentar: Klarheit schaffen!

Die Situation zu Nasenringen bei Rindern ist vertrackt: Wir haben Veterinär­ämter, LANUV, SVLFG, Landwirtschaftskammer und Tierseuchenkasse gefragt. Niemand konnte oder wollte die konkrete Gesetzeslage erklären. Der eine verweist auf den anderen. Aber allen ist bewusst, dass Tierschutzgesetz und Unfallverhütungsvorschrift im Zielkonflikt stehen. Ob es nun erlaubt ist, dass Zuchtbullen einen Nasenring tragen – das bleibt unbeantwortet.

Aus Sicht der Praxis darf das nicht sein! Die Institutionen sind gefordert, Klarheit zu schaffen. Laut § 1 des Tierschutzgesetzes darf Niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Womöglich zählt das Verhindern von gegenseitigem Besaugen aus wirtschaftlichen Interessen nicht als einer. Aber sollte der Schutz des Menschen beim Umgang mit Deckbullen nicht ein „vernünftiger Grund“ sein?

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