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Klimawirkung von Milchkühen: Methan-Ausstoß kennen und reduzieren

Die Klimawirkung von Milchkühen ist in der Diskussion. Auch der Handel könnte zukünftig einen Nachweis fordern. Wie lassen sich Emissionen im Betrieb bilanzieren und reduzieren?

Lesezeit: 7 Minuten

Unser Autor: Dr. Philipp Mennig, Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe, TU München, Campus Weihenstephan

In einer Befragung von 57 deutschen Molkereien, an der die Hochschule Osnabrück, das Thünen-Institut und die Landwirtschaftskammer Niedersachsen beteiligt waren, gaben 21 der antwortenden Unternehmen an, den Treibhausgas (THG)-Ausstoß ihrer Milcherzeuger bereits zu bilanzieren. Die Mehrheit der befragten Milchverarbeiter geht davon aus, dass der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) die Ausweisung eines produktspezifischen CO2-Fußabdrucks innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre zu einer Lieferbedingung macht. Milchviehhalter sollten sich nicht zuletzt deshalb mit dem Thema Klimabilanzierung befassen.

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Denn rund 77% der landwirtschaftlichen Methan-Emissionen fallen auf die Verdauung von Wiederkäuern zurück. Davon sind 95% auf die Rinder- und Milchviehhaltung zurückzuführen. Die THG-Emissionen beruhen größtenteils auf natürlichen Prozessen. Nichtsdestotrotz muss auch die Landwirtschaft klimafreundlicher wirtschaften. Um das im Bundes-Klimaschutzgesetz verankerte Klimaziel zu erreichen, muss der Sektor Landwirtschaft die Emissionen bis 2030 gegenüber dem Berichtsjahr 2019 um rund 18% reduzieren. Der Zielwert liegt bei 56 Mio. t CO2-Äquivalenten (CO2eq). Dieser Wert bezieht die von der Landwirtschaft verursachten THG-Emissionen mit ein, die in der nationalen Emissionsberichterstattung in anderen Branchen (z.B. Treibstoffnutzung oder Wärmeerzeugung) bilanziert werden. Weitere in anderen Sektoren verbuchte, ursächlich aber landwirtschaftliche Emissionen, werden nicht berücksichtigt. Dazu gehören z.B. die landwirtschaftliche Nutzung von entwässerten Mooren oder die Herstellung von Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln.

Treibhausgase aus der Landwirtschaft

Wie lassen sich die ambitionierten Klimaziele erreichen? Diese Frage versuchen Forscher fieberhaft zu beantworten.

Laut Zahlen des Umweltbundesamts für das Jahr 2020 lassen sich landwirtschaftliche THG-Quellen klar identifizieren. Demnach sind für rund 93% aller THG-Emissionen in der Landwirtschaft drei Bereiche verantwortlich:

  • 40,4%: Bei der Bodennutzung (inkl. Düngung) wird das THG Lachgas (N2O) freigesetzt.
  • 38,4%: Bei Verdauungsprozessen von Wiederkäuern entsteht Methan (CH4).
  • 14,3%: Beim Wirtschaftsdüngermanagement entweichen durch Umwandlungsprozesse Lachgas und Methan entweichen.

Nur 4,4% der Gesamtemissionen des Sektors machen Kohlendioxid (CO2)-Emissionen aus: Sie entstehen bei der Kalkung, der Anwendung von Mineraldünger in Form von Harnstoff und aus anderen kohlenstoffhaltigen Düngern. Die Nutzung von entwässerten Mooren oder Grünlandumbrüche spielen aber bei der einzelbetrieblichen THG-Bilanzierung eine Rolle.

Wie Emissionen berechnen?

Die Gase Methan und Lachgas übersteigen in ihrer Klimawirkung Kohlenstoffdioxid und bilden hauptsächlich den THG-Fußabdruck landwirtschaftlicher Produkte.

Die bedeutendste Methanquelle ist die sogenannte enterische Fermentation, also der Verdauungsprozess der Wiederkäuer. Rinderhalter schneiden deshalb schlechter ab als Ackerbauern, Schweine- oder Geflügelmäster oder als Legehennenhalter. Um die Gesamtemissionen zu verringern, steht Landwirten einige Maßnahmen zur Verfügung (siehe Übersicht Seite R16). Um zu ermitteln, was sich betriebsindividuell eignet und mit welchen Einsparmengen zu rechnen ist, bieten sich THG-Rechner an. Diese nutzen zunehmend auch Molkereien, um den CO2-Fußabdruck ihrer Milcherzeuger zu erfassen.

Die meisten verfügbaren THG-Rechner sind sehr komplex. Das erschwert die Handhabung bzw. die Interpretation der Ergebnisse, wenn kein Hintergrundwissen vorhanden ist. Grundsätzlich gilt: Je detaillierter Landwirte die Produktionsprozesse im THG-Rechner abbilden, desto näher kommt der errechnete Wert dem tatsächlichen Emissionsgeschehen. Ein Schätzwert wird das Ergebnis dennoch bleiben. Denn naturgemäß lassen sich THG, die bei landwirtschaftlichen Produktionsprozessen entstehen, nicht direkt messen. Verschiedenen Produktionsschritten werden deshalb Emissionsfaktoren zugeordnet.

Eine kostenfreie, aber zeitintensive Möglichkeit, um den betrieblichen CO2-Fußabdrucks zu berechnen, bietet eine Anwendung des KTBL. Eine weitere kostenfreie, zudem einfach handhabbare deutschsprachige Anwendung bietet die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL): IDB.THG-Tool. Es baut auf den Online-Deckungsbeitragsrechnern der LfL auf und berücksichtigt Emissionsfaktoren regionaler Gegebenheiten und Bewirtschaftungsweisen in Süddeutschland. Das IDB.THG-Tool bezieht außerdem die THG-Emissionen der Produktion sowie die vorgelagerten THG-Emissionen aus der Herstellung der eingesetzten Betriebsmittel ein und endet am Hoftor. Die Emissionen des Gesamtbetriebs kann das Instrument nicht berechnen, da die Bewertung auf Basis einzelner Produktionsverfahren (z.B. Milch, Fleisch, Silomais) erfolgt. Berater arbeiten außerdem häufig mit den Tools TEKla und AgriClimateChange.

Wie Emissionen mindern?

Da sich die Berechnungsmethoden der verschiedenen THG-Rechner unterscheiden, sind die Ergebnisse nur bedingt miteinander vergleichbar. Alle sind jedoch in der Lage, die wesentlichen betrieblichen Emissionsquellen zu identifizieren.

Im Mittel kommen sie zu ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks. Dieser liegt für 1 kg energiekorrigierter Milch in Deutschland durchschnittlich bei etwa 1 kg CO2-Äquivalenten. Die Schwankungsbreite ist allerdings groß, was auf betriebsindividuelle THG-Reduktionspotenziale schließen lässt. Spitzenbetriebe erreichen Werte von 0,6 kg CO2eq, Betriebe am Ende der Skala weisen Werte von bis zu 2 kg CO2eq auf. Zu berücksichtigen ist bei diesen Angaben und möglichen THG-Vermeidungsstrategien, dass natürliche Standortfaktoren, zum Beispiel Boden-Klimaraum, Bodentextur oder organischer Kohlenstoffgehalt, den THG-Ausstoß erheblich beeinflussen können.

Konventionell versus Bio

Internationale Studien zeigen ähnliche Werte zum CO2-Fußabdruck von modernen Milchviehbetrieben wie deutsche Studienergebnisse. Wissenschaftler kommen außerdem zu dem Ergebnis, dass konventionelle und ökologische Betriebe je Produkteinheit gleich hohe Mengen an THG ausstoßen. Im Hinblick auf die Vermeidung von THG scheinen eine effiziente N-Düngung, eine optimierte Fütterung ohne Verluste und die Lebenstagsleistung entscheidender zu sein als die Bewirtschaftungsform.

Eine Untersuchung der LfL hat gezeigt, dass sich diese allgemein gehaltenen Maßnahmen als Instrumente erwiesen haben, mit denen Milchviehhalter Klimaschutzziele und ökonomische Interessen gleichzeitig verfolgen können. Detailliertere, in den betrieblichen Kontext passende Maßnahmen sind bezüglich ihrer Wirkung nach wie vor Gegenstand intensiver Forschung. Kaum erforscht sind außerdem mögliche Verdrängungseffekte und Wechselwirkungen von THG-Reduktionsmaßnahmen mit ökonomischen, weiteren ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsindikatoren. Grundsätzlich gilt, dass die land- und tierbasierte Herstellung von Lebensmitteln nicht emissionsfrei ablaufen kann. Das betrifft auch für pflanzliche Milchalternativen.

Dennoch werben Hersteller von veganen Milchersatzprodukten wie Hafer-, oder Sojadrinks mit geringeren THG-Emissionen im Vergleich zu Kuhmilch. In der Tat schneiden Pflanzendrinks in dieser Kategorie deutlich besser ab als Kuhmilch, was am fehlenden verdauungsbedingten Methanausstoß liegt. Selbst wenn die Verarbeitungsprozesse und die unterschiedlichen Nährwerte berücksichtigt sind, fallen bei der Herstellung von pflanzlichen Milchalternativen rund ein Drittel weniger THG an. Manche Studien berichten sogar von bis zu zwei Dritteln. Ein Argument für Kuhmilch ist aber die Verwertung des für die menschliche Ernährung nicht verwertbaren Grünlands. Das Verfüttern eines hohen Anteils von Grünland als Grundfutter und die Verwertung von für die menschliche Ernährung nicht verwertbaren Reststoffen, wie zum Beispiel Biertreber, finden in der Forschung derzeit viel Beachtung.

Kommentar

Methan, Kühe und der Klimawandel:Der hohe Methanausstoß von Rindern sowie der gesamte Methanausstoß der Landwirtschaft sind Gegenstand vieler Debatten. In dem Zusammenhang ist u.a. der Klimaforscher Myles Allen von der Universität Oxford zu hören. Er stuft die verdauungsbedingten Methan-Emissionen von Wiederkäuern im Falle von in etwa gleichbleibenden Viehzahlen als nicht mehr klimawirksam, also unproblematisch ein. Der Wissenschaftler argumentiert damit, dass biogenes Methan ein Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs ist, in der Atmosphäre rasch zerfällt und als Kohlenstoff wieder von Pflanzen und schließlich vom Wiederkäuer aufgenommen wird. Konstante bzw. leicht rückläufige Viehbestände würden das Klima demnach also nicht zusätzlich erwärmen. Noch sind sich die Wissenschaftler allerdings nicht einig, ob dieser Ansatz haltbar ist. Knackpunkt ist der bisher nicht vollständig entschlüsselte Methankreislauf: Methan zerfällt in der Atmosphäre innerhalb von zwölf Jahren. Allerdings entsteht dabei u.a. eine gewisse Menge CO2, das wiederum erst nach bis zu 1000 Jahren in der Atmosphäre abgebaut wird. Problematisch bleibt zudem die im Vergleich zu CO2 höhere Klimawirkung von Methan sowie ein der Landwirtschaft eingeräumtes „Verschmutzungsrecht“ mit dem historische Emissionen zukünftige rechtfertigen würden. Bestätigt sich die These von Allen, so bietet sich der Landwirtschaft durch starke Verringerung von Methanemissionen die Chance, zur Kühlung des Planeten beizutragen.

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