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topplus Virtuell eingezäunt

Pilotprojekt in den Niederlanden: Virtueller Weidezaun für Milchkühe

Imaginäre Zäune per App ziehen und mit Halsbändern die Herde auf der Weide steuern: Das ist in Deutschland nicht erlaubt, aber in den Niederlanden. Dort testet ein Milcherzeuger das System.

Lesezeit: 6 Minuten

Bis vor zwei Jahren verbrachte ­Gerard Mul aus Warmond (Niederlande) in der Weidesaison etwa anderthalb Stunden pro Tag damit, Kühe nachzutreiben und Zäune zu ziehen. Der Bio-Milchviehhalter mit 70 Kühen kombiniert Melkroboter mit maximalem Weidegang nach dem sogenannten ABC-System: Alle acht Stunden bekommen die Kühe einen neuen Streifen Weidegras, den sie nur über den Melkroboter erreichen können.

„Das Weidesystem funktioniert gut, aber ich musste immer zu bestimmten Zeiten zu Hause sein oder eine Vertretung organisieren“, sagt der Landwirt. Besonders der Aufbau der Weidezäune war zeitaufwendig.

Arbeitszeit reduziert

Doch das Schleppen von Zaunpfählen und Litzen gehört für Gerard Mul jetzt der Vergangenheit an. Auch muss er nicht mehr mehrmals täglich einzelne Kühe von der Weide zum Roboter zu treiben. Denn seinen Hof „Boerderij Boterhuys“, den er zusammen mit seiner Frau Mieke bewirtschaftet, dient seit zwei Jahren als ­Testgelände für das niederländische Unternehmen „Collie“.

Das hat ein drahtloses Weidezaun­systeme entwickelt. Gründer und Inhaber sind der Niederländer Daniel Reisman sowie Chris Bloomfield aus Neuseeland, wo vir­tuelle Zaunsysteme schon länger auf dem Markt sind. In Deutschland ist es nicht erlaubt, siehe Seite R 27 „Wegen Tierschutzgesetz – In Deutschland so noch nicht ­erlaubt“.

Reisman erklärt die Funktionsweise: „Grundlage ist ein Transponder, der mit einem Band am Hals der Kuh befestigt wird. Der misst die Aktivität und ist mit GPS ausgestattet. So lässt sich jedes Tier orten. Der Transponder kann zudem Pieptöne und Vibrationen an die Kuh senden und kann auch zur Brunsterkennung verwendet werden.

Kühe per App treiben

Per Smartphone-App kann Landwirt Gerard Mul jetzt unsichtbare Begrenzungen setzen. So markiert er eine Fläche, auf der die Kühe weiden sollen. Wenn die Kühe den virtuellen Draht überqueren, sendet der Transponder einen Piepton. Dieser Ton wird lauter, je länger das Tier den virtuellen Zaun überquert. Wenn die Kuh weiterläuft, erhält sie schließlich einen leichten Stromstoß. „Die Kühe lernen sehr schnell, dass der Piepton eine Warnung ist, und das hält sie innerhalb der virtuellen Parzelle“, sagt Daniel Reisman. Nach nur wenigen Tagen verstehen die Tiere bereits, wie es funktioniert.

Mit einer Vibrationsfunktion im Transponder lassen sich die Tiere dazu animieren, in den Stall oder auf eine ­bestimmte Weideparzelle zu gehen. Auch das muss trainiert werden, indem die Kühe beim Treiben die Vibration zu spüren bekommen. Firmengründer Reisman ist überzeugt: „Wenn die Kühe mit Melken, schmackhaftem Futter im Stall oder einer frischen Weide belohnt werden, lernen sie innerhalb einer Woche, dass eine Reaktion auf die Vibration eine Belohnung bringt. Dann lässt sich der Zaun zum Treiben von Kühen nutzen.“ Weil das alles per GPS und App funktioniert, muss der Landwirt dann nicht vor Ort sein.

Darüber hinaus kann das virtuelle Zaunsystem Collie mit dem Melkroboter kommunizieren. So kann man auch einzelne Kühe oder kleine Gruppen dazu animieren, in den Stall zu gehen, wenn sie zu lange nicht gemolken worden sind. Dafür müssen die Kühe zusätzlich trainiert werden.

Zukünftig soll diese Zusatzfunktion mit jedem AMS-Modell funktionieren. Doch bisher wird das nur beim Lely-Roboter von Gerard Mul angewendet. Er ist begeistert. „Trotz unseres ABC-Weidesystems blieb die Anzahl der Melkungen pro Kuh bei durchschnittlich 2,1 hängen. Seit wir mit der „Pick-up-Funktion“ arbeiten, hat sich diese Zahl auf durchschnittlich 2,6 erhöht, während die Kühe immer noch viel Weidegang haben“, sagt er. Die Kühe reagieren seiner Erfahrung nach auf die Treibe-Funktion der Halsbänder ruhig und weniger gestresst als z. B. beim Nachtreiben per Quad.

Weniger Strom als am Zaun

Der Unternehmensname „Collie“ ist kein Zufall. „Unser System funktioniert wie ein Hütehund, der die Weidefläche für eine Herde abgrenzt und die Tiere dorthin treibt, wo der ‚Hirte‘ bzw. Landwirt sie haben will“, erklärt Daniel Reisman. Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass das Steuern von Kühen per App und mit Stromimpulsen negativ wahrgenommen werden kann: „Deshalb laden wir gerne Vertreter von Tierschutzorganisationen ein, um sich das anzusehen. Sie kommen oft sehr skeptisch, sind dann aber begeistert.“

Der Stromschlag, den die Kühe vom virtuellen Zaun erhalten, sei mit 0,2 Joule deutlich geringer als bei einem herkömmlichen Weidezaun mit mindestens 3 Joule. Zudem würden die Kühe vorher gewarnt und haben so die Möglichkeit, den Schock zu vermeiden.

Die Assoziation mit einem in den meisten Ländern verbotenen Halsband zur Korrektur von Hunden, hält Reisman deshalb für falsch: „Damit kann man dem Tier ohne Vorwarnung und wiederholt einen Schock versetzen. Bei unserem virtuellen Zaun steuert aber nicht der Landwirt selbst den Stromimpuls, sondern das System. Und zwar erst, nachdem die Kuh ausreichend Zeit hatte, zu reagieren“, erklärt er.

Ab 2025 auf dem Markt

In diesem Jahr will das Unternehmen seinen virtuellen Zaun bei fünf weiteren Betrieben testen. Im nächsten Jahr soll es in den Niederlanden und Belgien den Markt kommen. Denn dort ist das System erlaubt – anders als in Deutschland.

Der virtuelle Zaun hat seinen Preis: Stand heute zahlen Rinderhalter 100 €/Kuh und Jahr als Miete. Der Kaufpreis liegt bei 400 €/Kuh plus Service-Gebühr von 50 €/Kuh und Jahr. Jeweils hinzu kommen 20 €/Kuh und Jahr für die Melkroboter-Zusatzfunktion. Im Preis enthalten ist eine Garantie auf die Halsbänder von acht Jahren, Reservehalsbänder sowie Service und Support.

Das Interesse aus der Praxis am ­virtuelle Zaunsystem für Kühe ist laut den Gründern Reisman und Bloomfield groß: „Für dieses und nächstes Jahr ­haben wir 23 Systeme vermarktet und sind damit ausverkauft. Für 2026 planen wir mit bis zu 100 Systemen, wobei schon mehr als 20 reserviert sind.“

Zuerst erschienen in Veeteelt, von Wichert Koopman

In Deutschland so noch nicht ­erlaubt!

In Deutschland ist der Einsatz eines virtuellen Zaunsystems bei Rindern so nicht erlaubt. Grund ist das Tierschutzgesetz, das in §3 den Einsatz von Geräten verbietet, mit denen Tieren direkte Stromimpulse gegeben werden können. In den Niederlanden oder Belgien ist das Gesetz an der Stelle konkreter und verbietet den Einsatz „bei Hunden“ – weshalb der virtuelle Zaun für Rinder dort möglich ist.

Doch die Vorteile von virtuellen Rinderzäunen liegen auf der Hand. Insbesondere zum Abtrennen von einzelnen Weideabschnitten. Das belegen auch die Ergebnisse des Projekts „Green­Grass“. Dabei untersuchten Forscher der Universität Göttingen wie sich ein nicht sichtbarer Zaun im Vergleich zu einem klassischen Zaun auf das Verhalten von je zwölf Rindern auswirkt.

Ergebnis: Die Tiere lernten schnell, auf die akustischen Signale zu reagieren. Die Wirkung von Stromimpulsen war in beiden Gruppen vergleichbar. Das Einteilen von Weideparzellen funktioniert effektiv. Und es wurden keine negativen Effekte auf die Aktivität oder das Verhalten der Rinder festgestellt.

Ob virtuelle Weidezaunsysteme für Rinder künftig auch in Deutschland nutzbar sein werden, bleibt aber abzuwarten.

Ihre Meinung ist gefragt

Was halten Sie von der Idee eines virtuellen Weidezauns? Würden Sie das auf Ihrem Betrieb nutzen - wenn es erlaub wäre? Finden Sie es gerechtfertigt, dass dies so in Deutschland nicht erlaubt ist?

Schreiben Sie mir gerne Ihre Meinung an anke.reimink@topagrar.com Wir behalten uns vor Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

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