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Vom Anbindestall zum Melkroboter – so klappt die Umstellung

Die direkte Umstellung vom Anbindestall zum Melkroboter ist ein großer Schritt für Kühe und ihre Halter. Wie die Umstellung gelingt, erklärt Agrarberaterin Ulrike Stibbe im Interview.

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Interview mit Ulrike Stibbe, Agrarberaterin bei Koesling Anderson.

Der Umstieg vom Melken im Anbindestall zu einem automatischen Melksystem (AMS) ist nicht nur für die Kühe eine große Umstellung. Wie können sich Landwirte darauf vorbereiten?

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Stibbe: Ich vergleiche das gerne mit dem Umstieg von einem Fahrrad zum Porsche. Das geht auch nicht ohne Führerschein und Erfahrungen. Schließlich wird der Entwicklungsschritt „Melkstand“ komplett ausgelassen. Mit einer automatischen Abnahme haben die Betriebsleitenden noch nicht gearbeitet. Für viele ist die neue Technik noch ungewohnt. Ich rate den Landwirtinnen und Landwirten daher, sich mit AMS-erfahrenen Berufskollegen auszutauschen und dort vier bis fünf Stallzeiten mitzuarbeiten. Das ist dann wie eine kleine Fahrstunde vorab und kann den Stress am Einmelktag deutlich reduzieren.

Welche Tipps haben Sie, um sich für ein Fabrikat zu ­entscheiden?

Stibbe: Vor allem kommt es auf den Service an. Wichtiger als ein Händler im Nachbarort ist eine rund um die Uhr erreichbare Hotline mit kompetenten Fachleuten. Denn nicht immer muss bei einer nächtlichen Störung ein Techniker rausfahren. Oft reicht telefonische Hilfe aus, um ­zumindest weitermelken zu können. Zudem ist die AMS-Wahl immer eine Typfrage. Arbeite ich lieber mit einem sensor­basierten Kontrollsystem oder binde ich die Tierkontrolle in meine tägliche Routine ein? Letztendlich ­haben die unterschiedlichen Fähigkeiten der Maschinen auch ihren Preis. Landwirte sollten sich deshalb fragen, ob sie den Mehrwert, den sie sich einkaufen, auch wirklich nutzen.

Rechnet sich ein AMS auch mit bzw. ohne Aufstockung?

Stibbe: Ob die Herde wächst oder nicht, in der Regel zählen ökonomische Gründe nicht zu den Vorteilen eines Melkroboters – im Gegenteil. Die Automatisierung der Melktechnik kostet etwa 2,36 ct/kg energiekorrigierter Milch bei voller Auslastung. Das zeigt eine Auswertung der DLG-Spitzenbetriebe. Unserer Erfahrung nach bewegt sich dieser Wert zwischen ein bis drei Cent. Um die Mehrkosten zu decken, müssen die Kühe mithilfe der höheren Melkfrequenz etwa 10 % mehr Milch geben. Der Hauptgrund für ein AMS sind die flexibleren Arbeitszeiten und attraktive Bedingung für Mitarbeiter. Bei einer möglichen Förderung von Melkrobotern kann sich die Investition auch aus finanzieller Sicht gegen konventionelle Melktechnik behaupten.

Der Hauptgrund für ein AMS sind flexiblere Arbeitszeiten - Ulrike Stibbe

Es entscheiden sich auch Betriebe für einen Melkroboter, die diesen mit ihrer Herdengröße nicht auslasten können. Das bedeutet hohe Kosten pro Kuh. Können Sie den Einbau eines gebrauchten AMS empfehlen, um Kosten zu reduzieren?

Stibbe: Ein Gebrauchtkauf ist nicht abhängig von der Auslastung. Denn eine gebrauchte Maschine wird nicht besser, nur weil sie weniger Kühe melkt. Es bleibt eine hohe Investition, die hohe Leistungen bzw. Durchsätze fordert. Die Frage dabei ist eher, ob Landwirte die High-End-Ausstattung von neuen Modellen brauchen oder aber mit einem älteren Modell und evtl. weniger Funktionen auskommen. Von Vorteil ist auch technisches Verständnis, da Reparaturen häufiger anfallen können. Was die Wartungs- und Reparaturkosten angeht, gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den Betrieben.

Ist eine unabhängige AMS-Beratung sinnvoll?

Stibbe: Ja. AMS-Neulinge machen sich oft zu wenig Gedanken um ­Arbeitsabläufe. Beispiele sind der Umgang mit Kannenkühen oder die Selektion von Frischmelkern, kranken oder bulligen Tieren. Diese grundsätzlichen Fragen lassen sich am ­be­sten aus neutraler Sicht vor dem Roboterkauf bzw. der Stallplanung klären.

Wichtig ist, dass die Tiere angstfrei sind, genug Platz haben und sich kein Stau vor dem Roboter bildet - Ulrike Stibbe
Ulrike Stibbe, Agrarberaterin bei Koesling Anderson

Betriebsabläufe und Herdenorganisation sind am AMS anders. Was gibt es aus Sicht der Kuh zu beachten?

Stibbe: Der freiwillige Besuch im Roboter ist das A und O. Wichtig ist, dass die Tiere angstfrei sind, genug Platz haben und sich kein Stau vor dem Roboter bildet. Dann ist der sogenannte Cow-flow gut möglich. Ziel ist, weniger als 10 % der Herde nachzutreiben. Das ist nicht nur für den individuellen Melkrhythmus der Kühe entspannter, sondern auch elementar für die Arbeitserledigungs­kosten und das Zeitmanagement.

Bislang ist das Melkzeug zu den Kühen gekommen. Nun muss das andersherum funktionieren. Wie gelingt das Einmelken am Roboter?

Stibbe: Ich empfehle, die Kühe schon vor dem ersten Melken an den neuen Stall und den Melkroboter zu gewöhnen. Zum Beispiel könnte ein Besuch im neuen Stall den täglichen Weidegang ersetzen. Wenn die Tiere das neue System vier bis fünf Tage kennen gelernt haben, könnte die halbe Herde auch ungemolken zur ersten automatischen Melkzeit gehen.

Anders ist das bei Kühen, die noch nicht die Möglichkeit hatten, sich an den neuen Stall zu gewöhnen. Bei ihnen ist es sinnvoll, sie morgens um etwa fünf Uhr am Anbindeplatz zu melken und den ersten Roboterbesuch mit leerem Euter zu machen. Das AMS bestimmt zunächst die Zitzenkoordinaten und die Kuh kann währenddessen die neue Umgebung wahrnehmen. Erst beim zweiten Besuch am frühen Nachmittag steht das Melken an. Ziel ist es, den Melksystemwechsel ohne Milchverlust und ohne Euterentzündungen zu meistern.

Da die Kühe beim ersten Melken am AMS die Milch nicht oder nur teilweise hergeben, sollten Betriebsleitende mindestens die erste Nacht durchmelken. Solange, bis die Tiere anfangen, auch nachts selbständig zu laufen. Falls das nicht funktioniert, stellen sie sich selbst trocken. Zudem rate ich Neueinsteigern, vor dem Einmelken großzügig trockenzustellen. Ein Richtwert sind weniger als 20 kg Milch am Tag.

Das Kraftfutter am Roboter hat auch eine Lockfunktion. Sollte für die Kühe direkt die volle Portionsmenge verfügbar sein?

Stibbe: Nein, die Futterumstellung ist ein Herantasten. Den Großteil der Milch muss die Ration am Futtertisch ermelken. Diese Teil-Mischration sollte sich an dem Niveau der leistungsstarken Kühe orientieren, um Leistungseinbußen bei guten Tieren zu vermeiden. Für eine zusätzliche Kraftfuttergabe am AMS sind 1,5 kg je Kuh und Tag verteilt auf drei Be­suche ein erster Richtwert. Nach und nach können Landwirte die Kraft­futtermengen anpassen.

Automatische Melksysteme sammeln eine Vielzahl von Daten. Welche sind für die Startphase wichtig?

Stibbe: Für mich sind drei Werte von hoher Bedeutung. Erstens die Milchmenge je Kuh und Tag, um zu überprüfen, ob eine Kuh, die vorher 40 kg Milch gegeben hat, ihre Leistung jetzt hält. Zweitens ist die Anzahl der Melkungen wichtig. In der ersten Woche sollten die meisten Kühe drei Melkungen am Tag erreichen. Diese Kennzahl ist in Kombination mit der dritten Kennzahl, den Melkintervallen, noch besser zu interpretieren. Ziel ist, drei Melkungen täglich im Abstand von etwa acht Stunden zu haben – also gleichmäßig über den Tag verteilt.

Wenn keiner aufpasst, pendeln sich Kuh und Mensch auf den alten Rhythmus morgens und abends ein. Deshalb ist es wichtig, die freie Zeit des AMS mit Melkungen zu füllen, damit jede Kuh ihren individuellen Rythmus findet. Dazu gehört ggf. ein langer aktiver Treibemodus von etwa Mitternacht bis vier Uhr morgens. Wenn sich alles eingependelt hat, sollte die freie Zeit des Melk­roboters bei etwa 10 % liegen.

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