Im Interview mit dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft gibt Professor Dr. Friedhelm Taube, Professor für Grünland und Futterbau sowie Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel einen Einblick in seine Sicht auf die Zukunft der deutschen Milchviehhaltung.
Herr Professor Taube, wo steht die Milchviehhaltung in Deutschland?
Unsere Milchproduktionssysteme haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend auf eine hohe Milchleistung und den Anbau von Futterpflanzen auf dem Acker konzentriert. Damit einher ging eine Intensivierung und große Effizienzsteigerung. Dabei ist die Kuh eigentlich die Idealbesetzung für Grünlandstandorte und die Verwertung von Gras.
Auf die Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter kommen in den nächsten fünfzehn bis zwanzig Jahren einige Herausforderungen zu, zum Beispiel durch die Umsetzung des deutschen Klimaschutzgesetzes, der europäischen Farm-to-Fork-Strategie und des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur, das auch die Wiedervernässung von Mooren umfasst.
Kuhzahl wird sinken
Auch wenn ein Teil dieser Vorgaben aktuell in der EU offensichtlich aus wahltaktischen Gründen ausgesetzt ist, so müssen die Treibhausgase in der Landwirtschaft und damit auch der Milchviehhaltung gesenkt werden und auch die Nährstoffüberschüsse weiter gemindert werden.
Daraus folgt in der Konsequenz, dass sowohl die Produktion als auch der Konsum von Lebensmitteln tierischer Herkunft gesenkt werden müssen. Auf 20 Jahre projiziert verringert sich die Anzahl der Kühe deutlich. Diese werden dann aber erstens wieder primär von Grünlandfutter ernährt werden und zweitens, wo immer möglich, aus Weidefutter neben der Milch auch Ökosystemdienstleistungen erzeugen.
Gibt es auch Chancen für die deutschen Milchviehbetriebe?
Die Internalisierung der externen Kosten, also die Einbeziehung von Kosten, die zum Beispiel durch umweltschädliches Verhalten entstehen und deren Auswirkungen bislang von der Allgemeinheit getragen werden, wird die relative Vorzüglichkeit von intensiven Milchproduktionssystemen zugunsten der Weide-, der Grünland- und der Gemischtbetriebsmilch verändern.
Davon können auch deutsche Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter profitieren, denn im internationalen Vergleich sind sie mit einem solchen Ansatz konkurrenzfähig.
Label für Grünlandmilch
Wir sollten das gegenüber der internationalen Konkurrenz deutlich machen und in Deutschland ein Label "Grünlandmilch“ einführen. Das Label "Grünlandmilch" sollte besagen, dass die Kühe mindestens 75 Prozent ihrer Energie- und Proteinversorgung aus dem Grünland bekommen. Diese Milch sollte der Lebensmitteleinzelhandel mit einem Bonus honorieren, weil diese Milch auf absolutem Grasland erzeugt wurde.
Wir sollten das gegenüber der internationalen Konkurrenz deutlich machen und in Deutschland ein Label ´Grünlandmilch´ einführen.
Hier kann die Kuh nicht essbares Pflanzenprotein in wertvolles Nahrungseiweiß veredeln. Die knappen Ackerflächen stehen dagegen für die direkte Nahrungsmittelerzeugung zur Verfügung und werden nicht für Futter genutzt.
Da dies zusätzlich ein Beitrag für Klimaschutz-, Biodiversitäts- und Landschaftspflege ist, sollten diese Leistungen der Milcherzeuger in der GAP in einer Gemeinwohlprämie sichtbar werden, die Ökosystemdienstleistungen honoriert und nicht die Flächengröße anhand der Anzahl Hektar.
Also Milchviehhaltung künftig nur noch auf Grünlandstandorten?
Nein. Die Milcherzeugung kann zumindest teilweise aus gutem Grund weiterhin auf Ackerbaustandorten laufen. Dann nämlich, wenn durch die Futterbaukomponenten das Ackerbausystem verbessert wird.
Das gelingt beispielsweise mit zweijährigem Kleegrasanbau. Idealerweise würde dieser Ansatz zunächst mit Anreizen durch den Staat gefördert. Das ginge zum Beispiel als neue Ökoregel, weil mit Kleegras durch Kohlenstoffanreicherung im Boden effizientes "Carbon farming“ betrieben wird.
Damit geht praktischer Wasserschutz einher, denn die N-Auswaschungsverluste gehen gegen Null. Außerdem wird eine biologische Unkrautbekämpfung mitgeliefert und ein höchster Vorfruchtwert für zwei Folgefrüchte. All das ist in bisherigen Berechnungen zum ökonomischen Wert des Kleegrasanbaus nicht enthalten - obwohl wir zeigen können, dass auf dieser Basis erzeugte Milch Umweltkosten vermeidet. Und zwar in Höhe von bis zu 30 Cent je kg Energie-korrigierte Milch im Vergleich zu aktuellen Intensiv-Stallhaltungssystemen.
Sehen Sie weitere mögliche Lösungen?
Lösungen sind für mich definierte und zertifizierfähige Mischformen aus ökologischer und konventioneller Wirtschaftsweise - sozusagen "Das Beste aus zwei Welten“. Ein Hybridsystem aus konventioneller Bewirtschaftung mit Elementen des Ökolandbaus. So schaffen wir es, Landnutzung in Einklang mit dem Ressourcenschutz zu bringen.
Lösungen sind für mich definierte und zertifizierfähige Mischformen aus ökologischer und konventioneller Wirtschaftsweise - sozusagen das Beste aus zwei Welten.
Wir haben an der Universität Kiel Berechnungen angestellt, nach denen ein Milchviehbetrieb mit Weidegang, Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger und Zukauf von maximal 25 Prozent der Energie heute schon wettbewerbsfähig ist, obwohl die Milchleistung der Kühe geringer ist.
Am Versuchsgut Lindhof beträgt die direktkostenfreie Leistung 33 Cent im Gegensatz zu 9 Cent bei vergleichbaren konventionellen Milchviehbetrieben in Schleswig-Holstein.
Wenn ein konventioneller Milchviehbetrieb 50 Prozent der Fruchtfolge nach Ökostandards ausrichtet und insbesondere zweijähriges Kleegras anbaut und auch die dann folgende Sommerung ohne mineralischen Dünger und ohne chemischen Pflanzenschutz bewirtschaftet, bevor zum Beispiel in einer sechsgliedrigen Fruchtfolge drei konventionell angebaute Kulturen wie Weizen und Raps folgen, dann wäre die Farm-to-Fork-Strategie ohne deutliche Ertragsverluste elegant umgesetzt!
Wir sollten also wesentlich mehr als bisher testen, was geht und weniger darüber klagen, was nicht geht. Und wir sollten weniger in den "reinen Lehren“ verharren.