Die an den Arbeitsgruppen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung beteiligten Organisationen Deutscher Tierschutzbund, Deutsche Umwelthilfe, PROVIEH und VIER PFOTEN haben sich in einem offenen Brief an den Vorsitzenden Jochen Borchert gewandt. Darin kritisieren sie den bisherigen Arbeitsverlauf, die sich abzeichnenden Ergebnisse und dass der Eindruck vermittelt wurde, ein Konsens sei in Sicht. Stattdessen fordern die Organisationen den Vorsitzenden auf, deutlich mehr Tierwohl einzufordern.
2019 wurde als Beratungsgremium zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Nutztierstrategie vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter dem Vorsitz von Jochen Borchert eingerichtet. In diesem Zusammenhang wurden auch Arbeitsgruppen gebildet, in denen die heterogenen Interessengruppen gemeinsam über Problemlagen und Lösungen diskutieren sollten. In öffentlichen Darstellungen ist immer wieder der falsche Eindruck vermittelt worden, der bisherige Verlauf und die zu erwartenden Resultate seien von Konsens unter den beteiligten Gruppen geprägt und von allen mitgetragen.
„In diesen Darstellungen ist ein verzerrtes Bild gezeichnet worden, das ganz wesentlicher Korrekturen bedarf. Von einem Konsens sind wir meilenweit entfernt und es ist auch nicht zu sehen, wie dieser erreicht werden kann“, schreiben die Verbände und Vereine. Wirkliche Umstellungsanreize würden nicht gesetzt. Stattdessen sollten höchst tierschutz- und zum Teil gesetzeswidrige Praktiken nicht abgestellt, sondern im Gegenteil mit dem Label „Tierwohl“ ausgezeichnet werden. „Wenn das ganze Vorhaben nicht zur Farce und zu einer breit angelegten Täuschung der Verbraucher werden soll, muss der Vorsitzende nun eingreifen“, heißt es in dem Brief.
Die vier Tier- und Umweltschutzorganisationen führen in ihrem gemeinsamen Schreiben mehrere kritische Punkte an – darunter etwa, dass die Arbeit der „Borchert-Kommission” zu eng an das vom BMEL geplante freiwillige Tierwohlkennzeichen geknüpft ist sowie die Tatsache, dass die tierhaltenden Betriebe ohne weitere Anstrengungen und merkliche Fortschritte im Tierschutz das Kennzeichen erhalten sollen. Das bedeutet beispielsweise, dass Schweine weiterhin mit kupierten Ringelschwänzen auf engstem Raum auf Betonspaltenboden ohne Einstreu gehalten werden können und dies mit mehr Tierwohl ausgelobt werden soll.
Den offenen Brief finden Sie hier.