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Wenn die Circoimpfung nicht mehr wirkt

In Sauenherden, die mit der Circovariante PCV 2d infiziert sind, bieten herkömmliche Impfstoffe keinen ausreichenden Schutz. Abhilfe verspricht ein Impfstoff, der zwei Genotypen enthält.

Lesezeit: 6 Minuten

Bis vor fünf Jahren gehörte Fer­kelerzeuger Jan Winkelhorst zu ­unseren Kunden mit den niedrigsten Tierarztkosten“, berichtet Tierarzt ­Tobias Nolte von der Tierarztpraxis Havixbeck in NRW. Denn die Sauen des Landwirts waren gesundheitlich stabil. „Unsere Tierarztkosten betrugen nur 64 € pro Sau und Jahr“, bestätigt der Landwirt. Die einzigen Impfungen, die durchgeführt wurden, waren die Parvo-/Rotlaufimpfung der Sauen und die Mykoplasmenimpfung der Ferkel.

Jan Winkelhorst bewirtschaftet in Nottuln im westlichen Münsterland einen teilgeschlossenen Betrieb mit 250 Sauen, 900 Ferkelaufzucht- und 1.000 Mastplätzen. Im Schnitt setzte er mit seinen Danzucht-Sauen damals 36,7 Ferkel ab. Die Aufzuchtverluste lagen bei 4 % und die Mastverluste bei 1 %!

Jungsauenbezug gewechselt

Der stabile Gesundheitsstatus der Her­de änderte sich jedoch schlagartig, als der bisherige Jungsauenaufzüchter ausfiel und Winkelhorst 2018 auf eine andere Sauenherkunft umstellen musste. „Einige Monate nach der Umstellung entdeckte ich im Flatdeck vermehrt blasse Ferkel“, berichtet Winkelhorst. Manche Ferkel wiesen punktartige, rote Hautveränderungen im Flankenbereich auf. Etliche Tiere kümmerten, die Gruppen wuchsen auseinander und die Verluste stiegen bis auf 10 %. 

Winkelhorst schaltete die bestandsbetreuende Tierarztpraxis ein. Aufgrund der kümmernden Ferkel und der PDNS-Symptome (Porcine Dermatitis Nephropatie Syndrome) mit den punkt­artigen Hautveränderungen vermuteten die Veterinäre einen Circoeinbruch. Um den Verdacht zu erhärten, wurden einige Ferkel mit deutlichen Symptomen seziert und Organmaterial im Labor untersucht.

Wie erwartet, ließen sich in den Proben Circoviren (PCV 2) nachweisen. Außerdem wurden in Dünndarmproben Colibakterien gefunden, deren Gifte (Shigatoxine) die Ödemkrankheit auslösen können. Die Tierärzte rieten dem Landwirt daher, die Ferkel gegen beide Erreger zu impfen. Die Impfung gegen die Colibakterien erfolgte zusammen mit der Eisengabe am 4. Lebenstag und die PCV 2-Impfung am 21. Tag.

Im Flatdeck besserte sich die Situation daraufhin zwar leicht, der Impf­erfolg war aber nicht durchschlagend. Denn es gab nach wie vor viele Kümmerer. Daraufhin wurden erneut erkrankte Ferkel seziert. Zudem wurde eine genaue Bestimmung des Erregers (Sequenzierung) veranlasst, um fest­zustellen, welcher PCV 2-Genotyp die Probleme im Bestand verursachte.

Das Ergebnis war eindeutig: Es handelte sich um den neuen Genotyp PCV 2d, der sich auch bundesweit immer stärker durchsetzt. Bei rund der Hälfte aller bundesweit untersuchten Ferkel mit Kümmersyndrom (PMWS) findet man inzwischen den Genotyp PCV 2d (s. Übersicht). Der Anteil der Genotypen PCV 2a (31 %) und PCV 2b (13 %) ist dagegen rückläufig.

Impfstoff gewechselt

Da der bisher verwendete Circoimpfstoff offensichtlich keinen ausreichenden Schutz bot, schlugen die Tierärzte vor, einen anderen PCV 2-Impfstoff auszuprobieren. Das Problem der vielen Kümmerer im Flatdeck änderte sich dadurch jedoch nicht.

Im April 2019 rieten sie Winkelhorst deshalb, bis auf Weiteres auch die Sauen gegen PCV 2 zu impfen. Denn wenn sich die Ferkel womöglich sehr früh mit Circoviren infizierten, kam die Ferkelimpfung und dadurch ausgelöste aktive Immunisierung der Ferkel vielleicht zu spät. Über die Sauenimpfung sollten die Tiere deshalb in der frühen Lebensphase zusätzlich über die in der Biestmilch enthaltenen Antikörper passiv immunisiert werden.

Die Sauen wurden deshalb drei Wochen vor dem erwarteten Abferkeltermin geimpft. Und der Impftermin für die aktive Immunisierung der Aufzuchtferkel wurde um zwei bis drei Wochen nach hinten verschoben, damit die maternalen Antikörper die Bildung der eigenen Abwehr nicht behindern.

Reklamationen der Mäster

Aber auch die kombinierte Sauen- und Ferkelimpfung führte nicht zum gewünschten Erfolg. Stattdessen verlagerten sich die Probleme im Frühjahr 2021 zunehmend vom Flatdeck in die Ställe der beiden Mäster. Hier gab es Reklamationen. Die Mastläufer wuchsen extrem stark auseinander, einige husteten auch, und die Verluste stiegen stark an.

„Nasentupferproben belegten zudem, dass zu dem Circo- auch noch ein In­fluenzaproblem hinzugekommen war“, schildert Tierarzt Tobias Nolte. Gemeinsam mit dem Landwirt entschied man im Juni 2021 daher, die Sauen zusätzlich auch noch gegen Influenza (H1 N1, H1 N2 und H3 N2) zu impfen.

Die Verärgerung der Mäster war jedoch inzwischen so groß, dass sich ­einer der beiden langjährigen Ferkel­abnehmer nach einem anderen Lieferanten umschaute. Winkelhorst mästet seitdem die Hälfte der Ferkel in einem angepachteten Stall selbst aus.

Impfstoff mit zwei Antigenen

Etwa zur gleichen Zeit kam ein neues PCV 2-Vakzin auf den Markt, das zwei Antigene enthält und daher speziell bei Infektionen mit dem Genotyp PCV 2d besser wirken sollte als die bisher verwendeten Impfstoffe.

Hintergrund: Die bisher angebotenen PCV 2-Vakzine basieren überwiegend auf dem Genotyp PCV 2a. Der neue Impfstoff von Zoetis hingegen enthält Antigene von zwei Genotypen, PCV 2a sowie PCV 2b. Der Genotyp 2b ist enger verwandt mit dem Genotyp PCV 2d, der auch im Betrieb Winkelhorst nachgewiesen wurde. Deshalb soll das neue Vakzin einen besseren Kreuzschutz bieten als Impfstoffe, die nur ein Antigen beinhalten.

Die höhere Wirksamkeit wurde laut Hersteller in Studien belegt. Bei dem Wirksamkeitsvergleich wurden die Oberflächenstrukturen der PCV 2-Viren mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) verglichen. Je ähnlicher die Oberflächenstrukturen von Feld- und Impfvirus sind, desto größer die Wirksamkeit. Das Verfahren, die sogenannte EpiVax-Methodik, wurde in den USA entwickelt.

Aus diesem Grund änderten Tierarzt und Landwirt im Juni 2021 ein drittes Mal die PCV 2-Impfstrategie. Seitdem kommt der neue Kombiimpfstoff zum Einsatz, der zugleich eine Komponente gegen Mykoplasmen enthält.

Nicht generell umstellen

Die Maßnahme zeigte Erfolg. Seit dem letzten Impfstoffwechsel herrscht endlich wieder Ruhe im Bestand von Jan Winkelhorst. „Es treten kaum noch Kümmerer auf, die roten, punktartigen PDNS-Hautflecken sind verschwunden, und die Gruppen wachsen nicht mehr auseinander“, berichtet der Ferkelerzeuger erleichtert. Auch vom Mäster hat es seitdem keine Reklamationen mehr gegeben.

Für die Tierärzte aus Havixbeck ist der Erfolg dennoch kein Grund, generell alle ihre Kunden auf den neuen ­Circoimpfstoff umzustellen. „Dort, wo die herkömmlichen PCV 2-Impfstoffe nach wie vor wirksam sind, bleiben wir auch dabei“, stellt Nolte klar. Denn ohne triftigen Grund sollte man ein bisher gut funktionierendes Impfkonzept niemals ändern!

„Aber da, wo der Genotyp PCV 2d Probleme bereitet und die bisher eingesetzten Circoimpfstoffe keine ausreichende Wirkung mehr zeigen, scheint der neue Impfstoff ein wertvolles, zusätzliches Tool bei der Bekämpfung der Circovirose zu sein“, lautet das Fazit von Tobias Nolte.

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