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Wiedervernässte Moore & Milchvieh: Einfach alles nass?

Wiedervernässte Moore müssen nass sein, so der Tenor. Dann hätten Kühe in den Regionen aber keine Chance. Geht es auch anders? Wir haben einige Betriebsleiter besucht.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Wiedervernässung von Mooren ist in aller Munde – von den einen als Allheilmittel gelobt, von anderen eher angstvoll betrachtet und von einigen entspannt erwartet. In Deutschland sind über 90 % der Moore entwässert, ein Großteil der bundesweiten Moorflächen befindet sich in Norddeutschland. Diese Flächen wiederzuvernässen soll helfen, Treibhausgasemissionen zu mindern und somit die Klimaschutzziele zu erreichen.

Ungeklärt ist bislang, wie das Megaprojekt Moor umgesetzt werden kann. Vor allem ohne die Landbesitzer gezielt zu enteignen. Vorgeschlagene Lösungen sind Paludikulturen, Torfmoos und Photovoltaikanlagen. Spielt Milchkuhhaltung, die aktuell naturgemäß einen Großteil der Moorregionen ausmacht, dann noch eine Rolle? Lassen sich feuchte Moorböden noch landwirtschaftlich nutzen?

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­Mutterkühe weiden auf Niedermoor

Erfahrungen mit hohen Grundwasserständen im Moor haben Harald Nitschke und Felix Pickert. Sie leiten zusammen die Raminer Agrar GmbH & Co. KG im mecklenburg-vorpommerischen Ramin, nahe an der polnischen Grenze. Der Betrieb hält im Verbund Milch- und Mutterkühe, mästet Bullen und Färsen und bewirtschaftet rund 3.000 ha. Davon sind 500 ha Grünland. Rund 270 ha Grünland des Betriebes sind ein zusammenhängendes Niedermoorgebiet direkt an dem Fluss Randow. „Diesen Moorkörper halten wir schon seit über 30 Jahren nass“, erzählt Harald Nitschke. Er soll auch langfristig erhalten werden.

Auf den Flächen weiden teils Mutterkühe von April bis Oktober, ein Großteil dient allerdings als Wiese. Letztes Jahr konnte der Betrieb 4,5 Schnitte auf den Flächen ernten. Die Erträge liegen bei über 100 dt Trockenmasse/ha. Dafür setzen Nitschke und Pickert auf ­relativ artenreiche Mischungen, denn „Weidelgräser wintern bei den knackigen Fröste hier schnell aus“, sagt Felix Pickert. Ertragssicherheit geben Wiesenschwingel, Wiesenrispe und auf den feuchteren Standorten Wiesenlieschgras.

Für die hohen Erträge der intensiveren Bewirtschaftung und für das Moor braucht es Wasser – trockene Moorböden sind nicht gewünscht. „Die trockenen Parzellen verdichten schneller und die Pflanzengesellschaften verändern sich“, sagt Felix Pickert.

Durch Abbauprozesse in trockenen Mooren – sowohl von intensiv als auch extensiv bewirtschaftetem Grün- und Ackerland – entstehen starke Emissionen. Das Moor baut sich pro Jahr um gut 1 cm ab. Entwässerte Moore tragen zu über 30 % zu den Emissionen aus der Landwirtschaft bei.

Somit sehen Wissenschaft und Politik in der Wiedervernässung von Mooren einen großen Hebel für den Klimaschutz. Deutschland hat daher letztes Jahr eine Nationale Moorschutzstrategie verabschiedet. Darin steht: „Für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Moorböden wird mittel- bis langfristig ein torferhaltendes Management angestrebt.“ Durch die Strategie sollen bis zum Jahr 2030 die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden um mindestens 5 Mio. t CO2-Äquivalenten sinken.

Die Flächen zu überstauen, ist ähnlich klimaschädlich wie ein zu niedriger Wasserstand. Daher soll wiedervernässt werden. Der Wasserstand soll also „auf Höhen relativ zur Geländeoberkante“ angehoben werden.

Wassermanagement im Fokus

Um torferhaltend zu arbeiten, ist Wasser entscheidend. In der Region Ramin fallen jährlich zwischen 500 bis 550 mm Niederschlag, allerdings ungünstig verteilt. „Wenn wir nicht anstauen würden, wäre Grünland unser begrenzende Futterfaktor“, sagt Felix Pickert. Dabei gehe nichts ohne die Staueinrichtungen. „Man muss nur sinnvoll damit arbeiten, regulieren und die Staueinrichtungen instand halten“, sagt Nitschke.

Das gelte auch für einen sinnvollen Moorschutz. Aber es reicht nicht aus, einfach die Stauwehre in den Gräben zu schließen. Das zeigt sich in der Randowniederung: Die Gräben sind voll, kurz vor der Oberkante. Dennoch ist der Moorkörper trocken, die Wasserstände in den zehn Messstellen liegen zwischen 80 und 34 cm Unterflur – zu wenig. Es fehlen rund 70 mm Regen. Nitschke erklärt: „Der Moorkörper hat keine Schwammfunktion.“ Nur wenn die Gräben voll sind und es ausreichend regnet, steigt auch der Grundwasserspiegel. Die Stauwehre regulieren die beiden Betriebsleiter vor allem im Frühjahr und bei Starkregen.

Im Gegensatz zu diesen intensiver genutzten Flächen hat der Betrieb einige ungünstig liegende Niedermoore erfolgreich wiedervernässt.

Hoch- und Niedermoore: Sind alle Moore gleich?

Während sich Niedermoore teils gut stauen und auch dann noch gut nutzen lassen, sind Hochmoore problematischer. Somit lässt sich ein Konzept zur Wiedervernässung nicht einfach von z.B. Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen übertragen. Gut 80 % der Moore in Niedersachsen sind Hochmoore. Sie werden im Gegensatz zu Niedermooren durch Niederschläge versorgt und sind deutlich nährstoff- und basenärmer.

Problematisch sind an der Küste u.a. die Geländeunterschiede, weiß Landwirt Dr. Karsten Padeken aus dem Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen. Statt nur mit Staueinrichtungen, müssten die Wasser- und Bodenverbände im Relief der niedersächsischen Küsten auch mit Pumpen arbeiten. Sonst ließen sich Hochmoore nicht nass halten. Wie genau das aussehen könnte und wie aufwendig die gesamte Wasserinfrastruktur zu verändern wäre, hat das Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen in seinem Faktencheck zur Wiedervernässung erarbeitet. Diesen finden Sie unter  www.topagrar.com/faktencheckmoor2023

Hinzu kommt der Hochwasserschutz, auch dafür ist die Entwässerung der Flächen wichtig. Und noch etwas: „Grundlegend anders ist vor allem, dass auch in den Mooren Dörfer und Straßen liegen“, sagt Padeken. Wie sich vernässte Flächen dann verhalten – also wie leitfähig die Flächen sind, wo das Wasser hinläuft –, ist noch gar nicht absehbar. „Noch ist zu viel unklar“, fasst Padeken zusammen.

Welche Flächen ­kommen ­infrage?

Die Nationale Moorschutzstrategie definiert einen „Moorboden“ als alle organischen Böden (im Sinne der Definition nach IPCC, 2006, die der Klima­berichterstattung zugrunde liegt) in Deutschland. Darunter fallen sowohl Moorböden nach deutscher bodenkundlicher Definition als auch weitere kohlenstoffreiche Böden, die in ihrem Emissionsverhalten mit Moorböden vergleichbar sind, wie z.B. Anmoorgleye und Moorfolgeböden. Das betrifft eine Gebietskulisse von rund 1,8 Mio. ha in Deutschland.

Welche Flächen sich aber wirklich zur Wiedervernässung eignen oder eben nicht, ist noch unklar. Derzeit werden die Bodenkarten aktualisiert und auch die Potenzialanalyse in Niedersachsen steht noch aus. Daher wissen viele Landwirtinnen und Landwirte nicht, ob ihre Flächen überhaupt betroffen sind – und was im Zweifel mit ihren Kühen passiert.

Moor nur ohne Kühe?

Wie sich ein angehobener Wasserstand und eine gleichzeitige Wiesen- bzw. Weidenutzung auf Hoch- und Niedermoor auswirken könnte, haben verschiedene Institutionen in der Wesermarsch im SWAMPS-Projekt geprüft. SWAMPS steht für Verfahrensanalysen und Handlungsoptionen zur Verminderung von Treibhausgasemissionen und zum Schutz von Mooren für landwirtschaftlich genutztes Grünland.

Dabei wurden dreijährige Exaktversuche auf Parzellen durchgeführt, u.a. mit Unterflurbewässerung. Es zeigte sich etwa, dass es eher unproblematisch ist, die Niedermoorfläche zu vernässen. Doch die Hochmoorfläche fiel in den Jahren 2018/2019 trocken, der Wasserstand konnte nur auf 40 bis 50 cm gehalten werden. Langfristige Aussagen lassen sich durch die Extremjahre nicht treffen.

Die Niederlande forschen auch

Wie sich Milchviehwirtschaft mit Beweidung auf Moorflächen umsetzen lässt, spielt in den Niederlanden eine große Rolle: Dazu wurde das Projekt „Boeren bij Hoog Water“ initiiert, was so viel bedeutet wie „Bauern auf dem Hochwasser“. Das Forschungsprogramm untersucht im Veenweiden Innovatiecentrum (VIC) in der Region Utrecht, wie man Kühe bei einem Grundwasserspiegel von - 20 cm halten kann. Dieser Grundwasserspiegel solle nach aktuellen Expertenerkenntnissen für minimale Emissionen aus dem Torfboden sorgen. Beteiligt sind die Uni­versität Wageningen, das Louis Bolk Institute, KTC Zegveld und PPP-Agro ­Advies.

Ziel ist, ein neues, wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell für die Milchviehhaltung mit einem minimalen Einsatz von Kunstdünger und Kraftfutter zu entwickeln. Die Verringerung der Stickstoffemissionen und die Verbesserung der Wasserqualität sind ebenfalls Teil dieses neuen Anbausystems.

Das erste Jahr 2021 auf den Veen­weiden (Torfwiesen) habe bereits zu ­einigen Erkenntnissen geführt: Die großräumige Grundwasserbewirtschaftung ist komplex, die Wasserpuffer­kapazität des Bodens scheint größer zu sein als erwartet, und die Tragfähigkeit ist größer als in den Modellen vorhergesagt.

Lösung für die ­Landwirtschaft?

Bis 2030 gilt für die Vernässung noch die Freiwilligkeit. „Und was kommt dann?“, fragt Karsten Padeken. So schnell ließen sich nicht alle Moore wiedervernässen. Bis dahin müssten zumindest die Gebietskulissen geklärt sein.

Kommentar:Langfristig denken!

Alle haben eine Ahnung, aber keiner eine Richtung. Bei der Wiederver­nässung zeigt sich, dass das Thema leichter gedacht als umgesetzt wird. Denn einfach die Gräben zuzuschütten, reicht nicht aus.



Im Gegenteil: Das Wassermanagement ganzer Regionen muss neu er­arbeitet werden. Vor allem an der Küste steht dabei der Hochwasserschutz an erster Stelle. Wenn alle Moorflächen dort vernässt sind, wohin sollen dann Starkniederschläge versickern?



Auch wenn Paludikulturen oder ­Photovoltaikanlagen schöne Nutzungsansätze sind – Lösungen für die Landwirtschaft sind nicht wirklich in Sichtweite. Und was auch klar wird: Es kann nicht „die eine Lösung“ für alle geben, die Regionen sind dafür zu unter­schiedlich. Letztlich wird es wohl ein Mix aus verschiedenen Maßnahmen sein. ­Idealerweise gibt es auch eine ­Lösung für die Milchviehwirtschaft.



Landwirtinnen und Landwirte denken und handeln langfristig, über das Jahr 2030 hinaus. Das sollte die Politik auch tun. Was nicht passieren darf, ist, dass Megaprojekt Moor übers Knie zu brechen und ideologiegetrieben Moore zu vernässen. Dafür braucht es eine ausreichende Basis an wissenschaftlichen Erkenntnissen.

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