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Pilze resistent gegen Pflanzenschutzmittel: So schnell kann's gehen

Innerhalb weniger Jahre können Pilze Resistenzen gegen Fungizide entwickeln. Das zeigt sich beispielsweise an den Wirkstoffgruppen der Triazole und der Strobilurine. Dennoch wirken die Triazole.

Lesezeit: 4 Minuten

Unser Autor: Prof. (i. R.) Dr. Klaus Schlüter, vormals FH Kiel/FB Agrarwirtschaft

Wirken Pflanzenschutzmittel nicht mehr, liegt das nicht immer an falsch angewendeten Aufwandmengen. Das zeigen die zwei Beispiele für Resistenzen aus der Praxis.

Beispiel I: Shifting bei ­Triazol-Fungiziden

Die Weizenblattdürre (Zymoseptoria tritici) gehört in den maritimen Hochertragsregionen Europas trotz verbesserter Sortengesundheit immer noch zu den wirtschaftlich besonders wichtigen Pilzkrankheiten. Seit Jahrzehnten suchen Fungizidentwickler nach Wirkstoffen gegen diesen Schadpilz. Eine heute noch zugelassene und im Einsatz befindliche Wirkstoffgruppe sind die Triazole.

Fit, aber weniger ­vermehrungsfähig

Der langjährige Einsatz der Triazol-Fungizide veränderte zwar die Sensitivität der Weizenblattdürre gegenüber dieser Wirkstoffgruppe. So passte sich die Pilzpopulation langsam an die Azole an und verlor die ursprünglich hohe Sensitivität. Allerdings wirken die modernen Triazole nach wie vor ausreichend.

An dieser Form der Resistenzbildung sind mehrere Gene beteiligt. Die Besonderheit: Resistente Pilze mit einer geringen Sensitivität sind nicht mehr im gleichen Maße vermehrungsfähig wie sensitive. Sie verlieren ihre Fitness und damit die Fähigkeit, sich in der Population übermäßig zu vermehren. Wie sich die Sensitivität der Weizenblattdürre gegen Triazole in den letzten Jahrzehnten verschoben hat, zeigt folgende Übersicht.

Demnach ­wandert die Normalverteilung der mit­tleren Sensitivität der Schadpilze seit Jahren nach rechts in Richtung einer höheren Fungizid-Konzentrati­on. Dieser Vorgang wird als Shifting bezeichnet (englisch für gleiten oder verschieben), da sich die Kurve in der Grafik seitwärts bewegt.

Beispiel II: Knock-down bei ­Strobilurinen

Mit den 1996 eingeführten Strobilurinen begann eine neue Ära von besonders lang und ausgeprägt protektiv wirkenden Fungiziden. Diese Wirkstoffe regulierten effektiv Echten Mehltau, später auch Blattdürre und Rostkrankheiten.

Allerdings versagten sie bereits zwei Jahre nach Markteinführung beim Echten Mehltau im Weizen. Im Zeitverlauf nahm die Zahl ­resistenter Pilzkrankheiten weltweit extrem zu, seit 2004 wirkt die Wirkstoffgruppe nicht mehr gegen Zymoseptoria tritici. Deshalb spielen Strobilurine keine herausragende Rolle mehr. Gegen Getreideroste ist die Wirkung jedoch immer noch überzeugend, weil diese bislang keine ver­gleichbare Resistenz entwickeln konnten.

Stärke der Resistenz ­überraschte

Dass in so kurzer Zeit eine Resistenz gegen Strobilurine entstehen konnte, hatte in der Fachwelt großes Erstaunen ausgelöst. Erst nach der Markteinführung des Wirkstoffes zeigte sich, dass es in der Natur Mutanten der Weizenblattdürre gibt. Bei diesen weist der Wirkort (ein Target-Enzym) durch eine Punktmutation eine veränderte räum­liche Form auf. Somit konnten sich die Strobilurine nicht mehr an den Wirkort der Mutanten anlagern und das Enzym hemmen – diese Individuen gelten als resistent.

Pilze mit solch einer Mutation waren aber von hoher Fitness gekennzeichnet und vermehrten sich weiterhin gut. So nahmen sie überhand und konnten sich schnell durchsetzen, was zu einer totalen oder sprunghaften Resistenz führte. Dieser Resistenztyp basiert auf der Veränderung eines einzigen Gens (target-site) und wird als qualitative Resistenz bezeichnet.

Falsche ­Anwendungen als ­Resistenzbeschleuniger

Beschleunigt wurde die Resistenzbildung der Blattdürre gegen Strobilurine durch fehlerhafte Anwendung. In der Praxis wurden diese Wirkstoffe sehr häufig mit extrem geringen Aufwandmengen eingesetzt. Auch deshalb verlief die Selektion resistenter Typen so rasant. In der Folge kam es zur totalen Resistenz, die sich in den Folgejahren mit sehr hoher Geschwindigkeit in ­Europa und anderen Regionen ausbreitete.

Verbunden mit dieser Resistenz sind Resistenzfaktoren von meist 500 bis über 1.000. Das entspricht einer völligen Wirkungslosigkeit.

Verbreitung - Sporenschleudern sind schneller resistent

Viele Pilzkrankheiten wie Roste, Echter Mehltau, Ramularie, DTR oder auch Weizenblattdürre (Ascosporenform) entwickeln massenhaft Sporen, die über den Wind verbreitet werden. Das fördert einerseits das Tempo der Epidemiebildung, andererseits verbreiten sich auch neue Biotypen mit Wirkstoffresistenz schneller. Solange diese noch in geringer Anzahl vorhanden sind, finden sie auf den mit Fungi­ziden behandelten, gesunden Blättern ­einen völlig konkurrenzfreien Lebensraum und können sich weiter vermehren.

Massenhaft durch Wind verbreitete Sporen produzieren z. B. Rostpilze und Echter Mehltau.  Roste  verursachen an anfälligen Getreidesorten extreme Ertragsverluste, denn die vielen Sporen sorgen für einen massiven Befallsdruck. Auf anfälligen Pflanzen produziert  Echter Mehltau  massenhaft Konidiosporen. Später entstehen schwarze Fruchtkörper mit neuen Genkombinationen, die auch Resistenzen tragen können.

Dieser Text stamm aus einem Beitrag der Serie „Fachwissen Pflanzenbau“. Die Autoren der Serie stellen Zusammenhänge im Pflanzenbau kurz und ­knackig (wieder) her. Themen sind „­Boden“, „Bodeneingriff“, „Pflanzenphysiologie“, „Fruchtfolge, ­Zwischenfrüchte und Kulturen“ sowie „Pflanzenschutz und Wachstums­regler“. Alle ­Beiträge sammeln wir für unsere Leserinnen und Leser ­online unter ­ www.topagrar.com/wissen-­pflanzenbau 

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