Erst zu Beginn der Rübenkampagne im Süden ist aufgefallen, dass sich einige Zuckerrüben plötzlich gummiartig verbiegen lassen (top agrar berichtete). Ein Schock für Landwirte, Berater und die Zuckerindustrie. Die Symptome werden durch den Erreger des Stolbur-Phytoplasmas verursacht, den die Schilf-Glasflügelzikade zusammen mit dem Erreger des Symptoms niedriger Zuckergehalte (SBR, Syndrome Basses Richesses) in die Rüben einträgt. Fragen zu den Gummirüben aus Sicht der Zuckerfabrik beantwortet Dr. Georg Vierling, Leiter Rübenanbau, neue Pflanzen und sustainable farming bei Südzucker.
Herr Dr. Vierling, wie viel Fläche im Liefergebiet ist von den Stolbur-Symptomen betroffen?
Vierling: Im Einzugsgebiet der Südzucker in Deutschland betreffen die Stolbur-Symptome die Regionen der Werke Offenau, Ochsenfurt und Offstein. Insgesamt sind nach unserer derzeitigen Einschätzung rund 9.000 ha Zuckerrüben mit unterschiedlicher Ausprägung betroffen.
Gibt es schon erste Erkenntnisse, wie sich die Gummirüben in der Fabrik verhalten?
Vierling:Dazu können wir noch keine Aussage treffen. Die Verarbeitung in den drei Werken hat erst in den letzten Tagen begonnen. Insofern müssen wir in den kommenden Wochen genau die weitere Entwicklung verfolgen.
Kann man schon sagen, ob die Rüben wie bei klassischer SBR-Symptomatik weniger Zucker enthalten?
Vierling: Wir wissen aus den vergangenen Jahren, das SBR ausgelöst durch das Proteobakterium zu einem Rückgang der Zuckergehalte führt. Was die Stolbur-Thematik angeht, haben wir noch keine Informationen über Zuckergehalte aus der laufenden Kampagne 2023 bzw. aus der Vergangenheit. Wichtig ist eines: In vielen Regionen Europas – also auch Gebiete, in denen es keinerlei SBR gibt – liegen jahresbedingt die Zuckergehalte durch die sehr späte Aussaat und dem Witterungsverlauf unter dem Durchschnitt. Dies halt also dort mit SBR nichts zu tun.
Dieses Jahr liegen die Zuckergehalte vielerorts unter dem Durchschnitt, auch ohne SBR."
Weiß man schon, wie lagerfähig die Rüben am Feldrand sind? Werden Gummirüben eventuell bevorzugt in die Fabrik gefahren, oder bleibt es bei den festgelegten Abfuhrplänen?
Vierling: Bei der weiteren Entwicklung hängt auch sehr viel von den kommenden Witterungsverhältnissen (Temperatur/Niederschlag) ab. Wir beobachten die Situation und werden entsprechend handeln.
In der Branche ist die Rede von einer neu gegründeten „Task Force“, um die Zikaden und den Erregerkomplex möglichst schnell in Schach zu halten. Können Sie dazu weitere Angaben machen?
Vierling: Ja, das ist richtig. Wir haben vor einigen Tagen eine Task Force "SBR" gegründet. Mitglieder sind das Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ Göttingen), der Verband Hessen-Pfälzischer Zuckerrübenanbauer mit seinen Aktivitäten rund um die Projekte Nikiz/Sonar, unser Kuratorium für Versuchswesen und Beratung im Zuckerrübenanbau sowie die Vertreter des Verbands Süddeutscher, Fränkischer und Baden-Württembergischer Zuckerrübenanbauer.
Ziel ist eine enge Abstimmung bei allen Maßnahmen rund um SBR, , eine Mobilisierung der Aktivitäten zum Thema Grundlagenforschung, Aktivitäten mit den Züchtern, den Pflanzenschutzfirmen sowie den Ministerien /Offizialberatungen der betroffenen Bundesländer. Außerdem werden wir zeitnah Lösungen für die Praxis erarbeiten: Wie können wir die Zikadenpopulation verringern bzw. erst gar nicht ansteigen lassen.