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EU-Taxonomie und Landwirtschaft: Kredit nur noch nachhaltig?

Die EU-Taxonomie verknüpft das Thema Nachhaltigkeit mit den Finanzmärkten. Wir haben uns bei Banken erkundigt, was das für die Kreditvergabe an Landwirte bedeuten könnte.

Lesezeit: 8 Minuten

Stallbau, Maschinenkauf oder Liquiditätsengpass: Landwirte sind auf Geld von Banken angewiesen. Bislang galt, dass Landwirte mit einem belastbarem Businessplan, einen Kredit bekommen. Doch zu welchen Konditionen und an wen Banken Darlehen vergeben, hängt zunehmend an einem Thema: der Nachhaltigkeit.

Schnell gelesen

- Nachhaltigkeit ist das Thema der Stunde im Finanzsektor.

- Die EU-Taxonomie setzt dabei die ­Leitplanken. Regeln für die Land­wirt­schaft fehlen noch.

- Landwirte müssen trotzdem immer mehr Daten in puncto Nachhaltigkeit liefern, wenn sie Kredite benötigen.

- Agrarbanken entwickeln eigene Leit­fäden, um die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe zu analysieren.

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Und was auf dem Finanzmarkt als nachhaltig gilt, will die EU regeln. Die hat im Streit um ihre sogenannte Taxonomie sowohl Gas- als auch Atomkraftwerke als „nachhaltig“ eingestuft. Spätestens seitdem ist die EU-Taxonomie nicht nur Bankern ein Begriff.

Kriterien der Nachhaltigkeit fassen Fachleute unter der Abkürzung ESG zusammen. Das steht für „Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Damit eine Aktivität als nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie gilt, muss sie mindestens eines von sechs EU-Umweltzielen (Kasten) erfüllen.

Gleichzeitig darf sie den übrigen fünf nicht schaden. Für jedes Ziel erstellt die EU-Kommission einen Katalog mit Aktivitäten, die als nachhaltig gelten. Für die Landwirtschaft stehen solche Regeln allerdings noch aus.

Wir schließen keinen Landwirt aus unserem Kreditgeschäft aus."
Anina Strey, Bankerin DKB

Auch aus einem zweiten Grund greifen die EU-Nachhaltigkeitsregeln für die meisten Landwirte noch nicht: Welche Unternehmen die EU dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, regelt die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Aktuell gelten deren Regeln nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme größer 20 Mio. € oder mehr als 40 Mio. € Nettoumsatz. Trotzdem bleiben Landwirte nicht davon verschont, sich mit dem nachhaltigen Finanzgeschäft auseinanderzusetzen.

Zumindest dann nicht, wenn sie Geld von der Bank brauchen. Zwar ist oft noch nicht klar, ob Betriebe, die weniger „nachhaltig“ wirtschaften, einen höheren Zins zahlen müssen als andere. Doch erste Banken setzen sich eigene Regeln in Sachen Nachhaltigkeit – auch im Geschäft mit Agrarkrediten.

Das ist die EU-Taxonomie

Mithilfe der EU-Taxonomie-Verordnung will die EU Kapital in nachhaltige Bahnen lenken. Sie funktioniert wie ein Lexikon für ­Finanzinstitute. Will ein Banker wissen, ob eine ­wirtschaftliche Aktivität nachhaltig ist, kann er das in der EU-Taxo­nomie-Verordnung nachschlagen.

Die EU-Kommission bestimmt ­systematische Anforderungen für einzelne Branchen. Als nachhaltig gilt, was mindestens einem der sechs Umweltziele der EU dient und keinem anderen schadet. Die sechs Ziele der EU sind:

1. Klimaschutz

2. Anpassung an den Klimawandel

3. Schutz der Wasser- und Meeresressourcen

4. Kreislaufwirtschaft

5. Umweltverschmutzung ­verringern

6. Biologische Vielfalt und ­Ökosysteme erhalten

Kein Geld für Haltungsstufe 2

Die Deutsche Kreditbank (DKB) finanziert bei Neubauten von Schweinemastställen nur noch die Haltungsstufe 3 und höher. „Stallbauten sind immer langfristige Ent-­­scheidungen und müssen zukunftsorientiert sein“, erklärt Anina Strey das Vorgehen der DKB. Strey arbeitet als Nachhaltigkeitsexpertin bei der DKB, die ein Kreditvolumen in Höhe von 3,8 Mrd. € im Agrargeschäft hat.

„Die Entscheidung für einen Stall mit hoher Haltungsstufe ist betriebswirtschaftlich richtig. Der Lebensmitteleinzelhandel gibt die Richtung vor“, so Strey weiter. Politik und Verbraucher forderten ebenfalls mehr Tierwohl.

Wichtig ist der Bankerin, dass die DKB keinen Betrieb aus ihrem Kreditgeschäft ausschließt. „Natürlich finanzieren wir Betrieben, die auch zukünftig Schweine auf Haltungsstufe 2 mästen, einen neuen Schlepper“, sagt Strey im Gespräch mit top agrar.

Strey beobachtet: „Die Verunsicherung unter den Landwirten ist extrem hoch. Viele sind mit großen Investitionen aktuell zurückhaltend. Das liegt vor allem an fehlenden politischen Rahmenbedingungen.“

So klare Grenzen wie bei der Schweinemast hat die DKB in anderen Bereichen der Landwirtschaft nicht. Gerade beim Milchvieh sei das Tierwohl-Niveau schon sehr hoch, so Strey. „Bis 2030 wollen wir in unserem Kreditportfolio 50 % der finanzierten Milchviehställe in der Haltungsstufe 3 haben und unsere Bio-Quote von heute 6 auf 15 % steigern“, erklärt Strey die Nachhaltigkeitsziele der DKB.

Was kommt für Ackerbauern?

An Ackerbauern stellt die DKB noch keine Ansprüche in puncto Nachhaltigkeit. „Aktuell arbeiten wir am Thema Biodiversität. Inwiefern es Anforderungen an Ackerbauern im Kreditgeschäft geben wird, ist noch unklar“, sagt Strey.

Weiter ist die niederländische Rabobank – laut eigenen Angaben der weltweit größte Agrarfinanzierer. Gemeinsam mit der Umwelt-NGO WWF hat die Rabobank einen Biodiversitätsmonitor entwickelt – zunächst für Milchviehbetriebe, nun auch für Ackerbauern.

Anhand von Indikatoren wie der Fruchtfolge oder dem Nährstoffüberschuss eines Betriebes teilt die Bank landwirtschaftliche Betriebe in Kategorien ein. Erzielen Landwirte besonders gute Bewertungen, gewährt die Rabobank Zinsnachlässe von bis zu 20 Basispunkten oder 0,2 %.

Volksbanken entwickeln Fragebogen zu Nachhaltigkeiten

Die DZ-Bank ist das Zentralinstitut der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Christopher Braun leitet dort die Abteilung Agrarwirtschaft. Gemeinsam mit den VR-Banken entwickelt die DZ-Bank einen Fragebogen zum Thema Nachhaltigkeit, der schrittweise Teil eines jeden Kreditverfahrens werden soll. „Uns ist wichtig, Nachhaltigkeit nicht einseitig, nur aus Umweltsicht zu betrachten“, sagt Braun. Die Themen soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit seien genau so bedeutend.

Deutschlands große Agrar-Förderbank, die Landwirtschaftliche Rentenbank mit Sitz in der Finanzmetropole Frankfurt, verlangt bei der Kreditvergabe noch keine konkreten Informationen zu ESG-relevanten Themen von Landwirten. Bei der Rentenbank beackert unter anderem Max Nolten den Bereich Nachhaltigkeit.

Nolten verweist darauf, dass die Taxonomie nicht für Landwirte gilt. Doch er gibt keine Entwarnung: „Die Bankenaufsicht verpflichtet die Banken dazu, auch im Risikomanagement, Nachhaltigkeit mitzudenken.“

Die Forderung nach mehr Informationen kommen also nicht nur aus der EU-Taxonomie. Auf welche Fragen sich Landwirte einstellen sollten? Nolten gibt im Gespräch einige Beispiele:

  • Wie sichert sich der Betrieb zukünftig gegen Dürre und Extremwetter ab?
  • Wo entstehen auf dem Betrieb Emissionen? Welche sind die Hauptemissionsquellen? Wie verändern sich die Emissionen durch die geplanten Investitionen?
  • Welche Maßnahmen ergreift der Betrieb zusätzlich, um Emissionen einzusparen?
  • Wie reagiert der Betrieb auf steigende Energiekosten?

Banken berichtspflichtig

Banken müssen ab 2024 den Anteil der laut Taxonomie nachhaltigen Kredite an ihrem Portfolio an die europäische Bankenaufsicht melden. An diesem grünen Vermögensanteil (GAR, Green Asset Ratio) kann man ablesen, wie nachhaltig die Kredite einer Bank sind.

Die Taxononmie darf kein Ordnungsrecht durch die Hintertür werden."
Luc Vernet, Farm Europe

DKB-Bänkerin Strey erklärt: „Die GAR misst, wie ‚grün‘ das eigene Kreditportfolio ist. Allerdings stehen im Zähler nur Projekte großer, berichtspflichtiger Unternehmen.“ Es gibt bereits „realitätsnähere“ Lösungsansätze, die auch die Aktivitäten kleinerer Unternehmen einschließen, so Strey. Agrarkredite können Banken bislang in keine der offiziellen Nachhaltigkeitsquoten anrechnen, da die EU in der Taxonomie noch keine Regeln für Ackerbau und Viehzucht vereinbart hat.

Landwirtschaft außen vor

Bleibe die Landwirtschaft bei der Taxonomie weiterhin außen vor, wäre das ein Problem, findet Luc Vernet. Der Franzose arbeitet für die Denkfabrik Farm Europe in Brüssel – meist im Auftrag von Landwirtschaftsverbänden und Unternehmen der Agrarindustrie.

Wenn die Landwirtschaft aus der Taxonomie ausgeschlossen bleibt, könnten Banken Agrarkredite nicht auf das „grüne Konto“ gutschreiben – sie fließen nicht in die GAR oder andere Nachhaltigkeitsquoten ein.

Das Agrargeschäft wäre zwar auf keiner roten Liste, es trägt aber auch nicht zur Rate der nachhaltigen Kredite einer Bank bei. „In dem Fall würden Agrarkredite für Banken weniger attraktiv“, fürchtet Vernet.

Was ist nachhaltig?

Um die Frage zu klären, welche Wirtschaftszweige als nachhaltiges Investment gelten, hat die EU-Kommission die Plattform für nachhaltige Finanzen ins Leben gerufen. Die Plattform ist vorwiegend mit Vertretern der Finanzbranche besetzt.

Deren Vorschläge für die Landwirtschaft lesen sich wie eine 150-seitige Wunschliste mancher Umwelt-Organisation: Laut dem Bericht wäre beispielsweise Ackerbau nur dann nachhaltig, wenn Landwirte ausschließlich Pflanzenschutzmittel einsetzen, die für den biologischen Landbau zugelassen sind.

Kein zweites Ordnungsrecht!

Auch das ist Luc Vernet ein Dorn im Auge: Finanzregeln für die Landwirtschaft müssen in der Praxis verankert sein und kein ideologisches Werkzeug.“ Er fürchtet ein „zweites Ordnungsrecht durch die Hintertür“. „Mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Farm-to-Fork-Strategie haben wir schon zig mal definiert, was nachhaltige Landwirtschaft ist“, sagte Vernet gegenüber top agrar. „Das brauchen wir in der ­Taxonomie nicht schon wieder zu machen.“

Für ihn ist klar: „Jeder Landwirt, der GAP-Gelder erhält, wirtschaftet im EU-Sinne nachhaltig.“ Landwirte sollten keine Nachteile bei der Kreditvergabe bekommen, ist der Franzose überzeugt.

Auch Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV) fürchtet eine „Parallelgesetz­gebung“. „Die Ausgestaltung und die Festlegung von Kriterien läuft auf eher technischer Ebene, intransparent und an den regulären Akteuren im Gesetzgebungsverfahren eher vorbei“, urteilt Krüsken. Die EU dürfe „die Fehler des Green Deal nicht wiederholen“.

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