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„Bioenergie ist effizienter Weg zu Negativemissionen durch CO₂-Speicherung“

Im top agrar-Interview berichtet John Cosmo Dwelle vom Biomethanhandelsunternehmen Landwärme, welche Chancen sich mit der CO₂-Abscheidung aus Biogasanlagen bieten.

Lesezeit: 7 Minuten

Carbon Capture and Storage (CCS), also die CO₂-Abtrennung und -speicherung ist als Klimaschutzinstrument wieder in aller Munde. Dabei geht es meistens um die unterirdische Speicherung von CO₂. Welche Rolle können Biogasanlagen in dem Markt spielen?

Dwelle: Der Bioenergiesektor spielt dabei im Moment nur eine untergeordnete Rolle. Das gesamte Thema CO₂-Speicherung war in der Vergangenheit in Deutschland eher ein Tabuthema. CCS war ähnlich schlecht besetzt wie die Speicherung von Atommüll. Die neue Ausrichtung der Bundesregierung sehen wir als ersten Schritt in Richtung allgemeine Akzeptanz. Aber jetzt wäre es falsch, wenn sich das Thema nur auf die Abscheidung von CO₂ aus dem Abgas der Schwerindustrie wie Stahl- oder Zementproduktion beschränken würde. Die Industrie hätte damit keine Anreize, auf effizientere Prozesse, bessere Technologien und erneuerbare Energien zu setzen.

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Wie kann die Bioenergie von diesem neuen Markt profitieren?

Dwelle: Im Moment ist die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan der Schlüssel. Um aus dem Rohbiogas den Erdgasersatz zu machen, wird vor allem CO₂ vom Methan abgetrennt. Das CO₂ wurde bis dato in die Atmosphäre entlassen.

Diesen Prozess können wir für Negativemissionen nutzen. Denn anders, als bei der Stahlindustrie z.B. geben Biogasanlagen nur das CO₂ ab, das die Pflanzen und damit auch die Tiere vorher aufgenommen haben. Wenn wir dieses CO₂ abscheiden, bevor es in die Atmosphäre gelangt, sprechen wir von einer Negativemission.

Wenn man von allen Biogasanlagen in Deutschland flächendeckend das CO₂ abscheiden würde, wären das pro Jahr ca. 2,5 Mio. t CO₂ an Negativemissionen – ausgehend vom aktuellen Bestand. Wenn wir die Erzeugung so ausbauen wie es die EU mit REPowerEU vorsieht, ist da natürlich noch einiges mehr drin. Anders als bei anderen Technologien ist das sofort und mit überschaubarem Aufwand möglich.

Man kann aber ja auch CO₂ technisch der Luft entziehen und speichern.

Dwelle: Ja, über das Verfahren „Direct Air Capture“. Aber im direkten Vergleich schneidet die Biogasaufbereitung viel besser ab. Denn die Konzentration von CO₂, die in der Biomasse vorhanden ist, ist deutlich höher als in der Luft, wo der Anteil nur bei 0,04 % liegt. Beim Biogas können es je nach Substrat an die 50 % sein.

Kommt das nur für Biomethananlagen mit Gasaufbereitung infrage oder gibt es weitere Optionen?

Dwelle: Im Moment ist das der einfachste Weg. Denn das CO₂ liegt ja meist in hochreiner Form vor. Das Einzige, das man tun muss, ist die Verflüssigung des CO₂ für den Transport.

Es zeichnet sich aber noch ein zweiter Weg ab. Wir arbeiten beispielsweise mit dem Unternehmen Reverion eng zusammen. Der Hersteller hat eine reversible Brennstoffzelle entwickelt, die Rohbiogas ohne extern vorgeschaltete Aufbereitungstechnologie verstromen kann. In diesem Prozess fällt Wasser und reines CO₂ ab. Künftig könnte auch über diesen Weg CO₂ abgeschieden werden. Ansonsten gibt es im Zusammenhang mit Biogasanlagen keine weiteren Möglichkeiten.

Welche Märkte gibt es für das CO₂?

Dwelle: Für die Vermarktung gibt es verschiedene Wege. Ganz klassisch und jetzt schon ein Abnehmer ist die Lebensmittelindustrie, die CO₂ für Getränke oder Trockeneis benötigt. Das biogene CO₂ könnte das Gas aus fossilen Quellen ersetzen. Denn CO₂ zur Nutzung wird heute überwiegend aus Erdgas hergestellt. In Deutschland werden jährlich etwa 800.000 t CO₂ in der Lebensmittelindustrie benötigt. Diesen Markt könnten die vorhandenen Biogasanlagen leicht abdecken. Allerdings ist der CO₂-Markt von verschiedenen größeren Gashändlern dominiert. Die nutzen ihre starke Stellung, indem sie – neben den Normen und Gesetzen – die Anforderung vorgeben, die das CO₂ erfüllen muss.

Hier könnte Biogas aus Gülle und Mist ein Imageproblem haben – auch wenn die Qualität und der Geschmack überhaupt nicht beeinflusst werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, das CO₂ zu nutzen, um es in der Biogasanlage mit Wasserstoff zu synthetischem Methan zu veredeln oder in weiteren Prozessen ähnliche sy synthetische Kraftstoffe daraus herstellen.

In welcher Form wird es vermarktet?

Dwelle: Vermarktet wird CO2 physisch in flüssiger Form. Sollte sich eine Infrastruktur mit Pipelines ausbilden, könnte es auch gasförmig transportiert werden. Dann würde man sich den Verflüssigungsschritt und Straßen-/Schienen-/Wasserweg-Transporte sparen.

Welche Verflüssigungsverfahren haben sich als praxistauglich erwiesen?

Dwelle: Das ist nicht eindeutig zu beantworten und hängt u.a. mit der vorgeschalteten Biogas- Aufbereitungstechnologie zusammen. Wir haben gute Erfahrung gemacht mit Membrananlagen. Bei diesen kann man die Verflüssigung gut integrieren und eine Membranstufe einsparen. Das hat Effizienzvorteile, man kann auch die Aufbereitungsleistung erhöhen. Schwieriger ist es bei der Druckwasserwäsche. Denn da ist im CO₂-Strom noch viel Stick- und Sauerstoff („Luft“)enthalten, die sich nur mit weiterer Aufbereitung abtrennen lassen.

Die Verflüssigung an sich erfolgt über Abkühlung. Diese kann stromgeführt oder über Kühlmittel erfolgen. Wenn ein Betreiber viel erneuerbaren Strom zur Verfügung hat, kann es bspw. sinnvoller sein, diesen für die Verflüssigung zu nutzen.

Für welche Biogasanlagengrößen rechnet sich das?

Dwelle: Das hängt von vielen Faktoren ab. Aber pauschal kann man sagen: Bei Anlagen mit Biogasaufbereitung lohnt sich auch die CO2-Verflüssigung. Im Zuge des Ukrainekriegs und der Gasmangellage haben auch die Hersteller von Verflüssigungsanlagen erkannt, dass sich der klassische Erdgasmarkt verändert. Wir erwarten, dass sie sich darauf einstellen, auch weitere kleinere Anlagen herzustellen.

Wie teuer ist die Verflüssigung und welche Erlöse sind am Markt möglich?

Dwelle: Das ist sehr einzelfallabhängig. Aber wenn eine Aufbereitung besteht und man nur die Verflüssigung ergänzen muss, kann man von Kosten zwischen 2-3 Mio. € ausgehen. Die Betriebskosten hängen hauptsächlich vom Strompreis oder den Kühlmittelkosten ab.

Demgegenüber stehen Erlöse im Markt aus dem Mehrwert des Biomethans, also über die zusätzliche THG-Minderung, wenn das Biomethan bspw. als Kraftstoff vermarktet wird. Mit jedem Gramm vermiedene Emissionen steigt der Wert des Biomethans. Der Erlös hängt ab von den Quotenpreisen und den Substraten, die der Biogasanlagenbetreiber verwendet. Die Quotenpreise sind derzeit die Haupteinnahmequelle und können eine Verflüssigungsanlage bei aktuellen Preisen in wenigen Jahren amortisieren.

Ein eher kleinerer Erlösanteil ist physisches CO₂. Für Lebensmittel-CO₂ lassen sich zwischen 40 und 60 €/t, für industrielles CO₂ etwas weniger, 35-40 €/t erzielen. Das sind aber nur Richtwerte, welche regional abweichen können.

Wie schätzen Sie den künftigen Preis ein mit Blick auf die aktuelle Gasmangellage?

Dwelle: Im vergangenen Jahr gab es erstmals einen Mangel bei CO₂, weil Erdgas knapp und teuer war. Die Lage hat sich zwar wieder etwas entspannt. Aber wir werden weiterhin relativ hohe Preise für fossiles CO₂ haben. Dementsprechend gibt es Potenziale für biogenes CO₂, das sich nicht nur kostengünstig herstellen lässt, sondern auch erneuerbar ist. Denkbar wäre auch, dass es noch einen Bonus für regional produziertes CO₂ gibt, wenn die Abnehmer das marketingtechnisch nutzen können oder auch Vorteile bei den Transportkosten bestehen.

Wird die CO₂-Vermarktung ein neues Standbein neben dem Biomethanverkauf werden?

Dwelle: Ja, aber es wird vor allem mittelfristig eine Kombination sein. So wird der CO2-Verkauf das Biomethan aufwerten und die Erlöse verbessern. Der Landwirt hat aber bspw. auch die Option, in die Produktion von synthetischen Kraftstoffen einzusteigen. Damit wäre er nicht ausschließlich vom Biomethanmarkt abhängig, sondern könnte sich auch andere Absatzwege erschließen.

Bei der Speicherung von biogenem CO₂ hat man dagegen noch gewisse Herausforderungen. Sie kostet inklusive Transport zu den Speicherstätten von über 350 bis 400 €/t. Zudem werden die meisten Speicherprojekte voraussichtlich erst 2025-2027 starten.

Wie attraktiv der Weg wird, hängt von den politischen Rahmenbedingungen ab. Ein Beispiel ist der europäische CO₂-Zertifikatehandel (EU-ETS). Da ist die CO₂-Speicherung schon anerkannt, sodass Zertifikate generiert werden können. Im Moment ist der Zertifikatepreis aber zu gering, um die Speicherkosten zu decken. Das könnte dann das neue Standbein CO₂ für Biogasanlagen attraktiver machen.

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