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topplus Holzgas, Pflanzenkohle & Co.

Biomasse ist wichtiges Puzzleteil der Energiewende

Auf einer internationalen Konferenz zur Biomassevergasung diskutierten Experten in Innsbruck, wie Biomassse Wind- und Solarenergie ergänzen und mithilfe von Pflanzenkohle CO2 speichern kann.

Lesezeit: 7 Minuten

Zum 12. Mal fand letzte Woche die Internationale Anwenderkonferenz Biomassevergasung des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) in Innsbruck statt. Mit Blick auf den Weltmarkt und Fokus auf die DACH-Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz) diskutierten Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und Industrie über aktuelle Herausforderungen und Chancen der Branche im energiepolitischen Kontext. Eines der zentralen Themen: Wie kann Biomasse klimaschonend zur Deckung der Residuallast beitragen, also wenn weder Wind- noch Solarenergie verfügbar ist?

Holzgas gewinnt an Bedeutung

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Den Auftakt der Veranstaltung machte Hans-Christian Kirchmeier vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich sowie der IG Holzkraft. In seiner Keynote betonte er die großen technologischen Fortschritte, die die Branche in den letzten Jahren gemacht habe: „Wir beobachten, dass Biomasse und insbesondere Holzgas immer mehr an Bedeutung gewinnen, da die Technologien dahinter immer besser werden. Die eingesetzten Rohstoffe werden bei der Biomassevergasung deutlich effizienter genutzt, als bei anderen Technologien der Holzverbrennung zur Strom- und Wärmeerzeugung. Das ist besonders deshalb wichtig, da wir in Zukunft jede Kilowattstunde Strom und Wärme brauchen werden.“

Alle Technologien nötig

In der anschließenden Podiumsdiskussion sprachen Claus Heinrich-Stahl (B.KWK), Prof. Angela Hofmann (Management Center Innsbruck, MCI), Jitka Hrbek (BOKU Wien), Dr. Tim Pettenkofer (FVH) und Christoph Mizelli (NAWARO Energie) über die Zukunft der Biomassevergasung: Für die Dekarbonisierung der Wärme sehe man dezentrale Energiehöfe als einen wichtigen Teil der Lösung. „Wir brauchen den gesamten Strauß an verfügbaren Technologien“, so Claus-Heinrich Stahl und erklärte weiter: „Damit die Energiewende gelingt, benötigen wir dezentrale, flexible Erzeugungsanlagen, die dort Strom und Wärme herstellen, wo sie gebraucht werden. Wir müssen volatile Energien nutzen, wann immer sie verfügbar sind. Aber wenn sie es nicht sind, weil die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, lautet die Antwort Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).“

Stelle man sich die fluktuierende Wind- und Sonnenenergie als den Rumpf einer modernen Energieversorgung vor, so sei die KWK ihr Rückgrat, das Strom- und Wärme jederzeit steuerbar stabilisierend liefern könne. Betrieben mit heimischem Biogas, Biomethan oder auch Wasserstoff sei KWK eine klimaschonende Ergänzung zu Wind und Sonne.

Kombination mit Pflanzenkohle

Holzgas-KWK-Anlagen könnten alle anfallenden Abfall- und Reststoffe der Holzverarbeitung sowie Landschafts- und Kommunalpflege flexibel energetisch für die Strom- und Wärmeerzeugung nutzen. „Zusätzlich sind viele Holzvergaser in der Lage, neben Strom, Wärme und Kälte holzartige Rest- und Abfallstoffe in Verbindung mit Ad- und Absorptionsanlagen zu Pflanzenkohle umzuwandeln, die anschließend als Pflanzendünger, Betonzusatz und im Straßenbau oder für Aktivkohlefilter verwendet werden kann“, unterstrich Stahl.

Die Unverzichtbarkeit von Holz als Energieträger betonte auch Matthias Wanderwitz vom Energienetzwerk C.A.R.M.E.N.: „Wir sind uns dessen bewusst, dass Energieholz begrenzt verfügbar ist, ein Verzicht auf den erneuerbaren Energieträger Holz ist aber angesichts der Situation auf dem Strom- und Wärmemarkt nicht sinnvoll. Eine Nutzung sollte am besten dann erfolgen, wenn andere erneuerbare Energien nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Dazu bedarf es Rahmenbedingungen, die einen vorwiegenden Einsatz im Winterhalbjahr wirtschaftlich möglich machen.“

Klimapositive Holzvergasung

Dass Holzvergasung nicht nur emissionsarm, sondern sogar klimapositiv sein kann, zeigte der Anlagen-Hersteller SynCraft in seinem Beitrag über Rückwärtskraftwerke. Ausgestattet mit einer patentierten Schwebefestbett-Technologie erzeugen sie Wärme, Strom und Pflanzenkohle aus Reststoffen aus der Forstwirtschaft. Wenn Bäume absterben, wird 99,9 % des ursprünglich im Baum gespeicherten CO₂ bei der Verrottung wieder freigesetzt. Rückwärtskraftwerke setzen hingegen nur 70 % dieses CO₂ für die Energiegewinnung wieder frei. 30 % werden der Atmosphäre entzogen und als wertvoller, grüner Kohlenstoff gespeichert.

Wasserstoff aus Restmüll

Ein weiterer innovativer Aspekt, der auf der Konferenz beleuchtet wurde, war die Herstellung von Wasserstoff durch Biomassevergasung. In vielen Ländern, wie Schweden, den Niederlanden, USA, Kanada und China sind derzeit bereits Pilotanlagen im Einsatz, die aus Restmüll oder Holzabfällen Wasserstoff erzeugen. Dr. Jitka Hrbek (Universität für Bodenkultur Wien) erklärte in Ihrem Vortrag, dass die Zukunft der Biomassevergasung in der Abfallvergasung zur Herstellung von orangenem Wasserstoff liege. Es gebe hier aber aktuell noch Herausforderungen durch Verunreinigungen, weshalb mit Hochdruck an speziellen Technologien für saubere Prozesse geforscht werde.

Nebenprodukt Pflanzenkohle

Ein großes Thema waren auch die Anwendungsfelder von Pflanzenkohle, die als Nebenprodukt bei der Holzvergasung entsteht und CO₂ bindet, wie David Gurtner vom Management Center Innsbruck in seinem Beitrag erklärte. So lässt sich aus Vergaserkohle hochwertige Aktivkohle generieren, die beispielsweise zur Abwasserreinigung eingesetzt werden kann, indem sie Schadstoffe, wie Viren, Hormone und Pharmazeutika filtert. Ein Gramm Aktivkohle kann eine ganze Badewanne verunreinigtes Wasser säubern. Weitere Einsatzgebiete von Aktivkohle sind Kosmetika, Pharma-Produkte, Batterien oder Bodenpflanzen. Viele Städte setzen Biokohle, die als sehr ergiebiger Wasserspeicher dient, bereits ein, um urbane Grünoasen zu versorgen. Dieses Anwendungsgebiet ist recht neu und bietet viel Potenzial, da es in den Sommermonaten zunehmend schwieriger wird, Bäume in Städten vor dem Austrocknen zu schützen.

CCS wird kommen

Nicht zuletzt ging es um Chancen und Risiken des aktuell viel diskutierten Carbon Capture and Storage (CCS), ein Verfahren mit dem Kohlendioxid aus Kraftwerksabgasen abgetrennt und dauerhaft eingelagert wird. CCS sei, so Dr. Tim Pettenkofer vom Fachverband Holzenergie (FVH), ein spannendes Feld. Es müssten zwar erstmal entsprechende Gesetze angepasst werden, aber man könne davon ausgehen, dass CCS auf lange Sicht nötig werde. Die Frage sei also weniger ob es kommt, sondern wie und unter welchen Auflagen. Das werde in nächster Zeit ein großes Thema werden. Eher kritisch äußerte sich Prof. Angela Hofmann (MCI) hierzu: „Wir haben in der Vergangenheit auch geglaubt, dass Atommüll unter der Erde sicher verwahrt ist. Wenn wir schon CO₂ aus Verbrennungsanlagen abscheiden müssen, dann glaube ich, dass CCU eine bessere Lösung darstellt – zum Beispiel, um einen geschlossenen C-Kreis zu erhalten.“

Im Gegensatz zum CCS ist beim Carbon Capture and Utilization (CCU) nicht der Entzug von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre das primäre Ziel, sondern die Bereitstellung chemischer Rohstoffe. Fossile Kraftwerke mit CCU-Technik liefern also zunächst Kohlenstoffdioxid als Rohstoff für andere Anwendungen, der zwischenzeitlich gebunden wird, bei der energetischen Verwendung anschließend aber wieder freigesetzt und für den Kreislauf erneut eingefangen werden kann. Damit hat der CCU-Prozess per se keinen Klimaschutzeffekt, kann jedoch in einer Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle spielen.

Bedeutender Industriezweig

Abschließend resümierte B.KWK-Präsident Claus-Heinrich Stahl: „Die 12. Anwenderkonferenz Biomassevergasung machte einmal mehr deutlich, dass die Branche sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Industriezweig entwickelt hat. Holzgas und Biomasse bieten hervorragende Möglichkeiten, ökologisches Wirtschaften mit Klimaschutz und der Stärkung der Industrie zu kombinieren. Leider herrscht immer noch viel Unwissenheit über die enormen Potenziale, die hier schlummern. Holz ist eine sichere und verfügbare Ressource, ihm haftet jedoch das Image einer schmutzigen Energiequelle an. Dabei würden heutzutage für die Herstellung von Holzgas vor allem Reststoffe verwendet. Bei einem Kubikmeter Nutzholz würden zwei Kubikmeter Restholz anfallen. Holz sei ein Energiespeicher, der kurzfristig seine volle Energiekraft über die Holzvergasung freisetzen könne. Zudem sei die Holzvergasung technologisch heute so weit, dass sie als emissionsarm, mitunter sogar klimapositiv, bezeichnet werden könne. Stahl: „Auch an Motivation und Innovationskraft mangelt es der Branche nicht. Was aber länderübergreifend fehlt, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, damit die Biomasse ihren Platz in der Energiewende einnehmen kann.“

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