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Sind E-Fuels Hoffnungsträger oder Feigenblatt?

Mit synthetischen Kraftstoffen auf Basis von Wasserstoff wollen Berlin und Brüssel für mehr Klimaschutz im Verkehr sorgen. Ob das sinnvoll ist, darüber wird gestritten.

Lesezeit: 10 Minuten

Eigentlich sollte es EU-weit ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr geben. Deutschland hat aber kurz vor der Abstimmung der EU-Kommission im März 2023 ein Veto eingelegt und in mehrwöchigen Verhandlungen erreicht, dass Autos mit „E-Fuels“ betankt auch nach 2035 noch mit Verbrennungsmotor fahren dürfen. Die EU-Kommission will jetzt einen überarbeiteten Vorschlag vorlegen.

Schnell gelesen

E-Fuels werden mithilfe von Wasserstoff und CO2 hergestellt. Klimaneutral sind sie nur, wenn beide aus ­er­neuerbaren Energien stammen.

Befürworter sehen Vorteile darin, dass die bestehende Tankinfrastruktur und Motortechnik weiter genutzt werden können.

Kritiker bemängeln den geringen Wirkungsgrad, die noch hohen Kosten sowie die Konkurrenz um grünen Wasserstoff.

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E-Fuels nehmen auch in dem „Modernisierungspaket“ der Bundesregierung einen breiten Raum ein, auf das sich der Koalitionsausschuss Ende März geeinigt hat. Danach will die Bundesregierung Produktion und Nutzung mit entsprechenden Rahmenbedingungen anreizen, damit E-Fuels künftig an Tankstellen verkauft werden können. Bis zum Sommer soll zudem ein Fahrplan „für den Hochlauf synthetischer und klimaneutraler Kraftstoffe“ vorgelegt werden.

Was sind E-Fuels?

E-Fuels (auch als reFuels oder Power-to-Liquid (PtL) bezeichnet) sind synthetische Kraftstoffe. Sie werden aus Wasser und CO2 gewonnen. Das Wasser wird über die Elektrolyse mithilfe von Strom aus Wind- oder Solarenergie in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff getrennt. Daher spricht man auch von „strombasierten Kraftstoffen“. Das CO2 stammt entweder aus der Luft oder aus anderen Prozessen, wie z. B. der Bioethanol- oder Biomethanproduktion.

Aus den Rohstoffen H2 und CO2 entsteht mithilfe der Fischer-Tropsch-Synthese ein rohölähnliches Zwischenprodukt. Ein zweiter Weg ist die Methanolsynthese. Diese Zwischenprodukte sind nach der Aufbereitung in Raffinerien zu „E-Fuels“ als Ersatz für Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosin und Gas nutzbar und sollen herkömmliche Kraft- und Brennstoffe vollständig ersetzen können.

Hitzige Debatte

Um die synthetischen Kraftstoffe ist inzwischen eine kontroverse Debatte entstanden. Befürworter sehen Vorteile für Klimaschutz und Absatzchancen für überschüssigen erneuerbaren Strom oder CO2, das z. B. bei der Biokraftstoff- oder Biomethanproduktion anfällt. Kritiker führen dagegen die schlechtere Effizienz gegenüber der Elektromobilität und z. T. auch gegenüber fossilen Kraftstoffen an.

Der Fahrzeugverkehr ist einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen. Der Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe gilt vor allem dort als sinnvoll, wo batterieelektrische Lösungen noch keine echten Alternativen darstellen. „Auf flüssige Kraftstoffe werden wir auf absehbare Zeit nicht verzichten können, etwa im Bereich des Schwerlastverkehrs, der Schiff- und Luftfahrt, aber auch in der Auto-Bestandsflotte“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Transfer und Internationales des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Klimaschutzwirkung

„E-Fuels versprechen nicht nur eine bis zu 90-prozentige CO2-Reduktion gegenüber herkömmlichen Treibstoffen, sie erlauben auch die weitere Nutzung der bestehenden Fahrzeugflotten mit Verbrennungsmotor – und der gesamten Tank-Infrastruktur von der Herstellung über den Transport bis zum Vertrieb“, nennt Hirth die Vorteile.

Als „klimaneutral“ gelten E-Fuels aber nur, wenn der Strom für die Elektrolyse aus erneuerbaren Quellen stammt und das CO2 entweder aus der Luft oder aus der Herstellung von erneuerbaren Energien gewonnen wird. Das Öko-Institut kommt zu dem Schluss, dass E-Fuels erst ab einem Anteil von 70 % erneuerbarem Strom bei der Herstellung klimafreundlicher als fossiler Diesel sind.

Nachhaltigkeit

Ein wichtiger Aspekt für die Nachhaltigkeit ist der Wasserverbrauch für die Elektrolyse. Pro Liter E-Fuel sind laut Studie „E-Fuels im Verkehrssektor“ des Öko-Instituts 1,4 l Wasser nötig. Einige der oft als Beststandorte für die Herstellung strombasierter Stoffe diskutierten Regionen weisen eine hohe Sonneneinstrahlung auf und gehören zu den trockensten Regionen der Welt. „Die Wasserversorgung ist in vielen dieser Regionen bereits heute mangelhaft“, kritisieren die Autoren der Studie. Als Alternative wird entsalztes Meerwasser diskutiert. Aber auch hier müssten strenge Nachhaltigkeitskriterien gelten, fordern die Wissenschaftler.

Effizienz

Das Öko-Institut gibt in seiner Kurzstudie an, dass der Wirkungsgrad bei E-Fuels vom Strom bis zum Kraftstoff bei 47 %, im besten Fall bei 63 % liegt. Durch die Verbrennung der E-Fuels entsteht in den Verkehrsmitteln dieselbe Menge an Treibhausgasemissionen wie bei der Nutzung fossiler Kraftstoffe. ­E-Fuels sind daher erst dann klimaneutral, wenn auch der benötigte Energiebedarf der Umwandlungsprozesse emissionsfrei ist, lautet das Fazit der Studienautoren.

Demgegenüber hätten batterieelektrische Fahrzeuge den Vorteil, dass der Strom ohne weitere chemische Umwandlungsprozesse genutzt werden kann. Elektroautos benötigen für die gleiche Wegstrecke 3,5- bis 5-mal weniger Strom als Fahrzeuge mit E-Fuels.

„Das häufig unreflektiert angebrachte Argument, wonach E-Fuels im Vergleich zur direkten Stromanwendung zu ineffizient seien, überschattet die eigentlich zu beantwortende Frage: Wie können wir fossile Kraftstoffe möglichst schnell zu möglichst geringen Kosten ersetzen?“, hält die „eFuel Alliance“ dagegen. Die eFuel Alliance ist eine Interessensgemeinschaft, die sich für die industrielle Produktion von synthetischen flüssigen Kraft- und Brennstoffen aus erneuerbaren Energien einsetzt.

Importbedarf

Bei der Produktion in Deutschland müssten laut Öko-Institut für die Kraftstoffproduktion etwa 485 bis 610 Offshore-Windräder oder 2.300 bis 2.900 Windkraftanlagen an Land zusätzlich zu dem ohnehin angestrebten Ausbau der erneuerbaren Energien den Betrieb aufnehmen.

„Grüner“ Wasserstoff aus erneuerbaren Energien muss aber nicht unbedingt in Deutschland hergestellt werden, sondern lässt sich in verschiedenen Regionen der Welt produzieren. Laut KIT könnten wind- und sonnenreiche Länder Ausgangsstoffe für die E-Fuel-Produktion wie Methanol produzieren und nach Deutschland exportieren. Die eigentlichen Kraftstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin könnten dann in heimischen Raffinerien produziert werden.

So erreicht ein Windrad in Chile laut „eFuel Alliance“ viermal mehr Volllaststunden als vergleichbare Technik in Deutschland. Oder eine Solaranlage in der Sahara produziert mehr als doppelt so viel Strom wie eine Anlage in Freiburg, einem der sonnigsten Flecken in Deutschland. Darum sind nach Ansicht der eFuel Alliance Energiepartnerschaften mit anderen Ländern nötig. „Wenn eFuels in bevorzugten Regionen außerhalb Europas produziert werden, konkurrieren sie nicht um den in Deutschland noch immer knappen erneuerbaren Strom“, heißt es in einem Factsheet der eFuel Alliance.

Chile besäße beispielsweise nach eigenen Angaben das Potenzial von 70-mal mehr erneuerbare Energien als es zum Eigenbedarf benötigt. Ähnliches gelte für andere Regionen in Nord- und Südamerika, Afrika und Australien.

Andere Studien sagen, dass Strom weltweit nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat hierzu errechnet, dass die weltweite erneuerbare Stromproduktion im Vergleich zum heutigen Stand fast verdoppelt werden müsste, um im Jahr 2050 mit grünem Wasserstoff und synthe­tischen Brenn- und Kraftstoffen einschließlich E-Fuels einen weltweiten Anteil von 10 % am Endenergieverbrauch zu erreichen.

Wasserstoffkonkurrenz

Der Einsatz von grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen sollte sich laut Fraunhofer ISI auf Bereiche konzentrieren, in denen keine anderen wirtschaftlichen Alternativen zum Erreichen der Treibhausgasneutralität zur Verfügung stehen, wie den Stahlsektor, die Grundstoffchemie, Raffinerien und den internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Alleine auf diese Anwendungen entfallen rund 15 % des Endenergiebedarfs Deutschlands im Jahr 2045. Für den Straßenverkehr verblieben kaum nutzbare Mengen.

Kosten

Rund 60 % der Kosten für die Herstellung von synthetischem Kraftstoff entfallen auf den erneuerbaren Strom, der für die Wasserstoffproduktion mithilfe der Elektrolyse benötigt wird. E-Fuels sind laut Fraunhofer ISI teuer und ­können von einkommensschwächeren Haushalten in Zukunft kaum bezahlt werden: Selbst wenn die Kostensenkungspotenziale für 2050 gehoben würden, läge der Preis noch zwischen 1,20 und 3,60 €/l für E-Fuels – zuzüglich Kosten für Steuern, Abgaben, Gewinnmargen, Vertrieb sowie für Forschung- und Entwicklung.

Die eFuel Alliance dagegen argumentiert, dass die Stromproduktion in Gunstregionen wie Chile oder Afrika die Stromkosten erheblich senkt. E-Fuels aus diesen Regionen lassen sich heute schon zu Kosten von 1 bis 2 €/l produzieren. Größere Mengen seien bereits 2023 verfügbar.

Mit einer Energiesteuerermäßigung könnte die EU-Kommission die Mehrkosten des Kraftstoffs gegenüber Diesel oder Benzin kompensieren, schlägt die Interessengemeinschaft vor. Ebenso können E-Fuels fossilen Kraftstoffen beigemischt werden. „Mit einer Beimischung von 5 % E-Fuels zusätzlich in den Europäischen Kraftstoffmix könnten 60 Mio. t CO2 eingespart werden. Zugleich ließen sich damit 70 % der russischen Rohölimporte ersetzen“, betont die Alliance.

Das Fraunhofer ISI dagegen hat errechnet, dass die CO2-Vermeidungskosten bei Pkw mit E-Fuels im Jahr 2030 bei ca. 1 000 €/t Tonne CO2 und damit um ein Vielfaches über denen der Elektromobilität oder anderer Klimaschutzmaßnahmen liegen.

Aktuelle Entwicklung

Es gibt derzeit eine Reihe von Aktivitäten rund um E-Fuels. Hier nur drei Beispiele:

Das Zentrum für Sonnenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg entwickelt mit Strom aus erneuerbaren Energien synthetisches flüssiges Methan aus Wasserstoff und Luft – sogenanntes eLNG.

Im Verbundprojekt „Synergy Fuels“ wollen Forscher die Produktion von E-Fuels und Biokraftstoffen zusammenschalten. Produkte wie Wärme, CO2 oder Wasserstoff, die im Herstellungsprozess „nebenbei“ anfallen, sollen dabei für weitere Prozesse genutzt werden. „Die Nutzung von erneuerbarem Strom zur Umwandlung von CO2 zu flüssigen Kraftstoffen erhöht die Kohlenstoffeffizienz der biotechnologischen Verfahren. Zudem ermöglicht die langfristige Kohlenstoffbindung in Form des Nebenprodukts Pflanzenkohle sogar negative CO2-Emissionen, also eine netto Kohlenstoffabscheidung aus der Atmosphäre“, sagt Projektkoordinator Prof. Jakob Burger, Professor für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik der Technischen Universität München.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) will im Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt im Jahr 2024 die bislang größte deutsche Forschungsanlage für strombasierte Kraftstoffe bauen, um E-Fuels in industriellem Maßstab herzustellen. Dazu wird das DLR dort mit Unternehmen und weiteren Forschungseinrichtungen die dafür notwendigen großtechnischen Technologien und Verfahren entwickeln und testen.

Was jetzt nötig ist

„Für den schnellen Markthochlauf brauchen wir Klarheit und langfristige Sicherheit für die Anrechnung von erneuerbaren, strombasierten Kraftstoffen auf die Treibhausgasminderungsquote“, sagt Dr. Andreas Krobjilowski, technischer Geschäftsführer der Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe, wo ebenfalls eine industrielle Produktionsanlage für E-Fuels geplant ist. Ebenso fehlen noch klare regulatorische Rahmenbedingungen für deren Einsatz als Reinkraftstoff. Denn in Deutschland sind bisher nur bis zu 33 % Beimischung von E-Fuels erlaubt.

Bislang werden strombasierte Kraftstoffe vorwiegend im Forschungs­maßstab produziert. Wenn es künftig ­steigende Beimischungsquoten dieser Kraftstoffe geben soll und genügend E-Fuels für den Luft- und Schiffsverkehr zur Verfügung stehen sollen, müssen viel größere Mengen auf industrieller Ebene produziert werden. Wissenschaftler, Verbände und Firmen haben sich auf der Plattform InnoFuels zusammengeschlossen, um die geeignete Technik, die richtigen Rahmenbedingungen und andere Fragen für einen schnellen Einstieg in die Produktion von synthetischen Kraftstoffen zu klären.

Bei allen Aussagen rund um Klimaschutzwirkung, Effizienz und Kosten ist zu beachten: Ähnlich wie bei Biokraftstoffen und vielen anderen Energieträgern ist eine pauschale Aussage kaum möglich, sondern hängt von den vielen Annahmen ab, die die jeweiligen Studienautoren getroffen haben. Die eFuel Alliance bringt es auf den Punkt: „Keine Technologie hat nur Vor- oder nur Nachteile.“

Studien und Links

Rund um E-Fuels gibt es eine Reihe von Positionspapieren, Studien und weiteren Infos:

Studie „E-Fuels im Verkehrssektor“ vom Öko-Institut:  www.oeko.de

„Mythenpapier“ E-Fuels für Pkw der Deutschen Umwelthilfe:  www.duh.de

Diskussionspapier des Fraunhofer ISI zu E-Fuels:  www.isi.fraunhofer.de

Infos zu E-Fuels allgemein:  www.efuel-alliance.eu

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