Die niedersächsische Landesregierung will die Ausschreibungsmenge für Freiflächen-Photovoltaik in benachteiligten Gebieten von landesweit 150 Megawatt auf 500 Megawatt zu installierender Leistung je Kalenderjahr erhöhen. Dazu hat das Landeskabinett am 21. November beschlossen, die Freiflächensolar-Verordnung zu ändern.
Die Änderung hat die „Taskforce Energiewende“ vorgeschlagen, die von der Landesregierung Anfang 2023 zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien eingerichtet worden ist. Die Bundesnetzagentur schreibt regelmäßig neu zu installierende Strommengen durch Freiflächen-Solaranlagen aus, die dann in das Stromnetz eingespeist werden können.
„Niedersachsen will 5 Gigawatt Photovoltaik pro Jahr installieren“, so Niedersachsens Energieminister Christian Meyer. „Dazu brauchen wir auch Freiflächen-PV, vorzugsweise auf landwirtschaftlichen Flächen mit geringer Bodengüte und Ertrag.“
Von den geplanten 65 Gigawatt (GW) Solarstrom bis 2035 sollen nach der Klimaschutzstrategie des Landes mindestens 50 GW auf Dächern und versiegelten Flächen sowie 15 GW Freiflächen-PV möglichst flächenschonend auf 0,5 % der Landesfläche realisiert werden. „Hier bietet sich an, vor allem die wenig ertragreichen Standorte bevorzugt in den Blick zu nehmen“, so Minister Meyer.
Damit für geeignete Projekte keine Hürden entstehen, wird von der derzeitigen „Opt-In-Möglichkeit“ des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) Gebrauch gemacht. Das heißt, das Land nutzt die Option, in benachteiligten Gebieten mehr Freiflächen-Solaranlagen zuzulassen, um die Ausbauziele zu verwirklichen.
Landvolk kritisiert Flächenhunger
„Die Politik setzt atemberaubende Zubauziele, kein Wunder, dass am Flächenmarkt bei den Projektierern Goldgräberstimmung herrscht“, erklärt Jochen Oestmann, Vorsitzender des Ausschusses Erneuerbare Energien im Landvolk Niedersachsen. Aktuell wetteifern die Projektierer aggressiv mit teilweise unseriösen Pacht- oder gar Kaufangeboten um die Ackerflächen – auch an guten Standorten.
Ackerflächen dienen aber in erster Linie der Lebensmittelerzeugung. „Auf ertragsstarken Flächen müssen landwirtschaftliche Früchte angebaut werden. Solarparks gehören da nicht hin, zumal nach einem Ende der PV-Nutzung in 20 bis 30 Jahren die Fläche wegen des Naturschutzes nicht mehr beackert werden darf. Aber auch bei weniger ertragsreichen Standorten muss der Landwirt bei der Verpachtung als PV-Freifläche Vorsicht walten lassen“, mahnt Harald Wedemeyer, Rechtsanwalt beim Landesbauernverband, und rät zur umfassenden Beratung. „Es gibt viele, vor allem rechtliche und steuerrechtliche Unwägbarkeiten zu bedenken. Wir raten, sich gut beraten zu lassen und nicht vorschnell eine Unterschrift zu leisten, sonst gibt man alles aus der Hand.“
Bis zu 14 Projektierer an einer Fläche
Sehr hohe Pachtbeträge für Solar-Parkflächen bieten die Projektierer. „Da wird so mancher Bauer weich – besondere wirtschaftliche oder persönliche Situationen werden ausgenutzt“, schildert Oestmann das Auftreten. Zudem werde Druck aufgebaut, sich schnell zu entscheiden, da das Angebot sonst verfalle. „Uns sind Fälle bekannt, wo bis zu 14 Projektierer an einer Ackerfläche interessiert sind. Seitens der Projektierer wird das auch nicht dementiert“, schildert Oestmann. Es werde eine Neiddebatte losgetreten, die unschön ist.
Fallstricke für Landwirte
Vorsicht ist deshalb geboten, hängen doch an den Pachtverträgen für die Freiflächen-PV einige Fallstricke für den Landwirt. So ist steuerlich die Erbschafts- und Schenkungssteuer zu beachten. Es sollte unbedingt der Steuerberater kontaktiert werden, wechselt die Grundsteuer von A auf B, und die Verpachtung hat auch steuerlich Einfluss bei der Abfindung weichender Erben bei der Höfeordnung.
Wertverlust befürchtet
Wedemeyer weist zudem darauf hin, dass die Flächen erheblich an Wert verlieren werden, wenn ein Solarpark nach Ende der Vertragslaufzeit zurückgebaut wird. Die Ackerflächen werden dann nicht mehr als Acker nutzbar sein, weil sich auf der Fläche unter Naturschutz stehende Flora und Fauna entwickelt haben wird. „Der Wertverlust, den die einstige Ackerfläche dadurch erfährt, wenn sie anschließend nur noch als „unter Schutz stehendes“ Dauergrünland eingestuft wird, ist nicht zu unterschätzen. Diesen Schaden müssen die Projektierer bzw. die Anlagenbetreiber eigentlich ersetzen. Diese verweisen aber auf die Pachtzahlungen, die aber vor allem auf guten Standorten bei weitem nicht den Wertverlust ausgleichen“, zeigt Wedemeyer auf.
Negative Preise als Folge
Das Landvolk sieht einerseits die Notwendigkeit des Ausbaus regenerativer Energien, forderte aber von Beginn an schlüssige Konzepte. „Wir werden künftig so viel erneuerbaren Strom am Markt haben, dass die Preise häufig negativ sein werden. Dann gibt es auch keine EEG-Zahlungen mehr und Anlagenbetreiber geraten in eine wirtschaftliche Notlage“, warnt Oestmann.
Da helfe nur noch, den Strom zwischenzuspeichern. Solche Speicherlösungen sollten aber nicht nur anlagenbezogen gedacht, sondern gemeinsam mit anderen Wind- und Solaranlagen betrieben werden. „Deshalb brauchen wir regionale Energiekonzepte und eine darauf aufsetzende kommunale Standortfindung“, verweist Oestmann auf die Komplexität des Ausbaus. Generell sieht der Landesbauernverband ertragsschwache Standorte für Freiflächen-PV-Anlagen als geeignet an, doch der ländliche Raum insgesamt müsse zur Akzeptanz dabei mitgenommen werden.
Netzausbau zu langsam
Neben den notwendigen Speichern ist gleichzeitig der Leitungsbau auf allen Ebenen zu forcieren. Ein zu geringer und langsamer Leitungsausbau führt dazu, dass der produzierte Strom nicht abgeleitet werden kann. „Wenn die Energiewende gelingen soll, müssen alle Kapazitäten und Leitungen parallel ertüchtigt und vor allem Speicher gebaut werden. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden. Im Übrigen muss insbesondere für die Zeiträume der Dunkelflaute im Winterhalbjahr grüne Energie in Form von Wasserstoff gespeichert werden. Dazu sind umfassende Energiekonzepte nötig: Das Landvolk hat schon immer eine gute Planung betont, Grenzen aufgezeigt und Ideen eingebracht.“, fordert Jochen Oestmann ein zeitnahes, gemeinsames Handeln, damit die Energiewende gelingt und gleichzeitig wertvolles Ackerland für zukünftige Lebendmittelproduktion nicht verloren geht.