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topplus Akzeptanz von Freiflächenanlagen

6 Tipps: Wie Solarparks einen Mehrwert für alle bieten können

Der Boom bei Freiflächenanlagen führt mancherorts zu Konflikten. Kommunen können für mehr Akzeptanz bei Landwirten und Bürgern sorgen. Bei guter Planung profitieren alle davon.

Lesezeit: 10 Minuten

SCHNELL GELESEN

Gemeinden sind gefordert, Solarparkflächen so auszuweisen, dass die Landwirtschaft nicht darunter leidet.
Eine pragmatische Lösung ist das Vorgehen der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld.
Der Flächenverbrauch lässt sich mit Mehrfachnutzung minimieren, z.B. mit Agri- oder Moor-PV sowie Biodiv-Solarparks.
Eine Bürgerbeteiligung schafft Mehrwert und Akzeptanz in der Region.

Solarparks werden nach Ansicht der Bundesregierung dringend benötigt, da Dächer oder bereits versiegelte Flächen allein nicht ausreichen werden, um die Energie- und Klimaziele in Deutschland zu erreichen. Heute sind knapp 38.000 ha mit Solarparks belegt. Das entspricht zwar erst 0,24 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland (siehe Übersicht). Doch der Druck wächst: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Flächenverbrauch für Verkehrs- und Siedlungsflächen in den Jahren 2018 bis 2021 durchschnittlich um 55 ha/Tag gewachsen, mit leicht steigendem Trend.

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Wenn der Ausbau der Photovoltaik bis 2030 zur Hälfte über herkömmliche Freiflächenanlagen erfolgt, rechnet der Deutsche Bauernverband mit einem zusätzlichen Flächenverlust in der Landwirtschaft von etwa 80.000 ha bis 2030.

Daneben gibt es weitere Kritik:

  • Bürger wehren sich – meist aus optischen Gründen – gegen die großen Parks, die sich nicht selten auf 10 ha und mehr ausdehnen.
  • Naturschützer beklagen das Zerschneiden der Landschaft durch die hohen Maschendrahtzäune, die die Parks aus Versicherungsgründen umgeben.

Zur Lösung der Konflikte haben sich bestimmte Maßnahmen bewährt.

Maßnahme 1: Vorhandene Dachflächen ausnutzen

Verbände aus Landwirtschaft und Naturschutz fordern, vor dem Bau von Freiflächenanlagen erst einmal die vorhandenen Dächer zu nutzen. Hierzu gibt es noch viel Potenzial: Laut einer Studie von EuPD Research waren im Jahr 2020 noch 89 % der für Solarenergie möglichen Dachflächen von Ein- und Zweifamilienhäusern ungenutzt. Und das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) sieht sogar ein Potenzial von 500 GW auf Dachflächen und 400 GW an Fassaden, womit Freiflächenanlagen gar nicht nötig wären.

Maßnahme 2: Flächen steuern

Viele Gemeinden werden seit gut zwei Jahren mit Anfragen zum Bau von Solarparks überrannt. Denn anders als Windparks sind die Solaranlagen auf der Freifläche nicht privilegiert. Das bedeutet: Für den Bau müssen immer ein Flächennutzungs- und ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Und dafür zuständig ist die Gemeinde.

Einzige Ausnahme sind Flächen im Abstand von 200 m entlang von Autobahnen und zweigleisigen Schienenwegen des übergeordneten Netzes. Bei diesen Flächen hat die Kommune kein Mitspracherecht mehr.

„Auch wir spüren den zunehmenden Druck durch die Projektierer. Wir wollen die Energiewende voranbringen, aber nicht alles dem freien Markt überlassen. Denn wir müssen auch dafür sorgen, dass Landwirte genügend Produktionsflächen behalten“, sagt Fred Jüngerich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld (Rheinland-Pfalz).

Um auf Anfragen von Projektierern vorbereitet zu sein und die Interessen der Landwirte berücksichtigen zu können, hat die Verbandsgemeinde eine Flächenpotenzialstudie erstellt. Dazu hat die Verwaltung zunächst den Strombedarf für die nächsten Jahre ermittelt. Geht man von einem Mehrverbrauch für strombasierte Heizungen und Elektromobilität aus, ergeben sich 226 Mio. kWh Strom pro Jahr. Diese sollen zu je einem Drittel mit Windenergie, Photovoltaik auf versiegelten Flächen bzw. Dächern und Freiflächen-Solaranlagen produziert werden. Ein Drittel wären jährlich 76 Mio. kWh.

„Geht man von etwa 1.000 kWh pro MW installierter Leistung und 1,1 ha aus, die pro Megawatt Leistung nötig wären, kämen wir also auf einen Bedarf von 84 ha für Freiflächenanlagen“, rechnet Klimaschutzmanagerin Julia Stahl vor. Daraufhin hat der Verbandsgemeinderat den Beschluss gefasst, maximal 84 ha für Photovoltaik-Freiflächenanlagen auszuweisen.

Das Ingenieurbüro hat in der Verbandsgemeinde das Potenzial aller Flächen unter einer Ertragsmesszahl von 35 ermittelt, dem durchschnittlichen Wert für Rheinland-Pfalz. „Mit diesem Wert hätten wir eine hohe Konzentration von Potenzialflächen im Norden der Gemeinde und würden mit Sicherheit zwei bis drei Vollerwerbsbetriebe in Mitleidenschaft ziehen“, erklärt sie.

Darum hat das Ingenieurbüro im zweiten Schritt mit der Ertragsmesszahl 41 den regionaltypischen Durchschnitt der Kommune als Auswahlkriterium genommen. Ergebnis: Darunter fallen 2.700 ha, die über das gesamte Gemeindegebiet verteilt sind. „Für die Landwirtschaft ist entscheidend, wo die Parks genau stehen. Wir müssen aufpassen, dass die Viehhaltung nicht darunter leidet, da sie wegen der Flächenbindung auf die Flächen angewiesen sind“, forderte Mario Orfgen, Vertreter des Sprecherteams der Initiative „Landwirtschaft, die Werte schafft“ in einer Podiumsdiskussion zu dem Freiflächenkonzept der Verbandsgemeinde.

Mit der im Jahr 2022 gestarteten Initiative wollen die Landwirte die besondere Bedeutung der Landwirtschaft in der Raiffeisen-Region sowie den Regionen Rhein-Wied und Westerwald-Sieg herausstellen und dabei vor allem auf den öffentlichen Dialog mit Bürgern, der Politik und den Verbänden setzen. „Der offene Dialog ist im Moment das Beste, um zu einem befriedigenden Kompromiss für alle Seiten zu kommen. Denn wir alle brauchen den Strom und darum eine gemeinsame Lösung“, fasst Bürgermeister Jüngerich zusammen.

Eine Möglichkeit dafür ist es, eine Fachbehörde wie z.B. die Land­wirtschaftskammer bzw. Landwirtschaftsämter einzuschalten. Laut Alois Hadeier vom bayerischen Centralen Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerk (C.A.R.M.E.N.) könnten Kommunen beim Aufstellen von Bebauungsplänen Pflicht- und Optionalkriterien aufstellen, die sich positiv auf die Zustimmung auswirken – nicht nur bei den Landwirten, sondern auch bei der Bevölkerung. Dazu gehört neben Gestaltungsmerkmalen wie ein Mindestmodulreihenabstand, wie man Landschaftsstrukturen als Sichtschutz nutzen kann oder den Fokus auf vorbelastete bzw. unattraktive Flächen setzt. „Gut ist auch, wenn der Betreiber des Solarparks seinen Sitz in der Gemeinde hat. Dann ist der Ansprechpartner greifbar und die Gewerbesteuer bleibt vor Ort“, sagt er.

Maßnahme 3: Flächenverbrauch senken

Über den Flächenbedarf entscheiden auch Größe und Ausrichtung. „Kleinere Anlagen haben eine vergleichsweise große Randfläche. Während bei einer 20 MW-Anlage 1 MW pro Hektar installiert werden können, brauchen wir für 750 kW dagegen die doppelte Fläche“, erklärt Clemens Garnhartner, Photovoltaikexperte bei C.A.R.M.E.N. Zudem lassen sich bei einem Südhang die Modulreihen näher zusammenstellen als bei einem Nordhang. Denn nach Norden ausgerichtete Module beschatten sich mehr.

Der Flächenverbrauch lässt sich nach Ansicht von Experten ebenfalls mit der Agri-Photovoltaik reduzieren. Bei dieser Produktionsform könnten Module nötige Strukturen wie Hagelschutznetze oder Folien im Garten-, Obst- oder Weinbau ersetzen. Ebenso werden aktuell senkrecht aufgeständerte Anlagen im Grünland getestet.

Maßnahme 4: Naturschutz mit ins Boot holen

Eine Zweifachnutzung ist auch bei Mooren möglich: „Die teilweise Beschattung durch die Module wirkt der Austrocknung der Moorflächen entgegen und unterstützt deren Wiedervernässung“, heißt es in dem Hintergrundpapier „Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland“ des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE). Auf Basis der landwirtschaftlich genutzten Moorfläche von 1,1 Mio. ha und einer Belegungsdichte von 0,25 bis 0,6 MW/ha ergibt sich ein technisches Potenzial von 270 bis 660 GW.

Genauso könnte man Naturschutz mit der Stromerzeugung kombinieren: Vergrößerte Reihenabstände der Modultische, leicht erhöhte Aufständerung der Module, Einsaat von Wildpflanzenmischungen anstelle von Grasmonokultur und behutsame Grünpflege lassen ein Solar-Biotop entstehen, schlägt das Fraunhofer ISE vor.

Kritisch sehen Naturschützer und Jäger die aus versicherungstechnischen Gründen nötige Umzäunung. „In Bayern werden täglich rund 2 ha an Flächen für PV-Freiflächen eingezäunt“, erklärt Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Als Lösung hat sein Ministerium einen „Rehdurchschlupf“ präsentiert, den erste Versicherungen in Bayern bereits anerkannt haben. Hierbei sind in einem geschweißten Metallrahmen von maximal 90 cm Höhe und 1 m Breite im Abstand von 20 cm Metallstäbe eingeschweißt. Dadurch können Wildtiere bis einschließlich Rehgröße in die ansonsten abgezäunte Fläche ein- und wieder ausschlüpfen und die Fläche weiterhin als Lebensraum nutzen.

Die Flächen können nach Aiwangers Ansicht mit Büschen, Äsungs- und Deckungsflächen sogar ökologische Trittsteine für Arten werden, deren Lebensraum ansonsten angeschnitten worden wäre. „Das könnte die Akzeptanz für den Zubau weiterer PV-Freiflächen verbessern. Ich will nicht, dass hier die Stimmung kippt“, sagt der Minister.

Maßnahme 5: Solarpark statt Energiepflanzen

In Deutschland wachsen auf 14 % der landwirtschaftlichen Fläche Energiepflanzen, auf 10 % davon Pflanzen für Biogasanlagen. Biogas bleibt eine wichtige Energieform, da sie Methanemissionen bei Wirtschaftsdünger vermeidet und bedarfsgerecht neben Strom auch Wärme erzeugt.

Die Biogasbranche nutzt aber immer stärker landwirtschaftliche Reststoffe wie Gülle oder Mist, Stroh oder den Aufwuchs von Blühflächen. Freiwerdende Flächen könnten mit Photovoltaik sinnvoll ­genutzt werden, wie Garnhartner (C.A.R.M.E.N.) vorrechnet: „Mit 1 ha Mais lassen sich rund 20.000 kWh Strom und 40 bis 50.000 kWh Wärme erzeugen. Würde man auf dem Hektar einen Solarpark bauen, könnte man damit im Jahr 800.000 bis 1,3 Mio. kWh Strom erzeugen, also mindestens das 40-fache.“ In Kombination mit Energiespeichern könnte die Solarenergie auf nur 1 % der landwirtschaftlichen Fläche 30 % des Strombedarfs in Deutschland decken.

Maßnahme 6: Bürger beteiligen

Auch bei Bürgern ist bei der stark wachsenden Zahl von Anlagen Akzeptanz nötig. Noch ist der Zuspruch groß, wie eine Akzeptanzumfrage der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) zeigt: Solarparks sind gleich hinter ­Solardachanlagen die zweitbeliebteste Energieform (Übersicht 2). Aber in Regionen mit vielen Parks könnte sich das ändern.

Mit einer Beteiligung steigt die Akzeptanz, wie viele Projekte in der Praxis zeigen. Damit wird der Beteiligte zum Miteigentümer mit Mitspracherecht.

Akzeptanzsteigernd könnte auch ein Regionalstromtarif sein, bei dem der erzeugte Strom aus Wind- und Solarparks sowie Biogasanlagen vermarktet wird und nur noch Reststrommengen dazugekauft werden. „Oft ist hierbei ein lokaler Energieversorger bzw. ein Netzbetreiber als Partner mit im Boot“, sagt Hadeier. Ziel ist es dabei, dass die Einwohner von günstigen Stromtarifen profitieren und sich so mit den dezentralen Energieanlagen vor Ort identifizieren.

Eine weitere Option ist die Beteiligung der Gemeinden, z.B. als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG. Neben Gewerbesteuern gibt es auch die Möglichkeit laut EEG, dass Betreiber 0,2 ct/kWh der Stromeinnahmen an die Gemeinde zahlen, ohne dass das als unzulässige Gefälligkeit gewertet wird. „Die Einnahmen kommen der Gemeinschaft zugute, z. B. zur Förderung von Schulen, Kindergärten oder Vereinen“, begründet er das.

Königsweg Bürgerenergie

Zur Förderung von akzeptanz- und teilhabefördernden Maßnahmen haben der Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE), das Bündnis Bürgerenergie e. V. und der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. (DGRV) ein Modell für eine Ausgestaltung des “Energy Sharings” in Deutschland erarbeitet.

Energy Sharing bedeutet, dass sich regionale Stromverbraucher wie Privathaushalte, Kommunen und mittelständische Unternehmen zu einer Bürgerenergiegesellschaft zusammenschließen und gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen betreiben. Hierfür hatte die Europäische Union die nationale Umsetzung des Energy Sharings bereits bis Mitte 2021 gefordert. „Die Bundesregierung muss jetzt, ähnlich wie es in anderen Ländern schon geschieht, die bestehenden Potenziale ausschöpfen“, heißt es in einer Pressemitteilung der drei Verbände.




Infos & Links zur Solarparkplanung

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