Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Gaskrise

Update Energieversorgung: Lage bleibt trotz Nord Stream 1 angespannt

In unserem wöchentlichen Update zur Energiekrise fassen wir die wichtigsten Entwicklungen zur Versorgungslage, politischen Entscheidungen und Marktentwicklungen zusammen.

Lesezeit: 10 Minuten

Wichtigstes Thema in dieser Woche war das Ende der Wartungsarbeiten bei der Pipeline Nord Stream 1. Rund um dieses Ereignis gab es neue politische Entscheidungen und neue Vorschläge u.a. für mehr Biogas oder eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken:

Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Energiesicherungspaket

Die Gasversorgungslage in Deutschland ist weiterhin angespannt. „Es spräche technisch nichts dagegen, Nord Stream 1 nach der abgeschlossenen Wartung wieder voll auszulasten. Die geringere Auslastung bei rund 40 Prozent spricht daher eine klare politische Sprache und bestätigt, dass wir uns auf Lieferungen nicht verlassen können“, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Deshalb hat Habeck ein weiteres Energiesicherungs-Paket vorgelegt, das die bereits ergriffenen Maßnahmen ergänzen soll. Im Mittelpunkt des neuen Pakets stehen Gaseinsparung und die Befüllung der Speicher.

Das Energiesicherungspaket hat im Kern drei Elemente: Die Befüllung der Gasspeicher wird noch einmal gestärkt, der Erdgasverbrauch in der Stromerzeugung gesenkt sowie Effizienz- und Einsparmaßnahmen ausgeweitet. Die Maßnahmen werden in den kommenden Wochen und nach der Sommerpause Schritt für Schritt in enger Abstimmung innerhalb der Bundesregierung umgesetzt.

Um möglichst viele Fesseln der Branche zu lösen, also die angesprochene maximale Leistungsfähigkeit zu ermöglichen, hat das Hauptstadtbüro Bioenergie eine Liste von Vorschlägen vorgelegt. Dabei seien vor allem Erleichterungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie im Bau- und Genehmigungsrecht nötig. Somit ließen sich kurzfristig etwa 20 % im aktuellen Biogasanlagenbestand zusätzlich mobilisieren. Dies entspräche insgesamt 19 Mrd. kWh Gas bzw. 7 Mrd. kWh Strom zuzüglich Wärmeerzeugung, was knapp 4 % der russischen Erdgasimporte vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine bzw. dem Stromverbrauch von zwei Millionen Haushalten entspricht.

EU will Verbrauch reduzieren

Die EU-Kommission stellt sich auf weitere Kürzungen bei der Gaslieferung ein. Verbraucher, Behörden, Eigentümer öffentlicher Gebäude, Energieversorger und Industrieunternehmen – alle können und sollten nach Ansicht der Kommission Gas einsparen und so den Gasverbrauch in Europa bis zum nächsten Frühjahr um 15 % verringern. Die Europäische Kommission soll zudem die Möglichkeit erhalten, nach Konsultation der Mitgliedstaaten einen „Unionsalarm“ für die Versorgungssicherheit auszurufen. Das sind Kernelemente der Kommissionsvorschläge für ein neues Rechtsinstrument und einen europäischen Plan zur Senkung der Gasnachfrage, die die Europäische Kommission am 20. Juli vorgestellt hat. Die neue Verordnung würde allen Mitgliedstaaten das Ziel vorgeben, die Gasnachfrage im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 um 15 Prozent zu senken. Sie würde der Kommission auch die Möglichkeit geben, nach Konsultation der Mitgliedstaaten einen „Unionsalarm“ für die Versorgungssicherheit auszurufen. Damit würde allen Mitgliedstaaten eine verbindliche Senkung der Gasnachfrage auferlegt.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: „Russland erpresst uns, Russland nutzt seine Gaslieferungen als Waffe. Europa muss vorbereitet sein.“ Die Kommission werde auch die Arbeiten zur Diversifizierung der Energielieferanten einschließlich des gemeinsamen Gaseinkaufs beschleunigen, damit die EU mehr Möglichkeiten zur Beschaffung von Gas aus alternativen Quellen hat.

Gaspreis könnte weiter steigen

Die Bundesnetzagentur stellt in ihrem Lagebericht vom 22. Juli fest, dass die Gasflüsse aus der Pipeline Nord Stream 1 derzeit bei etwa 40 % der Maximalleistung liegen. Sollten die russischen Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiterhin auf diesem niedrigen Niveau verharren, sei ein Speicherstand von 90 % bis November kaum mehr ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar. Von der Reduktion sei auch die Weitergabe von Gas in andere europäische Länder wie zum Beispiel Frankreich, Österreich und Tschechien betroffen.

Aktuell wird wieder mehr eingespeichert. Der Gesamtspeicherstand in Deutschland liegt aktuell bei 65,2 %. Der Füllstand des Speichers Rehden beträgt 35,5 %. Die Großhandelspreise sind in Folge der Lieferreduzierung spürbar gestiegen und haben sich zuletzt auf höherem Niveau eingependelt. Unternehmen und private Verbraucher müssen sich laut Bundesnetzagentur auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.

Dritter Fortschrittsbericht Energiesicherheit

Die Bundesregierung hat am 20. Juli den dritten „Fortschrittsbericht zur Energiesicherheit“ vorgelegt. Darin werden die Maßnahmen beschrieben, wie in Deutschland die Energieunabhängigkeit von Russland voranschreitet und wie sich die Regierung auf eine Gasversorgungsknappheit vorbereitet. So werden u.a. alle Maßnahmen beschrieben, die seit dem letzten Fortschrittsbericht vom 1. Mai beschlossen bzw. umgesetzt wurden, wie das Ankaufprogramm der Bundesregierung vom 1. März 2022 zur Beschaffung von Gas, das Gasspeichergesetz zur Befüllung der Gasspeicher, die Formulierungshilfe zum LNG- Beschleunigungsgesetz, den Arbeitsplan Energieeffizienz mit Maßnahmenvorschlägen, um auch auf der Verbrauchsseite stärker zu agieren und den Strom- und Gasverbrauch weiter zu senken, das Energiepaket mit insgesamt fünf Gesetzesnovellen, das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz oder das Energiesicherungsgesetz. Außerdem gibt die Bundesregierung einen aktuellen Überblick über die aktuelle Energieversorgungssituation.

Standorte für schwimmende LNG-Terminals

Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 19. Juli den dritten und vierten Standort für die geplanten schwimmenden LNG-Terminals (Floating Storage and Regasification Unit - kurz: FSRU) bekannt gegeben. Nach den Vorstellungen des Bundes sollen diese neben Wilhelmshaven und Brunsbüttel an den Standorten Stade in Niedersachsen und Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern festmachen. Der niedersächsische Energieminister Olaf Lies erkennt die politische Notwendigkeit für Lubmin zwar an, gibt aber zu bedenken, dass stattdessen ein zweiter Standort in Wilhelmshaven aus zeitlichen Gründen notwendig werden könnte. „Wenn es im übernächsten Winter eng wird mit dem Gas, wird niemand mehr fragen, wo die FSRU in Deutschland stehen. Es geht dann einzig darum, dass sie in Deutschland stehen, damit die Wohnungen warm und Industrie und Wirtschaft am Laufen bleiben“, sagte der Minister.

Bereits um den Jahreswechsel 2022/2023 soll am Elbehafen Brunsbüttel ein schwimmenden Flüssiggasterminal entstehen, teilt das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur aus Schleswig-Holstein mit. Da im Hafen aktuell kein freier Anleger für das FSRU zur Verfügung steht, wird vorübergehend der bestehende Gefahrstoffanleger genutzt und dafür kurzfristig umgebaut (Interimslösung). Die Bautätigkeiten für die Interimslösung beginnen Anfang September dieses Jahres. Anfang Oktober startet zudem der Bau der drei Kilometer langen Erdgastransportleitung (ETL) 185, die bis zum Jahreswechsel fertig gestellt wird. Über diese Leitung werden dann nach Inbetriebnahme im Jahresdurchschnitt Gaslieferungen in Höhe von 3,5 Mrd. m³ pro Jahr ins Netz eingespeist, wobei es im Winter etwas mehr ist als im Sommer. Im Winter liegt der Wert bei 5 Mrd. m3 pro Jahr. In einer zweiten Phase folgt der Bau der neuen Anlegestelle. Dieser beginnt schon im November 2022 und soll im März 2023 fertig gestellt werden.

Hilfen für Uniper

Die Bundesregierung hat sich am Freitag auf ein 15 Mrd. € schweres Unterstützungspaket für die Uniper SE verständigt. Das Unternehmen ist eines der größten europäischen Gasunternehmen und der größte deutsche Importeur von russischem Gas. Das Unternehmen ist durch das Ausbleiben vertraglich vereinbarter Gaslieferungen in eine akute Notlage geraten. „Als Bundesregierung stehen wir in der Verantwortung, die Gasversorgung in Deutschland sicherzustellen“, begründet Bundesfinanzminister Christian Lindner den Schritt. „Uniper ist ein Unternehmen mit zentraler Bedeutung, viele Stadtwerke und Industriebetriebe sind von der Gasversorgung durch Uniper abhängig.“ U.a. stockt die Bundesregierung das bestehende KfW-Darlehen in Höhe von 2 Mrd. € auf 9 Mrd. € auf und stellt dem Unternehmen bis zu 8 Mrd. € werden als Eigenkapital zur Verfügung. 


Aiwanger kritisiert Energiepolitik

Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger hat der Bundesregierung vorgeworfen, nicht genug gegen die sich zuspitzende Gasmangellage zu tun. „Die Berliner Politik hängt den Entwicklungen Monate hinterher. Wir haben im März von der Bundesnetzagentur einen Stresstest gefordert, um sicherzugehen, dass auch im Winter die Versorgungssicherheit Bayerns gewährleistet ist, wenn Russland zu wenig Gas liefert und wir an Silvester die Atomkraft abschalten“, betont der Minister. Die vorläufigen Ergebnisse kämen jetzt verspätet und seien schon wieder überholt, weil in Berlin offenbar niemand wusste, dass Deutschland in diesem Sommer Strom an Frankreich liefern müsse oder die Menge deutlich unterschätzt worden sei. Aiwanger kritisiert zudem, dass der Betreiber des bayerischen Erdgasspeichers Bierwang derzeit Gas ausspeichert und am Markt verkauft, statt die Vorräte für den Winter zu sichern. „Der Speicherstand ist von zuletzt 53 auf 50 % zurückgegangen. Die jetzige Rechtslage erlaubt das, doch die Bundesregierung ändert die Gesetze nicht. Dabei ist es doch das Ziel, im Winter einen Füllstand von 90 % zu haben. So kann man nicht in der Krise regieren", bemängelte der Energieminister.

Erneut appellierte er an die Bundespolitik, alle Vorkehrungen zu treffen, um das Atomkraftwerk Isar 2 am Netz zu behalten und auch die Voraussetzungen für eine mögliche Wiederaufnahme der Stromproduktion im abgeschalteten Kernkraftwerk Gundremmingen zu schaffen. Bayern tue alles, um die Versorgungssicherheit zu erhalten. „Wir unterstützen die Unternehmen, die einen Energiewechsel von Gas auf Öl planen, nachdem Berlin endlich die Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Zudem treffen wir Vorkehrungen, damit nicht weiterhin etwa 100 der 1130 bayerischen Windräder aus artenschutzrechtlichen Gründen abgeschaltet werden müssen. Wir kümmern uns auch, dass private Verbraucher über einen möglichen Wechsel von Gas- auf Stromheizungen informiert werden", erklärt Aiwanger.

DVGW: Nicht nur auf Wärmepumpen setzen

Auch wenn seit Mittwoch wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt, bleibe es die Aufgabe der Politik und der Versorgungswirtschaft, die Abhängigkeit von russischem Erdgas so schnell wie möglich zu beenden. Dazu gehörten neben der Diversifizierung der Lieferländer auch ein breiteres Portfolio an Energieträgern, erklärt der Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Die LNG-Terminals seien ein erster wichtiger Schritt. „Wir müssen aber auch umgehend weitere Maßnahmen ergreifen, um klimaneutrale Alternativen zu Erdgas in den Markt zu bringen. Ein schneller Ausbau der heimischen Kapazitäten von klimaneutralem Wasserstoff und Biomethan ist jetzt vordringlich“, fordert der DVGW-Vorstand Prof. Gerald Linke Linke. Biomethan-Anlagen seien bereits in der Warteschleife und müssten nun dringend angebunden werden. Hürden, die einem Anschluss und Hochlauf im Weg stehen, müsste die Politik umgehend beseitigen.

Den Beweis, dass gerade der Wärmemarkt mit Biomethan und Wasserstoff dekarbonisiert werden könne und dies zeitnah und zu vergleichsweise geringen Kosten, hätten wissenschaftliche Studien und Feldtests längst erbracht. Nun komme es darauf an, dass die Politik technologieoffen diesen Systemen den Markteintritt ermöglicht. Einseitig auf Wärmepumpen zu setzen und Gasheizungen pauschal zu verbieten, hieße, signifikantes Klimaschutzpotenzial zu verschenken und die Energiewende sehenden Auges in eine Sackgasse zu steuern, mahnt Linke. 



Hauk fordert schnelle Lösungen für Biogas

Baden-Württembergs Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, begrüßt die Ankündigung des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, die Begrenzung der jährlichen Maximalproduktion von Biogasanlagen auszusetzen. „Nun darf es jedoch nicht bei Ankündigungen und Absichtserklärungen bleiben. Es müssen jetzt schnellstmöglich Taten folgen und die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Kapazitäten bereits zum kommenden Winter genutzt werden können“, fordert Hauk. Dazu gehöre auch, dass die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen und die Einspeisebedingungen, die im Einzelfall den Substrateinsatz begrenzen, sofort flexibilisiert würden. „Biogas hat ein erhebliches Potential, zur Gas- und Energieversorgung beizutragen – insbesondere Biogas aus Reststoffen. Wir können es uns in der aktuellen Lage nicht leisten, auf das Potenzial der Biogasanlagen zu verzichten und um es klar zu sagen: Biogas ist besser als Kohle“, betont der Minister.

Mehr zu dem Thema

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.