Am 1. Oktober haben die Stromnetzbetreiber in Deutschland mit dem „Redispatch 2.0“ ein neues Netzengpassregime eingeführt (siehe Beitrag „Redispatch 2.0: Neue Aufgaben für Anlagenbetreiber“ in top agrar 5/2021). Es hat das Einspeisemanagement abgelöst. Mit dem neuen System will der Gesetzgeber auf das zunehmende Abschalten der konventionellen Kraftwerke reagieren, die nach und nach vom Netz gehen müssen und daher für den Redispatch nicht mehr zur Verfügung stehen. Dazu kommt, dass immer mehr Wind- und Solaranlagen am Netz sind, die Strom nur sehr schwankend produzieren und in Zeiten von viel Wind und Sonne sowie geringem Stromverbrauch zu Netzengpässen führen.
Keine einheitliche Linie
Doch bei der Umsetzung gibt es noch praktische Probleme. „Dazu gehört, dass es etwa 900 Verteilnetzbetreiber in Deutschland gibt, von denen viele ein eigenes Konzept haben“, erklärt Florian Strippel, Leiter des Referats „Stromnetze und Systemdienstleistungen“ beim Fachverband Biogas. Das mache es dem Fachverband schwer, eine bundesweit gültige Beratungsempfehlung zu geben.
So verlangen z.B. einige Netzbetreiber eine neue Fernwirktechnik. Denn die Daten sollen in Echtzeit alle 60 Sekunden übermittelt werden können. „Dagegen hatte die Bundesnetzagentur anfangs mitgeteilt, dass keine Umrüstung der bestehenden Anlagen nötig ist“, sagt Strippel. Betroffen wären Anlagen mit Rundsteuerempfänger und Zählern für die registrierende Leistungsmessung (RLM). Sie können in der Regel nur im 15-Minuten-Takt Daten liefern. „Wir konnten jetzt einen Kompromiss aushandeln: Der Anschlussnetzbetreiber kann Echtzeitdaten verlangen, ist dazu aber nicht verpflichtet“, erklärt er.
Weitere Probleme: Viele Biogasanlagenbetreiber hätten zur Abrechnung gern das „Planwertmodell“ gewählt, das aber erst im Oktober 2022 möglich sein soll. Außerdem gibt es noch Probleme mit der IT, weshalb ein bilanzieller Ausgleich des Direktvermarkters nicht möglich ist, wenn eine Anlage ungeplant abgeschaltet werden muss. „Das verzögert auch die Abrechnung für die Anlagenbetreiber“, erklärt Strippel.
Viele Daten fehlen
Doch nicht nur technische Probleme verzögern den Start, sondern auch administrative. So gibt es viele Anlagenbetreiber, die noch nicht alle erforderlichen Daten an den Netzbetreiber geschickt haben. Dazu gehören die Stammdaten und Informationen darüber, wann die Anlage nicht ausgeschaltet werden darf, z.B. bei Eigenverbrauch oder einer nötigen Wärmelieferung, sowie geplante Abschaltungen zur Wartung. „Zudem müssen die Betreiber einen Einsatzverantwortlichen (EIV) und einen Betreiber einer technischen Ressource (BTR) benennen. Auch das fehlt häufig“, berichtet Matthias Wessels von der Unternehmensberatung E-Bridge, die über 100 Netzbetreiber bei der Einführung von Redispatch 2.0 begleitet.
Betroffen sind vor allem Betreiber kleinerer Anlagen, die nicht mit einem Direktvermarkter zusammenarbeiten. Wessels rät jedem Betreiber einer Anlage mit 100 kW oder mehr dringend dazu, sich jetzt einen Dienstleister zu suchen, um die offenen Fragen zu klären und Bußgelder zu vermeiden. Eine Liste mit Anbietern dieser Dienstleistung gibt es beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft unter www.bdew.de.