Viele Landwirte bekommen derzeit Pachtanfragen von Projektierern von Windparks. Die Aussicht auf sechsstellige Beträge über 20 Jahre lässt viele Flächenbesitzer häufig vorschnell unterschreiben. Dabei ist meistens gar nicht sicher, wo genau der Windpark gebaut und ob ein Windrad auf der eigenen Fläche platziert wird. Zudem löst es in vielen Fällen Neid und Unfrieden aus, wenn nur wenige Flächenbesitzer von dem Park profitieren, die Bürger aber 20 Jahre auf die Windräder schauen müssen.
Abhilfe kann ein „kommunales Flächenpooling“ bieten, bei dem sich die Standortgemeinde zusammen mit den Landwirten über Kriterien für den Windpark einigt und dann im zweiten Schritt mehrere Projektierer-Angebote eingeholt werden und das beste Angebot beauftragt wird. Wie das abläuft und was Landwirte und Gemeinden davon haben, erklärt Rolf Pfeifer vom Unternehmen endura kommunal. Die Firma berät Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beim Einstieg in die erneuerbaren Energien.
Es gibt seit dem letzten Jahr einen großen Run auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, die Standorte für Windräder werden sollen. Woran liegt das?
Pfeifer: Windenergie ist ja ein wichtiger Pfeiler in der Energiepolitik. Im letzten Jahr hat die Bundesregierung mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz eine Vorgabe gemacht, wie hoch der Flächenanteil der Bundesländer für die Windenergie sein soll. Hessen soll z.B. 2,2 % der Landesfläche für die Windenergie bereitstellen, Bayern und Baden-Württemberg jeweils 1,8 %. Das bedeutet teilweise eine Verdreifachung der heute ausgewiesenen Fläche. In diesen Ländern haben die Regionalverbände begonnen, Vorranggebiete aufzustellen, in anderen Ländern ist der Prozess ebenfalls im Gang. Überall da, wo Potenzial- oder Vorrangflächen ausgewiesen sind, stürzen sich die Projektierer darauf. Denn mit Windenergie lässt sich viel Geld verdienen.
Das ist doch aus Sicht der Flächenbesitzer positiv.
Pfeifer: Aber nur auf den ersten Blick. Die Flächensicherungsteams der Projektierer versuchen, die Landwirte mit hohen Pachtzahlungen zu einer sofortigen Unterschrift zu drängen. Aber wie lange es dann dauert, bis das erste Geld fließt und ob der Flächenbesitzer überhaupt etwas bekommt, hängt von vielen Faktoren ab. Wird der Windpark dann tatsächlich gebaut, entsteht viel Neid und Unfrieden unter Nachbarn und Dorfbewohnern, weil nur wenige von den bis zu 200 m hohen Anlagen profitieren.
Was raten Sie?
Pfeifer: Als einzig sinnvolle Lösung sehen wir ein kommunales Flächenpooling, bei dem die Gemeinde die Oberhand behält. Sie kann damit verschiedene Interessen ausgleichen.
Welche sind das?
Pfeifer: Der Flächenbesitzer möchte gern eine hohe Pachtzahlung mit möglichst einem oder mehreren Windenergieanlagen auf seinem Grund. Gleichzeitig ist ihm daran gelegen, keinen Streit mit Nachbarn zu bekommen. Und er würde gern wissen, ob der Pachtvertrag auch hält, was er verspricht.
Der Projektierer will die zur Verfügung stehende Fläche maximal bebauen, also so viele Windräder wie möglich errichten. Außerdem will er den Strom bestmöglich vermarkten, hat also meist kein Interesse daran, dass die Bürger vor Ort mit günstigem Strom versorgt werden. Wenn zwei oder mehr Projektierer in einer Region tätig sind, können sie sich gegenseitig blockieren und damit den Bau eines Windparks lange hinauszögern.
Und dann gibt es eine Vielzahl von Einflussmöglichkeiten auf die Genehmigung des Windparks, wie den Natur- und Artenschutz. Auch können Grundstücksnachbarn, die nicht einbezogen werden, Windparks verhindern, wenn sie gegen den Bau der nötigen Zuwegung oder das Verlegen von Stromkabeln über ihre Grundstücke sind. Auch Radarstationen der Bundeswehr, Bodengutachten, Wasserschutzgebiete oder Abstandsregelungen zu Wohnhäusern beeinflussen das Genehmigungsverfahren, sodass ein einmal geplanter Windpark hinterher ganz anders aussehen kann. Und das ist nur ein kleiner Auszug von Einflussfaktoren. Am Ende kann es also sein, dass der Landwirt einen unterschriebenen Pachtvertrag mit sechsstelligen Summen hat, aber nie ein Windrad gebaut wird und deshalb auch nie Geld fließt.
Wie funktioniert so ein Flächenpooling?
Pfeifer: Bei dem kommunalen Flächenpooling werden alle Landwirte, die in der Potenzialfläche oder dem ausgewiesenen Vorranggebiet Grundstücke haben, einbezogen. Die Gemeinde kann mit den Landwirten und Bürgervertretern zusammen Ziele und Kriterien aufstellen, wie die Pacht fair und gerecht auf Alle verteilt wird, welche Entschädigungen für Windräder auf der Fläche und den nötigen Wegebau gezahlt werden, welche Mindestabstände Windräder zu den Wohngebäuden einhalten müssen und welche Anforderungen an einen Projektierer gestellt werden. Dieser wird dann in einem Auswahlverfahren, in dem mehrere Angebote verglichen werden, beauftragt, ist also Dienstleister für die Kommune und handelt nicht nach freien Stücken.
Zudem können die Landwirte ihre Pachtverträge rechtlich von Experten kostenlos prüfen lassen. Alle damit zusammenhängenden Kosten trägt anschließend der Projektierer. Zudem fügt man vertragliche Vorgaben in den Pachtvertrag ein, innerhalb welcher Zeit der Bauantrag für den Windpark eingereicht sein muss. Die Gemeinde hat damit einen ganz anderen Einfluss, als es ein einzelner Landwirt hätte.
Wer sollte beim Flächenpooling den ersten Schritt machen?
Pfeifer: Sobald in einer Gemeinde Landwirte von Projektierern angesprochen werden, ihre Flächen für Windenergie herzugeben, sollten sich diese an die Gemeindeverwaltung wenden, mit der Bitte ein kommunales Flächenpooling durchzuführen. Solange sollten Landwirte auch keine Verträge unterschreiben, weil ansonsten die Einflussmöglichkeiten weg sind.
Was haben die Landwirte davon?
Pfeifer: In jedem Fall eine höhere Pacht, weil man nach dem Flächenpooling nicht nur ein, sondern viele Angebote einholt und so den Wettbewerb unter den Projektierern nutzt. Die Pachtangebote werden automatisch steigen. Zudem wird sichergestellt, dass alle Nachbarn Interesse auch am Wegebau und der Kabelverlegung haben. Zudem können sie sicher sein, dass der Pachtvertrag geprüft ist und sie keine Knebelverträge unterschreiben. Und sie müssen nicht einzeln mit den Projektierern verhandeln, sondern können diese Aufgabe an die Gemeindeverwaltung abgeben.
Und was hat die Gemeinde – außer dem Erhalt des Dorffriedens – davon?
Pfeifer: Die Gemeinde behält bei diesem Vorgehen das Heft in der Hand. Sie kann u.a. dafür sorgen, dass die Betreibergesellschaft ihren Sitz vor Ort hat und dass das örtliche Stadt- oder Gemeindewerk, eine lokale Genossenschaft oder die Kommune selbst daran beteiligt wird. Das sorgt nicht nur für eine finanzielle Beteiligung an den Erlösen und an Einnahmen durch die Gewerbesteuer, sondern auch dafür, dass die Gemeinde den Zugriff auf den Strom hat. Denn für Ladesäulen der Elektrofahrzeuge oder den Betrieb von Wärmepumpen wird der Stromverbrauch in den Kommunen massiv steigen.
Zudem gibt es auch die Möglichkeit, über Power-to-Heat-Anlagen oder Großwärmepumpen mit dem Windstrom Wärme für ein lokales Nahwärmenetz zu erzeugen. Und diese Nahwärmenetze werden im Zuge der kommunalen Wärmeplanung deutlich mehr werden. Wenn man den Strom aus einem Windpark nutzen kann, haben die Bürger, aber auch die Kommune für ihre Liegenschaften selbst sehr günstigen Strom zur Verfügung.
Das hört sich alles sehr schlüssig an. Aber was soll ein Flächenbesitzer machen, wenn er sich mit der Gemeinde bezüglich Flächenpooling in Verbindung setzt, diese jedoch gar kein Interesse an einem Windpark oder dem aufwändigen Planungsverfahren hat?
Pfeifer: In der Vergangenheit hat es immer wieder Kommunen gegeben, die untätig waren oder sich sogar gegen Windparks gewehrt haben. Die Landkreise werden jetzt aber von den Landesregierungen aufgefordert, tätig zu werden. Und die Landwirte können immer das Argument bringen: Auch wenn eine Gemeinde nichts unternimmt, werden Windparks gebaut. Nur haben sie dann keine Einflussmöglichkeiten und vergeben riesige Chancen. Es muss also in ihrem eigenen Interesse liegen, rechtzeitig in die Planung einzusteigen, bevor die ersten Verträge unterschrieben sind. Man kann dann zwar noch was machen, aber die Handlungsmöglichkeiten sind deutlich eingeschränkt, wenn ein Landwirt schon einen Vertrag unterzeichnet hat.