Die Aufgabe ist alles andere als einfach: Den jungen Baum zuverlässig vor Verbiss schützen und danach möglichst spurlos verschwinden. Trotzdem: Das Angebot an „verrottbaren Wuchshilfen wächst stetig. Bereits im Juli 2022 haben wir exemplarisch über die Entwicklung des „Waldwunders“ berichtet, einer Wuchshülle, die komplett aus Holzleisten besteht.
In vielen Förderrichtlinien ist ein Schutz der Forstpflanzen Grundvoraussetzung. Förderfähig ist mittlerweile meist nur noch ein komplett verrottbarer Einzelschutz. In Folge der Waldschäden sind die neuen Kulturflächen gigantisch.
Viele Waldbesitzer wollen „kein Plastik im Wald“. Diesem Trend schließt sich auch Försterin Katharina Fottner von der Bayerischen Waldbauernschule in Kehlheim an. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie im Frühjahr 2023 deshalb eine eigene Versuchsfläche angelegt, auf der sie verschiedene Produkte in den nächsten Jahren unter Praxisbedingungen testet.
Ähnliche Flächen gibt es auch an anderen Schulen, wie z. B. am Forstlichen Bildungszentrum in Rheinland-Pfalz. Sehr umfangreiche Versuche laufen zudem bei der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising.
In der Forstbranche sind derzeit unterschiedliche Materialien bzw. Konstruktionen in der Erprobung:
- Verschiedene Lösungen aus senkrechten und/oder waagerechten Holzlatten bzw. Stäben.
- Hüllen aus Zweigmatten.
- Hüllen aus Sägefurnier mit eingestanzten Luft-/Lichtlöchern.
- Gewebe aus rautenförmig verleimten Furnierstreifen. Teils müssen diese Systeme vor dem Einsatz gewässert werden, damit die Gewebe elastischer sind.
- Drahthosen aus unverzinktem Stahl.
- Hüllen mit Composite-Materialien aus Pappe oder anderen natürlichen Materialien, Gewebe aus Baumwolle, Sisal usw. Diese Materialien müssen durch Wachse oder ähnliche Stoffe haltbar gemacht werden. Sobald Kunststoffverbindungen ins Spiel kommen, kann das schädlich für die Förderfähigkeit dieser Hüllen sein.
- Verrottbare bzw. Biokunststoffe. Hier fehlen teils noch die langjährigen Erfahrungen, ob diese Materialien nach Ablauf der Nutzung wirklich spurlos verschwinden. Auch diese Lösungen sind nicht oder nur eingeschränkt förderfähig.
Fokus auf Holzprodukte
Die Bayerische Waldbauernschule konzentriert sich bei den eigenen Versuchsflächen zunächst auf die Produkte aus Holz. Wir waren mit Försterin Katharina Fottner vor Ort in Kehlheim und haben uns dort die unterschiedlichen Lösungen angesehen.
Zwar ist es für ein endgültiges Urteil über die einzelnen Produkte noch zu früh, doch bereits nach gut einem halben Jahr zeigen sich die ersten Unterschiede auf der Fläche, die mit Douglasien bepflanzt wurde. Von jedem System sind zunächst maximal zehn Stück im Einsatz. Versuche mit Laubbäumen sollen später folgen.
Als Ergebnis unserer Diskussion mit Katharina Fottner haben wir diese Bedingungen für die „ideale Wuchshülle“ zusammengestellt:
Zuverlässiger Schutz: Die Hüllen sollten Verbiss- und Fegeschäden verhindern oder zumindest eindämmen. Deshalb muss die Wuchshülle zum örtlichen Wildbestand passen. In Rotwild-Revieren kommen aber die meisten Systeme an ihre Grenzen.
Lichtdurchlässig: Der Baum sollte möglichst ungehindert wachsen können. Zwar haben „dunkle“ Hüllen teils einen positiven Effekt auf das Längenwachstum, allerdings teils zuungunsten des Wurzel-Spross-Verhältnisses. Es kann sein, dass die so erzogenen Bäumchen eine geringere Standfestigkeit haben, wenn die Wuchshülle entfernt wird.
Passend zur Baumart: Mittlerweile gibt es bei einigen Anbietern Wuchshilfen, die auf Laub- oder Nadelbäume optimiert sind.
Geräumig: Wie viel Platz eine Hülle im Idealfall dem Baum lässt, geht aus den aktuellen Versuchen der Waldarbeitsschule noch nicht hervor. Doch auch Nadelbäume sollten sich möglichst natürlich entwickeln können. Auf der anderen Seite: Je größer die Wuchshülle, desto höher sind die Anforderungen an die Stabilität. Außerdem kann in größeren Hüllen die Verunkrautung ungestört wachsen und ist dann nur schwer zurückzudrängen.
Einfacher Transport: Die Wuchshilfen müssen sich einfach und platzsparend zu den Pflanzen tragen lassen. Gute Wuchshilfen sind flach transportierbar oder lassen sich zumindest ineinander schachteln. In der Fläche werden die flachen Hüllen dann durch Befestigungsmaterial in Form gebracht. Wichtig ist, dass die Form dann dauerhaft erhalten bleibt.
Mit Pfahl: Bei den meisten Systemen ist ein zusätzlicher Stützpfahl nötig. Das erhöht zwangsläufig Kosten und Aufwand. Geeignet sind Pfähle aus Robine, Akazie, Eiche und in Grenzen Lärche.
Leichter Aufbau: Die Hüllen müssen sich möglichst einfach um die Pflanze legen und verbinden lassen. Das geht je nach System mit (unverzinktem) Rödeldraht, mit Schnüren oder Tackerklammern. Auch eine sichere Verbindung zum Stützpfahl ist notwendig. Je weniger Werkzeug dafür nötig ist, desto besser. Katharina Fottner und ihre Kollegen haben gute Erfahrungen mit den einfachen Drillapparten bzw. Rödelgeräten gemacht, die sonst bspw. beim Eisenknüpfen auf Baustellen eingesetzt werden.
Ringfrei: Keinesfalls darf das System einen dauerhaften Drahtring um den Baum bilden. Denn bei einer ringschlüssigen Verbindung besteht die Gefahr, dass der Draht in das Holz einwächst, bevor er verrottet. Damit verliert man einen wichtigen Vorteil. Lösungen mit Draht werden deshalb nicht direkt miteinander verbunden sondern mit beiden Enden jeweils an einem verrottbaren Holzteil.
Robust: Die Wuchshülle muss Winddruck und auch Bewuchs mit bspw. Brombeeren sicher standhalten.
Stabil: Bereits auf der vergleichsweise jungen Versuchsfläche zeigen sich die Grenzen einiger Systeme: Verbindungen mit unbehandelten Sisalbändern verlieren durch Witterungseinfluss ihre Festigkeit.
Bei einigen Konstruktionen aus Stäben lösten sich schon die getackerten Verbindungen – die Klammern sind zu glatt und ziehen sich aus dem Holz. Die geklebten Verbindungen der Furnierstreifen sahen allerdings noch tadellos aus.
Bei manchen Lösungen sorgt der Stützpfahl etwa aus Robinie oder Akazie dafür, dass das eigentliche System keinen direkten Bodenkontakt hat, was sich sicher positiv auf die Haltbarkeit auswirkt. In jedem Fall sollten Hüllen alle ein bis zwei Jahre überprüft werden.
Schwebend: Wenn sich die Hülle relativ einfach am Stab hochschieben lässt, hat man bei der Kulturpflege auch die Möglichkeiten, störenden Bewuchs innerhalb der Hülle zu erwischen. Außerdem lassen sich die „schwebenden Hüllen“ besser an den Wildbestand und die Wuchshöhe der Bäumchen anpassen. Es besteht aber die Gefahr, dass sich die Hüllen durch das Wild anliften lassen.
Höhe: Für Reviere ohne Rotwild und mit wenig Schnee ist eine Höhe von 1,20 m meist ausreichend. Sonst sollten es möglichst 1,50 m sein, vor allem auch am Hang. Beim Rotwild wird es ohnehin schwer …
Unsichtbar: Wuchshilfen aus Holz bringen noch einen natürlichen Vorteil mit sich. Durch die schnell einsetzende Vergrauung fügen sich diese Hüllen nach einiger Zeit unauffällig in das Waldbild ein.
Dauerhaltbarkeit: Die Haltbarkeit richtet sich natürlich nach den Materialien, der Konstruktion und auch nach den Standortbedingungen. Mindestanforderung sind etwa vier Jahre, doch je nach Baumart und Wildbestand sollten die Hüllen besser fünf bis sechs Jahre durchhalten, bei kleinen Eichen auch länger. Hier dauert es wahrscheinlich noch einige Zeit, bis gesicherte Erkenntnisse vorliegen, welches System die beste Haltbarkeit mit sich bringt.
Kosten: Der Einzelschutz ist als gezielte Schutzmaßnahme für bestimmte bzw. seltene Bäume gedacht. Sobald eine bestimmte Anzahl pro Fläche überschritten ist, kann ein Zaun die wirtschaftlichere Alternative sein.
Im Internet findet sich dazu als Hilfe für Waldbesitzer auch der sogenannte Einzelschutz-Rechner.
Beim Preis auf die Mindestabnahmemengen achten und prüfen, ob der eventuell notwendige Stab mit im Preis enthalten ist. Die Preise bewegen sich im weiten Bereich zwischen 5 und 8 €, teils auch mehr. Keine Frage: Damit liegen die Preise teils deutlich über den Kunststoff-Lösungen. Deshalb müssen die eventuelle Förderung und andere Vorteile gegengerechnet werden.