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Ampel blockiert sich zur Zukunft der Tierhaltung gegenseitig

Der Streit um die Zukunft der Tierhaltung spitzt sich in der Ampel-Koalition zu. Vor allem Grüne und FDP driften auseinander.

Lesezeit: 4 Minuten

Dienstag nach Pfingsten will Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) die Eckpunkte, für die im Koalitionsvertrag vereinbarte, verpflichtende, staatliche Tierhaltungskennzeichnung vorstellen. Doch am Wochenende davor ist vollkommen unklar, wie daraus ein gemeinsames Konzept der Ampel-Koalition werden soll.

Finanzierungsfrage wird ausgeklammert

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Durchgesickert ist bereits, dass das Konzept ohne konkretes Finanzierungsmodell vorgestellt werden wird. Grüne und FDP beharkten sich mittlerweile auf offener Bühne darum, dass sie bei der Finanzierung grundverschiedener Ansicht sind. Und eine Einigung ist nicht in Sicht. Während die Grünen sich an die Vorschläge der Borchert-Kommission für eine staatliche Finanzierung von laufenden Mehrkosten bei der Tierhaltung mit höheren Tierwohlstandards orientieren, bleibt die FDP dabei, dass die Finanzierung freiwillig aus dem Markt und vom Lebensmitteleinzelhandel (LEH) kommen müsse. Das entspräche dem Modell, nach dem die Initiative Tierwohl (ITW) funktioniert. Der Staat solle lediglich die Moderationsrolle einnehmen, schreibt die FDP in einem am Donnerstag verteilten Positionspapier.

Dissens bei Vertragslaufzeiten

Die Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland müsse durch Nachfrage seitens der Konsumenten gedeckt sein und sich langsam entwickeln, so die Haltung der FDP. „Eine Zwangsfinanzierung durch eine erhöhte Mehrwertsteuer oder Abgabe trägt die FDP-Fraktion nicht mit“, heißt es weiter. Die FDP steht auch nicht hinter vertraglich gebundenen Finanzzusagen des Staates für höhere Haltungsstandards. Die Borchert-Kommission hatte dafür Verträge mit 20 Jahren Laufzeit vorgeschlagen. Die Grünen wollen die Laufzeit nach Informationen von top agrar allerdings um die Hälfte kürzen.

Gemeinsamkeiten für Haltungskennzeichnung schwinden

Doch auch bei der Ausgestaltung der verpflichtenden Haltungskennzeichnung, die Grüne und FDP im Koalitionsvertrag noch gemeinsam getragen hatten, driften beide jetzt auseinander. In ihrem Positionspapier stellt sich die AG Ernährung und Landwirtschaft der FDP-Bundestagsfraktion nun gegen einen Großteil der Details, die die Grünen für ihre Eckpunkte vorgesehen haben. Einzig die geplante Einstiegstufe bei der Kennzeichnung für ITW-Betriebe scheint Konsens zwischen den beiden Kontrahenten zu sein. Zudem ist von den ursprünglichen Kompromisspunkten aus dem Borchert-Konzept bei beiden nicht mehr viel zu sehen.

FDP: Ökolandbau soll sich einfügen

Auch den in den letzten Wochen ausgehandelten Kompromiss, der Biobranche eine fünfte zusätzliche Stufe zu den geplanten vier Haltungsformen (Stall, Stall plus, Außenklima, Auslauf) zuzugestehen, will die FDP nicht mittragen. Eine eigene Haltungsstufe Biohaltung sei aus Tierwohlgesichtspunkten kontraproduktiv. „In der Tierwohlkennzeichnung muss sie sich deshalb in die Haltungsstufen eingruppieren, die sich ausschließlich an Tierwohlkriterien orientieren“, schreiben die Liberalen.

Schweinehalter sehen sich als Verlierer

Bei den Verbänden und in Teilen der Landwirtschaft, die sich 2020 zum gemeinsamen Borchert-Kompromiss durchgerungen haben, löst die Debatte Ernüchterung und Fassungslosigkeit aus. „Wer glaubt, dass tierhaltende Betriebe auf höhere Haltungsstufen umsteigen können, ohne dass es bezahlt wird, der glaubt auch an den Weihnachtsmann! Wenn das ganze Konzept von den politischen Akteuren jetzt so zerfleddert wird, dann gehen in der Diskussion die Hauptpersonen verloren – nämlich die deutschen Ferkelerzeuger und Schweinemäster“, kritisiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack.

Raiffeisenverband fordert Lösungen statt Streit

Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, rief Grüne und FDP eindringlich auf, sich zu einigen. „Hört auf zu streiten – findet Lösungen! Die Frage nach der verbindlichen Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung muss endlich beantwortet werden. Jetzt!“, sagte Holzenkamp. Auf dem Deutschen Raiffeisentag in Berlin hatten diese Woche Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) und der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr ihre Uneinigkeit zur Schau getragen. „Unsere Genossenschaften haben dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister und dem FDP-Fraktionsvorsitzenden deutlich gesagt: Wenn die Unternehmen keine Planungssicherheit erhalten, werden viele das Handtuch werfen. Die Ampelkoalitionäre müssen bis Sommer liefern!“, appelierte Holzenkamp erneut.

Ökoverbände argumentieren mit gesellschaftlicher Akzeptanz

Auch die Ökoverbände äußern sich enttäuscht. „Tierhalterinnen und Tierhalter in Deutschland brauchen eine Perspektive, sonst wird das ungebremste Verschwinden landwirtschaftlicher Betriebe weitergehen. Diese Perspektive gibt es nur mit einem Umbau hin zu einer artgerechteren, gesellschaftlich akzeptierten Tierhaltung“, sagte Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Zu erwarten, dass allein der Markt den Umbau der Tierhaltung regeln könne, verkenne die politische Verantwortung für Tiere und Höfe, so Röhrig weiter.

Borchert warnt vor Scheitern

Derweil steigt die Ernüchterung auch in der Borchert-Kommission. „So wird die Umsetzung scheitern“; sagte der Vorsitzende des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, Jochen Borchert, gegenüber top agrar. Er wirbt weiter darum, die Mehrkosten für ein hohes Tierschutzniveau über staatliche Verträge mit langen Laufzeiten von bis zu 20 Jahren abzusichern. „Ansonsten steigen die Betriebe aus und der Abbau der Tierhaltung in Deutschland wird dramatisch weiter gehen“, sagt Borchert. Damit ist auch ein weiteres Engagement der Borchert-Kommission zur Klärung von Details für die Umsetzung völlig offen.

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