Die deutsche Agrarbranche begrüßt den Plan der EU-Kommission, bestimmte Arten der Genomeditierung bzw. der sogenannten Neuen Genomischen Techniken (NGT) weniger zu regulieren.
„Die EU-Kommission trägt der wissenschaftlichen Einschätzung Rechnung, dass Pflanzen aus neuen Züchtungsmethoden, die sich von herkömmlich gezüchteten nicht unterscheiden, nicht als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) reguliert werden sollen“, begrüßt Dr. Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP), den Gesetzesentwurf.
Der BDP weise seit Jahren darauf hin, dass das Gentechnikrecht ungeeignet für die Regulierung von Pflanzen aus gezielter Mutagenese und Cisgenese sei. Wenn durch neue Züchtungsmethoden erzeugte Mutationen nicht von solchen, die natürlicherweise auftreten oder durch konventionelle Züchtung herbeigeführt wurden, zu unterscheiden sind, sind die Regelungen des Gentechnikrechts für entsprechenden Pflanzen fachlich nicht gerechtfertigt, so der BDP in einer Stellungnahme.
DBV: Biopatente stoppen
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält die Vorschläge der EU-Kommission zwar für „pragmatisch und ausbalanciert“. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken fordert jedoch, dass die EU-Kommission „parallel eine Lösung in der Frage der Patente“ findet.
Das Sortenschutzrecht biete seit Jahrzehnten ausreichende Möglichkeiten für den Schutz des geistigen Eigentums der Züchter. Biopatente seien schlicht nicht notwendig und werden von der Landwirtschaft im Grundsatz abgelehnt. Dass dies von vielen weiteren Stakeholdern ebenso gesehen wird, hebt die Kommission an mehreren Stellen des Entwurfes hervor. „Dies sehen wir als klaren Auftrag an die Kommission, hier parallel eine entsprechende Regelung zu schaffen und die fragwürdige Praxis der Erteilung von Biopatenten zu stoppen“, so Krüsken.
VLOG: „Chaos-Vorschlag“
Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik spricht von einem „Chaos-Vorschlag“ der EU-Kommission. „Wenn die Kommission mit diesem Chaos-Vorschlag durchkäme, gäbe es am Ende drei Arten von Gentechnik: Zunächst die ,alte‘.
Dann eine zweite, neue, die auch als Gentechnik gekennzeichnet werden müsste, zusätzlich dürfte man da aber noch draufschreiben, wozu das gut sein soll. Und dann noch eine dritte Art Gentechnik, die nicht mehr gekennzeichnet werden müsste, die aber bei Bio trotzdem verboten wäre“, sagte VLOG-Geschäftsführer Alexander Histing am Mittwoch.
Ampel uneins
Aus Kreisen der Ampel-Regierung kommen gemischte Reaktionen zum Vorschlag der EU-Kommission. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kritisierte die EU-Kommission auf Twitter. Die Gentechnik hätte in der Geschichte noch keinen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherung geleistet, so Schulze. Auf ihren Tweet bekam Schulze über 400 Antworten, viele Twitter-Nutzer widersprachen der Ministerin.
Die #Gentechnik hat in ihrer Geschichte noch keinen wesentlichen Beitrag zur #Ernährungssicherung geleistet. Ihr gesellschaftlicher Nutzen wird in der Theorie oft behauptet, aber in der Praxis zielt die Gentechnik auf Patente und Profite. 1/3
— Svenja Schulze (@SvenjaSchulze68) July 5, 2023
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) begrüßte den Vorschlag auf Twitter ausdrücklich.
„Ich begrüße den Vorschlag der #EU-Kommission zur Neuregulierung der Neuen Züchtungstechniken", sagt Bundesforschungsministerin @starkwatzinger. „Denn hiermit passt sie den regulatorischen Rahmen für deren Einsatz endlich an den Stand der #Wissenschaft an!“ pic.twitter.com/QCPKJLBwPv
— BMBF (@BMBF_Bund) July 5, 2023
Stegemann: Özdemir muss jetzt Druck machen!
Für den agrarpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Albert Stegemann ist der EU-Vorschlag "ein Meilenstein für die Ernährungssicherung". Seine Forderung: "Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir muss jetzt in der Bundesregierung eine einheitliche Position Deutschlands herbeiführen. Ziel sollte sein, dass der Vorschlag der EU-Kommission im EU-Ministerrat angenommen wird."
Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Carina Konrad sieht im Vorschlag der EU-Kommission einen „wichtigen Schritt zu einer wissenschaftlichen fundierten und innovationsfreundlichen Regulierung von neuen Züchtungstechnologien in Europa“.
Die Sprecherin für Ernährung und Landwirtschaft der Grünen im Bundestag, Renate Künast, hingegen meint: „Das ist das Gegenteil des Versuchs, widerstandsfähige Agrar- und Ernährungssysteme zu schaffen. Mehr Agrarökologie, mehr Fruchtfolgen, mehr Sortenvielfalt, mehr Artenvielfalt, besseres Boden- und Wassermanagement: So machen wir Landwirtschaft und damit die Sicherung unserer Ernährung unabhängiger und widerstandsfähiger.“