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Asbest-Charta

Droht Asbest-Welle? IG BAU warnt vor Kostenexplosion bei Sanierungen

Zwischen 1950 und 1992 war Asbest ein beliebtes und überall eingesetztes Baumaterial. Jedes Haus aus der Zeit dürfte belastet sein. Es droht ein Sanierungschaos.

Lesezeit: 5 Minuten

Millionen Tonnen Asbest stecken in Altbauten. Bei Sanierungsarbeiten kann der krebserregende Stoff freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnt jetzt vor einer neuen Asbest-Gefahr: „Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten“, sagt Experte Carsten Burckhardt.

Denn die energetische Gebäudesanierung werde enorm an Fahrt aufnehmen. Aus bestehenden Gebäuden werde neuer und zusätzlicher Wohnraum. „Mit der Sanierungswelle droht deshalb jetzt eine ‚Asbest-Welle‘ auf dem Bau. Sie ist eine Gefahr – für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker“, sagt Burckhardt.

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Was ist Asbest?

Asbest ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene natürlich vorkommende, faserförmige kristallisierte Silikat-Minerale. Die Fasern besitzen eine große Festigkeit, sind hitze- und säurebeständig und dämmen.

Asbest wurde seit den 1950er Jahren in vielen Bereichen eingesetzt, z.B. als Faserzement für Dachschindeln, Dach-Wellplatten, Fassadenverkleidungen, Rohrdichtunge, Bodenbelege etc. Man geht von mindestens 3.000 Produkten aus, in denen Asbest verarbeitet wurde.

Neben industriell gefertigten Produkten waren lose Asbestfasern vor allem in den 1960er und 1970er Jahren bei vielen Handwerkern (zum Beispiel bei Fliesenlegern und im Trockenbau) weit verbreitet, um auf der Baustelle Putz, Fliesenkleber und Spachtel in ihren Eigenschaften zu verbessern. Das Entfernen der alten Fliesenkleber und Putze bei einer Haussanierung mit ihrer Staubentwicklung macht die Arbeit heute so gefährlich.

Insgesamt sind nach Angaben des Pestel-Instituts von 1950 bis 1990 rund 4,35 Mio. t Asbest (Ost- und Westdeutschland) importiert worden. Die IG BAU schätzt, dass in der Zeit bundesweit gut 9,4 Mio. Wohnhäuser neu gebaut wurden. Das ist mehr als der Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland. Es sei davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in diesen vier Jahrzehnten gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt.

In der EU besteht seit 2005 für Asbest ein weitgehendes Herstellungs-, Inverkehrbringens- und Verwendungsverbot. In Deutschland gilt dieses Verbot bereits seit November 1993

Warum ist Asbest so gefährlich?

Die IG BAU warnt vor der „unsichtbaren Gefahr“ durch Asbest: Alles beginne mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern. Dabei hätten Bauarbeiter und Heimwerker kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen. Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.

Bei den Berufskrankheiten ist Asbest die häufigste Todesursache, mahnt die Bau-Berufsgenossenschaft. In den vergangenen zehn Jahren seien 3.376 Versicherte der BG BAU infolge einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben – darunter allein 320 Baubeschäftigte im vergangenen Jahr.

Für Bewohner von mit asbesthaltigen Baustoffen gebauten Häusern besteht allerdings keine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit.

Maßnahmenpaket und Förderprogramm notwendig

Burckhardt will der drohenden „Asbest-Welle“ auf dem Bau jetzt mit einem Maßnahmenpaket entgegentreten. Die Bau-Gewerkschaft hat dazu eine „Asbest-Charta“ mit zentralen Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt. „Es geht dabei um bessere Informationen über Asbest-Gefahren bei Gebäuden, um die Förderung von Asbest-Sanierungen und vor allem auch um konsequenten Arbeitsschutz. Denn der bevorstehende Sanierungsboom darf nicht zu einer Krankheitswelle führen“, warnt der Fachmann.

Der Gewerkschafter fordert einen Schadstoff-Gebäudepass mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige Asbest-Belastung eines Gebäudes. „Jeder Bauarbeiter und jeder Heimwerker muss wissen, auf was er sich einlässt, wenn er Fliesen abschlägt, Wände einreißt oder Fassaden saniert“, so Carsten Burckhardt.

Er plädiert für einen Asbest-Gipfel von Bund, Ländern und Kommunen. Eine übergreifende staatliche Kooperation sei notwendig, um das Asbest-Problem und die Finanzierung der Altlasten auf möglichst breiter Ebene anzugehen.

Burckhardt fordert zudem eine staatliche Sanierungsprämie. Dazu müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ schaffen. „Das hilft, Kosten abzufedern, die bei einer – beispielsweise energetischen oder altersgerechten – Gebäudesanierung in asbestbelasteten Wohnhäusern zusätzlich entstehen. Außerdem ließe sich damit auch eine ordnungsgemäße Entsorgung von alten Asbest-Baustoffen sicherstellen.“

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Kommentar: Staat muss handeln

Kommentar von Tobias Goldbrunner zur Asbest-Gefahr von der Allgemeinen Zeitung Mainz.

Das Problem hatten viele von uns schon verdrängt: Asbest. Schließlich ist der Einsatz des gesundheitsschädlichen Materials seit 30 Jahren verboten. Jetzt holen uns die Bausünden der Vergangenheit aber wieder ein - und zwar mit voller Wucht.

Seit Jahren werden Immobilien, die die unsichtbare Gefahr in sich tragen, saniert, mehrere Millionen werden in den nächsten Jahren folgen. Weil sie baufällig und/oder energetisch überholt werden. Die gesundheitlichen Folgen wirken sich oft erst Jahre oder gar Jahrzehnte später aus, das lässt die Sorge oftmals in den Hintergrund rücken.

Dennoch: Das Krebsrisiko beim falschen Umgang mit Asbest ist enorm, negative Beispiele gibt es mehr als genug. Wenn der Staat Umrüstungen für erneuerbare Energien fordert, muss er dabei auch das Thema Asbest ernst nehmen. Zumal das Material überall lauern kann - in Fensterbänken und Lüftungskanälen, in Dichtungen und Klebestoffen.

Hobbyhandwerker müssen umfassend informiert, Betriebe unterstützt, aber auch kontrolliert werden. Das kostet Geld, sehr viel sogar - doch es stehen unzählige Menschenleben auf dem Spiel.

Bereits jetzt ist der sogenannte berufsbedingte Umgang mit Asbest die häufigste Todesursache infolge einer Berufskrankheit. Der Bund muss klare Regeln aufstellen. Ein Gebäudepass kann zur Lösung beitragen, dafür sollten Zuschussmodelle erarbeitet werden. Auch wenn derlei Maßnahmen den Haushalt mitunter stark belasten. Darüber hinaus bedarf es zusätzlicher Kontrolleure.

Fast die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland ist betroffen. Das ist kein Grund zur Panik, aber zum durchdachten Handeln in kurzer Zeit.

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