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EU-Pflanzenschutzpläne: Berlin will „ausgeglichene und abgewogene Position“

Nun stellt auch die Bundesregierung das Pflanzenschutzmittelverbot in Landschaftsschutzgebieten in Frage. In Teilen geht ihr der Kommissionsvorschlag zu weit. Bauern fühlen sich im Stich gelassen.

Lesezeit: 7 Minuten

Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird in Bezug auf das Naturschutzpaket der Europäischen Kommission und die darin enthaltenen Vorschläge zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes eine „ausgeglichene und abgewogene Position“ erarbeiten. Das hat Staatssekretärin Silvia Bender bei der LsV-Demo vergangene Woch hervorgehoben.

Dem Ministerium sei es „absolut wichtig“, dass die Landwirte zukünftig bessere Einkommen erwirtschafteten und natürlich zur Ernährungssicherheit beitrügen, erklärte die Grünen-Politikerin, die zudem feststellte, dass der Vorschlag in Teilen zu weit gehe.

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Bender wies indes darauf hin, dass sich die Verordnungsvorschläge der Kommission noch ganz am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens befänden. „Bislang ist nichts entschieden“, sagte die Staatssekretärin. Der Entwurf werde nun sowohl vom Europaparlament als auch im Agrar- und Umweltrat weiter diskutiert.

Wichtige Punkte in dem Paket

Zu den wichtigen Fragen gehört laut Bender, wie sich die nationalen Reduktionsziele beim Pflanzenschutz errechnen sollen. „Hier sind in Deutschland in den letzten Jahren schon einige Einsparungen erbracht worden, und die müssen auch Eingang finden“, betonte die Staatssekretärin.

Ein weiterer wichtiger Bereich sind nach ihren Worten die sensiblen Gebiete, in denen laut Vorschlag keine Pflanzenschutzmittel mehr eingesetzt werden sollen. „Da sind wir der Meinung, dass die definitiv zu weit gehen“, stellte die Grünen-Politikerin klar. Beispielsweise sollten Landschaftsschutzgebiete nicht aufgenommen werden.

Zugleich bekräftigte Bender aber die Unterstützung des Ministeriums und der Bundesregierung für den Ansatz der EU-Kommission, den Pflanzenschutz in Europa weiter zu harmonisieren und auch den Aufwand zu verringern.

Krawattenträger in den Brüsseler Amtsstuben

Ungewöhnlich scharfe Worte fand der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), Bernhard Conzen. „Wir alle sind es leid, dass uns die Krawattenträger in den Brüsseler Amtsstuben, die von moderner und nachhaltiger Landwirtschaft keine Ahnung haben, erneut vorschreiben wollen, wie wir unsere Flächen bewirtschaften sollen“, so Conzen zu dem Kommissionsvorschlag.

Die Herausforderungen würden wachsen und die Landwirte allein gelassen. An Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir appellierte der Verbandspräsident, überzogene Vorschriften für den Ackerbau in Deutschland zu verhindern. Pflanzenschutz sei kein Selbstzweck, sondern ein Instrument, um die geforderten Qualitäten und die notwendigen Quantitäten abzusichern. Statt Verbote und verordnete Reduktion brauche es Innovation und Perspektiven.

„Drohenden Unsinn“ verhindern

„Wir sollen uns mit den Rezepten, die auf dem Papier vermeintlich gut klingen, aber in der Realität nur bedingt funktionieren, gegen die Herausforderungen des Klimawandels wehren“, kritisierte Conzen. „Wir haben die Nase voll von der fortgesetzten inkompetenten Einmischung der Schreibtischtäter in die Arbeit auf unseren Betrieben“, so der RLV-Präsident.

Er stellte zudem klar, dass die EU-Kommission nicht befugt sei, solche Entscheidungen im Alleingang zu treffen. Das sei gut so. „Das ist unsere Chance, unsere Anliegen einzubringen und endlich wieder zu mehr Fachlichkeit zu kommen. Das nimmt hier heute mit dieser Kundgebung auf der Straße in Bonn seinen Anfang“, kündigte der Verbandspräsident an. Der „drohende Unsinn“ mit einem fast flächendeckenden Verbot des Pflanzenschutzmitteleinsatzes müsse verhindert werden.

Selbst Biostationen beunruhigt

„Wenn das, was die Kommission jetzt vorschlägt, Wirklichkeit wird, können wir auf rund 80 % unserer Flächen nicht mehr vernünftig wirtschaften“, gab Conzen zu bedenken. Landschaftsschutzgebiete erstreckten sich über ganz Nordrhein-Westfalen.

Auf 15 % der Landesfläche gebe es Wasserkörper, in denen Trinkwasser gewonnen werde. Mehr als 75.000 ha im Land seien Vogelschutzgebiete, stellte der RLV-Präsident fest. In all diesen Kulissen drohten vollständige Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel.

In den Vogelschutzgebieten bekämen selbst die Biostationen „kalte Füße“, denn wenn die Herbizidanwendungen durch Hacken und Striegeln ersetzt würden, sei das eine große Gefahr für die Bodenbrüter bis hin zum Aus.

Teller dann bald leer

Zuvor hatte der Präsident des Landvolks Niedersachsen, Dr. Holger Hennies, vor Engpässen bei der Lebensmittelversorgung gewarnt. „Die Pläne gefährden die sichere Versorgung der Verbraucher mit Nahrungsmitteln, auch hier in unseren Gunststandorten“, sagte der Verbandspräsident.

Nach seiner Einschätzung könnten in Niedersachsen bis zu 50 % der ackerbaulich bewirtschafteten Fläche betroffen sein. Dann werde es keine ausreichenden Erntemengen mehr geben und die Preise würden weiter steigen. Hennies verwies auf die Energieversorgung. „Da dürfen die gleichen Fehler nicht wiederholt werden“, so der Landvolkpräsident.

Die Pläne der EU seien entschieden abzulehnen; anderenfalls blieben irgendwann die „Wohnungen kalt und die Teller leer“. Von der Politik erwartet Hennies jetzt Antworten. An die Landwirte appellierte er, sich vor der Landtagswahl in Niedersachsen bei Podiumsdiskussionen und weiteren Veranstaltungen vor Ort aktiv einzubringen.

Rückenwind durch CDU und CSU

Rückenwind erhielten die Landwirte aus den Reihen von CDU und CSU. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen erklärte zu dem Bauernprotest, dass die Landwirtschaft die Erträge und die Qualität der Ernte sichern müsse. Dazu könne auch der maßvolle Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gehören.

„Ich kann den Protest der Landwirte sehr gut verstehen“, wurde ihre Partei- und Amtskollegin, Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast deutlicher. Das geplante Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten bedeute das Aus für viele Höfe in Niedersachsen.

Otte-Kinast warnte zudem davor, dass sich die EU damit von der Selbstversorgung durch die heimische Nahrungsmittelproduktion verabschiede. „Das kann so von Brüssel nicht gewollt sein. Ich erwarte da eine deutliche Korrektur des Gesetzentwurfs“, sagte die Ressortchefin in Hannover. Zugleich betonte sie, dass die grundsätzliche Zielsetzung, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, bereits von der Landesregierung verfolgt werde. Darauf hätten sich die beim „Niedersächsischen Weg“ zusammengeschlossenen Partner verständigt.

Etliche Bausteine zur Pflanzenschutzmittelreduktion in Niedersachsen befänden sich schon in der Umsetzung, führte Otte-Kinast aus. So seien beispielsweise Gewässerrandstreifen ausgewiesen worden, auf denen der Pflanzenschutzmitteleinsatz verboten sei.

Enteignungsgleicher Eingriff

Vom „größten Angriff auf eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland“, sprach der Vizevorsitzende der niedersächsischen CDU-Fraktion, Helmut Dammann-Tamke, mit Blick auf den Kommissionsvorschlag. Besonders schwer wiege dabei das Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten. Dies wäre „ein enteignungsgleicher Eingriff, denn Landschaftsschutzgebiete dienen dem Erhalt und dem Schutz des Landschaftsbildes und dies war und ist auch die Kulturlandschaft“.

Die CSU-Europaabgeordnete Marlene Mortler warnte, dass durch ein Verbot in Schutzgebieten überproportional viele Betriebe in Deutschland schlicht ihrer Existenz beraubt würden, weil sie zu 100 % in solchen Verbotszonen lägen. Mortler warf der EU-Kommission einen massiven Vertrauensbruch vor. Brüssel dürfe die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) „als großartiges Konstrukt des gemeinsamen Europas“ nicht mutwillig einreißen.

Notbremse ziehen

Kritik an den Brüsseler Plänen übte auch der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann. „Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission mit pauschalen Verboten des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft schießt deutlich über das Ziel einer nachhaltigen Lebensmittelerzeugung hinaus“, erklärte der Abgeordnete.

Stegemann forderte Ressortchef Özdemir auf, in Brüssel die „Notbremse“ zu ziehen. Anderenfalls drohten allein in Deutschland Ertragseinbußen von jährlich rund 7 Mio. t Getreide. Aufgrund dieser künstlich herbeigeführten Verknappung würden die Lebensmittelpreise weiter steigen. Viele Betriebe, die in Schutzgebieten schonend wirtschafteten und die Landschaft pflegten, stünden vor dem wirtschaftlichen Aus.

„Bemerkenswert“ ist für den CDU-Politiker, dass die Bundesregierung selbst davon ausgeht, dass die Kommissionspläne zu einer höheren Abhängigkeit von Getreideimporten aus Drittstaaten führen könnten.

Ganz anders reagierten Umweltschützer auf den Bauernprotest. „Die Forderung der Landwirte nach einem ‚weiter wie bisher‘ ist verantwortungslos“, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Weltbiodiversitätsbericht warne seit Jahren vor dem massiven Artensterben in der Kulturlandschaft - der hohe Einsatz von Pestiziden und die Monokulturen ohne Rückzugsräume und Futter für Tiere seien eine der Hauptgründe hierfür.

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