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topplus Baurechtsnovelle

Sachverständige zerreißen Gesetzentwurf zum Umbau der Tierhaltung

Nach Auffassung von Fachleuten aus dem Rechtswesen und der Praxis gibt es bei der geplanten Baurechtsnovelle noch zu viele offene Fragen, etwa bei Begriffsdefinitionen oder Geltungsbereichen.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Bundesregierung will für den Umbau der Tierhaltung auch die baurechtlichen Vorschriften für besonders tierwohlgerechte Haltungsverfahren lockern. Im Bauausschuss des Bundestags stieß der Gesetzentwurf „Erleichterung der baulichen Anpassung von Tierhaltungsanlagen an die Anforderungen des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes“ gestern allerdings auf breite Kritik. Fragen hatten die Sachverständigen insbesondere zum Umgang mit den Emissionen und den Anwendungsbereichen des Gesetzes.

Der Ende März gefundene Kompromiss der Regierungsparteien für das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sieht eine baurechtliche Privilegierung für Unternehmen vor, die ihre Stallanlagen umbauen wollen, um ihre vorhandene Tierhaltung auf eine höhere Stufe umzustellen. Gültig wären die Umbauten laut Gesetzentwurf für die im Tierhaltungskennzeichnungsgesetz genannten Haltungsstufen drei, vier und fünf - also den Frischluftstall, Auslauf/Weide oder Bio - sowie für Ställe, die nach 2013 gewerblich errichtet wurden und keine landwirtschaftliche Privilegierung mehr hatten. Tierhalter müssten ihre Bestände nicht verringern, wenn sie in höhere Tierhaltungsstufen wechseln möchten.

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Kamp: Genehmigungsbehörden werden verunsichert

„Der Begriff ,Belastung' im Gesetzentwurf ist so unkonkret, dass er zu einer Verunsicherung der Genehmigungsbehörde führen dürfte“, monierte Martin Kamp, Referent und Leiter Immissionsschutz bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Kamp. Denn die Zulässigkeit von Belastungen, seien es naturschutzfachliche wie etwa Bodenversiegelung oder immissionsschutzfachliche wie Gerüche, seien durch die entsprechenden Fachgesetze abgedeckt.

Der Rechtsanwalt Helmar Hentschke forderte, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeweitet werden müsse: Neben Bestandbauten sollten auch Anlagen einbezogen werden, die noch nicht errichtet worden seien, für die es aber bereits Genehmigungen gebe. Zudem „ist es sinnvoll, den Ersatzneubau in den Gesetzentwurf aufzunehmen“, sagte Hentschke. Kritisch zu bewerten bei einer höheren Auslaufhaltung sei, dass es zu höheren Immissionen komme. Darüber hinaus stuften die Gerichte selbst die Verbesserung der Immissionssituation bei den gesetzlich geschützten Biotopen in Bezug auf eine Belastung zum Teil als nicht genehmigungsfähig ein.

Bebber: Ungeklärte Fragen zur Definition „Artgerechter Stall“

Dr. Jens van Bebber, Schweinehalter aus Niedersachen, und Jochen Dettmer, Vorstandssprecher von Neuland und Landwirt aus Sachsen-Anhalt, forderten ein „Gesamtkonzept“ zum Umbau der Tierhaltung. Das vorgelegte Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und die nun angedachten baurechtlichen Anpassungen gehen ihnen nicht weit genug.

Van Bebber warnte vor „starren Definitionen von Stallvarianten“ ohne Einbeziehung von Entwicklungsmöglichkeiten. Die nun geplante Veränderung des Baugesetzes ziele auf die Umsetzung der Tierhaltungskennzeichnung ab. Bauvorhaben würden dann ermöglicht, wenn Ställe den Anforderungen der Kategorien Frischluft, Auslauf/Weide oder Bio gerecht würden. „Die Frage ist nur, ob die Tierhaltungskennzeichnung eine geeignete Definition eines artgerechten Stalles bietet“, so van Bebber. Der heutige konventionelle Maststall sei das Resultat einer über 50-jährigen fortwährenden Entwicklung. Die heutigen Stallkonzepte einer alternativen Haltung hingegen bestünden in nur einem sehr geringen Umfang und seien bislang noch nicht Gegenstand einer breit angelegten intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Diese sei aber notwendig, um eine praxistaugliche Umstellung der Tierhaltung zu erreichen, so der Landwirt.

Dettmer: Wenig Potential für hohe Haltungsstufen

Dettmer bemängelte, dass die Bundesregierung bislang lediglich 1 Mrd. € für den Umbau der Tierhaltung vorsehe. Dabei habe die Borchert-Kommission bereits vor Jahren vorgerechnet, dass der Umbau jährlich bis zu 5 Mrd. € kosten könnte. „Zudem zeigt die Entwurfsfassung des Bundesprogrammes Umbau der Tierhaltung noch erhebliche Defizite auf, die zu einer Minderung der Motivation zum Umbau der Tierhaltung bei den Bauern und Bäuerinnen führt“, warnte der Neuland-Sprecher.

Nach seinen Berechnungen dürfte das Potential von tierhaltenden Betrieben, die auf die Haltungsstufen drei, vier und fünf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes umstellen wollten, bei gerade einmal rund 100 Betrieben liegen. Davon seien 10 % als gewerbliche Betriebe einzuschätzen. „Wir reden also von zirka zehn Betrieben, die in naher Zukunft von den Erleichterungen des hier vorliegenden Gesetzentwurfsprofitieren würden“, verdeutlichte Dettmer.

Nüssle: Zielkonflikte nicht ausgeräumt

Die Leiterin des Referats Agrar- und Lebensmittelrecht und Verbraucherschutz beim Deutschen Bauernverband, Petra Nüssle, sprach bei dem Gesetzentwurf „von Sand im Getriebe“. Weder sei eine „tragfähige Perspektive für Tierhalter“ erkennbar, noch seien die „Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Immissionsschutz und Umweltrecht ausgeräumt“. Vor diesem Hintergrund würden die Landwirte eher verunsichert, als dazu ermuntert, Stallumbauten in Angriff zu nehmen, meint Nüssle

Sie verwies auf die steigenden Importzahlen von Schweinefleisch, das vor allem aus Spanien komme. In etlichen EU-Ländern seien die Standards zur Fleischproduktion sehr viel geringer als hierzulande, deshalb solle die Haltungsstufe „Stall und Platz“ in den Entwurf aufgenommen werden.

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