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topplus „Lass uns reden…“

Für Teller und Tank weg mit der Tierhaltung?

Die Nutzfläche bleibt gleich oder schrumpft sogar; gleichzeitig sollen die Landwirte nicht nur Lebensmittel, sondern auch Energie und Biomasse erzeugen. Wo bleibt dann die Tierhaltung?

Lesezeit: 7 Minuten

Lebens- und Futtermittel, zunehmend aber auch Biomasse und Energie: Die Landwirtschaft soll mit der begrenzten Ressource Boden immer mehr Aufgaben erfüllen. Oben drauf kommen noch die Extensivierungspläne Brüssels. Kein Wunder, dass darüber diskutiert wird, wo der Schwerpunkt der Flächennutzung künftig liegen muss und ob die landwirtschaftliche Erzeugung für den Trog neben Teller, Tank und Erneuerbaren immer noch ihre Berechtigung hat. Zumal mit Carbon Farming und Biomasse die nächsten Herausforderungen warten.

Oder gibt es sogar eine Chance, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen? Diese Fragen stand auch im Mittelpunkt der vierten Ausgabe der Reihe „Lass uns reden“ von F.A.Z. Konferenzen und top agrar. Für Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk war aber gleich zu Beginn klar: Die Tierhaltung hat ihren festen Platz im deutschen Agrarsektor und muss ihn auch behalten.

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Hauk: Tierhaltung und Biogas „untrennbar“

Hauk wies darauf hin, dass allein in seinem Bundesland rund 40 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus Grünland besteht. Hinzu komme, dass Gras sowie Futtergetreide vom Acker nicht nur die Grundlage für die Produktion von Milch und Fleisch seien, sondern in einem Kreislauf auch unverzichtbaren organischen Dünger lieferten. „Sollen wir auf diesen natürlichen Dünger verzichten und vollständig auf Mineraldünger umsteigen? Das kann im Ernst niemand wollen“, so der Minister.

„Untrennbar verbunden“ mit der Tierhaltung ist nach seiner Überzeugung die Biogaserzeugung, da sie die Energieproduktion mit der Verwertung von Wirtschaftsdünger verbindet und damit gleich mehrere Nutzungsarten quasi von derselben Fläche verknüpft. Hauk sieht hier auch noch viel Luft nach oben und verweist auf das Vorbild Dänemark, wo heute schon 40 % des nationalen Erdgasbedarfs aus Biomethan gedeckt werden.

Dafür braucht es aber eine produktive und möglichst regional verwurzelte Landwirtschaft. Der CDU-Politiker warnte deshalb davor, in der Tierhaltung wie auch im Ackerbau den politischen Bogen zu überspannen. Ansonsten drohten Produktionseinbruch und Abwanderung wie schon einmal bei den Käfigeiern und aktuell in der Schweinehaltung.

Uffelmann: Für 25 % Ökolandbau fehlt die Nachfrage

Der Vorstandsvorsitzende der Westfleisch, Dr. Wilhelm Uffelmann, ist in diesem Punkt jedoch skeptisch. Er stellt fest, dass wir derzeit in der politischen Debatte zur Zukunft der Landwirtschaft zwischen den Polen Ideologie und Versorgungssicherheit bewegen.

Dabei wird ihm zufolge verdrängt, dass die Verlagerung von Produktion ins Ausland meist nicht zu Verbesserungen irgendeiner Art führt. „Niemand will in Deutschland mehr eine Hacke anfassen“, so Uffelmann. Das habe mit dafür gesorgt, dass der Anbau von Obst und Gemüse für den deutschen Einkaufskorb heute zum großen Teil in Almeria oder Ägypten stattfindet. Letzteres zu Löhnen von 50 US-$ pro Monat verdeutlichte der Westfleisch-Vorstand.

Er kann die politischen Extensivierungspläne für den europäischen Gunststandort auch aus anderen Gründen nicht nachvollziehen: Farm to Fork führe im konventionellen Bereich zu Extensivierung, was im internationalen Vergleich zu einer Verknappung von Agrargütern beitrage. Für den 25-Prozent-Ausbauplan im Ökolandbau fehle absehbar die Nachfrage.

Uffelmann wirft der Bundesregierung darüber hinaus vor, „einen massiven Abbau der Tierbestände“ in Deutschland anzustreben. Das würde ihm zufolge der Kreislaufwirtschaft einen schweren Schlag versetzen, Wertschöpfung vernichten und die Erzeugung wertvoller tierischer Proteine aus sonst kaum verwertbaren pflanzlichen Rohstoffen verhindern. Er rät der Politik, diese Realitäten anzuerkennen und von Ländern wie Saudi-Arabien zu lernen, in denen Fragen der Versorgungssicherheit und Importabhängigkeit höher angesetzt sind als bei uns.

Günther: Niemand will die Tierhaltung abschaffen

Der grüne Landwirtschaftsminister von Sachsen, Wolfram Günther, wies Uffelmanns Vorhaltungen zurück. Niemand habe in Deutschland vor, die Landwirtschaft abzuschaffen. „Das ist Unfug“, so Günther.

Nach seinem Verständnis gibt es aber gute Gründe für Änderungen in der Tierhaltung, etwa die regionale Konzentration, Nährstoffemissionen und hohe Futtermittelimporte. Auch die Reduktionsziele für Dünger und Pflanzenschutz im Ackerbau fallen laut Günther nicht einfach „vom Himmel“, sondern seien vielmehr die notwendige Reaktion auf Artensterben und Klimawandel.

Aber wie weiter mit Teller, Tank und Trog? Günther plädiert hier für eine intelligente Doppel- und Dreifachnutzung von Fläche und Produkt. Ein Beispiel dafür sieht er im Ausbau von Agri-PV. Die habe im Versuch mit Kartoffeln in Sachsen „verblüffende Ergebnisse“ geliefert, so der Minister.

Zwar sei so nur 70 % der Durchschnittsausbeute der Photovoltaik erzielt worden, Kartoffeln hätten aber von der Beschattung profitiert und trotz kleinerer Anbaufläche 102 % des durchschnittlichen Ertrags gebracht. Solche Ansätze wünscht sich Günther auch in anderen Bereichen.

Südzucker will fossilen Kohlenstoff ersetzen

Hier kann die Südzucker AG mit ersten Erfahrungen aufwarten: Vorstandschef Dr. Niels Pörksen wies darauf hin, dass in der Landwirtschaft seit jeher mehr als Nahrungsmittel erzeugt wurden, seien es Futtermittel und damit Energie oder auch textile Rohstoffe. Das hat sich auch die Südzucker zum Vorbild genommen.

Neben dem Hauptstandbein Zucker aus regional angebauten Rüben setzt der Konzern zunehmend auch auf die Herstellung von Fleisch- und Fischalternativen aus Proteinpflanzen. Pörksen geht nicht davon aus, dass derartige Produkte Fleisch verdrängen werden. Er rechnet aber damit, dass sie in Zukunft wie schon lange in Asien eine beachtliche Rolle im Speiseplan vieler Verbraucher haben werden.

Noch mehr Potenzial verspricht sich die Südzucker AG von der Herstellung chemischer Grundstoffe für die Industrie. Ziel sei der Ersatz fossilen Kohlenstoffs durch nachwachsenden, erläuterte Pörksen. Basis dafür ist Bioethanol, das wiederum vorrangig aus Weizen hergestellt wird, der nicht für die menschliche Ernährung geeignet ist.

Regen wie in Wacken - Alles Futterweizen

Davon ist auf dem Hof von Dania Bornhöft in diesem Jahr jede Menge angefallen. „Wir hatten Zustände wie in Wacken“, berichtete die Betriebsleiterin von Gut Grünhorst in Schleswig-Holstein mit Blick auf die massiven Niederschläge im Sommer. Im Ergebnis sei ausschließlich Futterweizen geerntet worden.

Bornhöft ist dementsprechend froh, dass es für ihr Getreide alternative Verwertungszwecke gibt. Die Veredlung über den Tiermagen hält sie für unverzichtbar, denn „wir schaffen es nicht in jedem Jahr, Brotweizen herzustellen“.

Die Landwirtin wünscht sich darüber hinaus mehr Effizienz von der Urproduktion bis zum Verbraucher. Die Verschwendung von Lebensmitteln müsse unbedingt runter und Nahrung „für die Tonne“ sollte in Zukunft möglichst ganz vermieden werden, etwa über eine stärkere landwirtschaftliche Verwertung von Überschüssen, Koppelprodukten oder besseres Verbraucherverhalten.

Die erneuerbare Energieerzeugung ist für Bornhöft ein sinnvolles zusätzliches Standbein für die Agrarbetriebe. Dabei würde sie ebenfalls Agri-PV bevorzugen, um Doppelnutzung auf der gleichen Fläche zu ermöglichen.

Tierbestände müssten runter

Lebensmittelverschwendung ist auch nach Auffassung von Lara Dammer, Abteilungsleiterin Ökonomie und Politik im nova Institut, eine der wichtigsten Baustellen, wenn es um eine nachhaltige Ausrichtung der Landwirtschaft und der Lebensmittelkette geht.

„Aus wissenschaftlicher Perspektive“ wäre sie allerdings auch für eine Reduzierung der Tierbestände. Eine steigende Weltbevölkerung sei einfach leichter mit pflanzlichen Lebensmitteln zu ernähren, so ihre Argumentation. Danner ist sich aber bewusst, dass derartige Forderungen gerade auch in Deutschland „politischen Sprengstoff“ bergen.

Weniger Futteranbau würde nach Danners Darstellung auch mehr Reserven für die Herstellung von Biomasse als Grundstoff der chemischen Industrie und damit die Kompensation fossiler Rohstoffe freimachen. Deren Potenzial sei nämlich durch die begrenzt verfügbaren Mengen an nachwachsenden Rohstoffen begrenzt.

Die Ökonomin rechnet deshalb nicht mit einer NAWARO-Revolution in der chemischen Industrie, wohl aber mit einer Evolution hin zu mehr Biomasse in Alltagsprodukten.

Kohlenstoff aus Biomasse ein Baustein von vielen

Pörksen räumt ein, dass Kohlenstoff aus Biomasse nicht „die Lösung“ für den Ersatz fossiler Rohstoffe wie Erdöl ist. Nötig seien auch mehr Wiederverwendung und Recycling. Dennoch seien die aus der Natur gewonnenen Rohstoffe ein wichtiger Baustein einer nachhaltig ausgerichteten Wirtschaft.

Der Südzucker-Vorstand kann sich vorstellen, dass dafür auch die aktuellen Stilllegungsflächen genutzt werden, um weitere Konkurrenzen zu vermeiden. So oder so funktioniere das aber nur mit einer florierenden Landwirtschaft, sagte Pörksen.

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