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11 Fragen zu Wieners Kompromiss

Was wollen die EU-Umweltpolitiker wirklich beim Pflanzenschutz?

Wo wollen die EU-Umweltpolitiker den chemischen Pflanzenschutz verbieten, wo planen sie Ausnahmen? Das steht im Vorschlag zur SUR-Pflanzenschutzverordnung.

Lesezeit: 7 Minuten

In der vergangenen Woche haben die Abgeordneten im Umweltausschuss des Europaparlamentes ihre Position zur EU-Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (sustainable use regulation, SUR) beschlossen. Wir haben uns den Standpunkt des EU-Umweltausschusses genauer angeschaut.

Wo steht das Verfahren zur EU-Pflanzenschutzverordnung?

Vor dem Umweltausschuss hatten bereits der Ausschuss für Landwirtschaft sowie der Ausschuss für Entwicklung eigene Stellungnahmen verabschiedet. Die Hauptverantwortung für die SUR liegt jedoch beim Umweltausschuss. Im Umweltausschuss stimmte eine klare Mehrheit von 47 zu 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen für die Kompromissvorschläge der Berichterstatterin Sahra Wiener (Grüne).

Damit ist der Weg frei für die Abstimmung im Plenum, also unter allen 705 Europaabgeordneten. Die sollen am 22. November über die finale Position des Europaparlamentes zur SUR abstimmen.

Erst nach dieser Abstimmung steht die offizielle Position des Europaparlamentes fest für die Trilogverhandlungen mit der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedstaaten.

Was soll in den sensiblen Gebieten gelten?

Der ursprüngliche Plan der EU-Kommission war es in sogenannten sensiblen Gebieten jeglichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aller Art zu untersagen. In einem nicht offiziellen Papier machte die Kommission nach heftigem politischem Widerstand Zugeständnisse: Die EU-Behörde deutete an, vom Totalverbot abzurücken.

Das will nun auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments. Allerdings sollen Landwirte lediglich biologische Pflanzenschutzmittel (biologicals) und alle Pflanzenschutzmittel, die für den Öko-Landbau zugelassen sind, in sensiblen Gebieten nutzen dürfen.

Der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel ist laut der Stellungnahme des Umweltausschusses in sensiblen Gebieten verboten.

Die klassische „Notfallzulassung“ nicht mehr zugelassener Wirkstoffe soll in sensiblen Gebieten verboten sein.

Landwirte, die mit ihren Schlägen an sensible Gebiete grenzen, sollen dort 5 m breite Pufferstreifen anlegen. Für die Pufferstreifen gelten die selben Vorgaben wie für sensible Gebiete.

Wo liegen die sensiblen Gebiete?

Folgende Gebiete sollen laut dem Umweltausschuss als „sensible Gebiete“ gelten:

  • Alle Gebiete, die von der Allgemeinheit genutzt werden. Gesondert genannt sind zum Beispiel Parks, Gärten und Erholungsgebiete, aber auch die Flächen um Krankenhäuser und Kindergärten,
  • Flora-Fauna-Habitat-, Vogelschutz- und Natura 2000-Gebiete,
  • Wasserschutzgebiete,
  • Sogenannte Gebiete zur Überwachung der Bestäuberpopulation, die jedoch noch nicht ausgewiesen sind. Eine Flächenkulisse könnte über das EU-Gesetz „zur Wiederherstellung der Natur“ festgelegt werden.
  • Auch die Flächen aus dem CDDA-Naturschutzregister sollen weiterhin als sensibles Gebiet vom Verbot chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel betroffen sein. In Deutschland sind das unter anderem Landschaftsschutzgebiete.

Allerdings: Die EU-Umweltpolitiker fordern die Mitgliedstaaten im Kompromissvorschlag aktiv auf, die Flächen, die sie im CDDA angeben, neu zu bewerten und zu analysieren, ob dort strenge Pflanzenschutzregeln gerechtfertigt sind.

Gibt es Ausnahmen in sensiblen Gebieten?

Einen generellen Freifahrtschein gibt es nur für Eisenbahnbetriebe. Die können laut dem Vorschlag des EU-Umweltausschusses „zur Gewährleistung der Sicherheit des Eisenbahnbetriebs […] Pflanzenschutzmittel auf Bahngleisen in empfindlichen Gebieten“ anwenden.

Von den strengen Auflagen für die sensiblen Gebiete planen die Umweltpolitiker des EU-Parlamentes mögliche Ausnahmen, die die EU-Mitgliedstaaten einzeln beschließen könnten. Dazu müssten sie nachweisen, dass es „keine wirtschaftlich und technisch vertretbaren Alternativstoffe zur Verwendung eines Pflanzenschutzmittels gibt“ und dass mindestens eines dieser Ziele erreicht wird:

  • Sicherstellen der langfristigen Wirtschaftlichkeit von bestehenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten im sensiblen Gebiet oder
  • Sicherung des Anbaus von Saatgut oder anderem Pflanzenvermehrungsmaterial.

Was könnten Landwirte tun, wenn es nicht zu generellen Ausnahmen kommt?

Würde ein Mitgliedstaat keine generellen Ausnahmen für bestimmte Pflanzenschutzmittel und bestimmte sensible Gebiete schaffen, sehen die Umweltpolitiker auch Lösungen für den Einzelfall vor.

Landwirte, die zukünftig chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel in den sensiblen Gebieten ausbringen wollen, sollen dann nicht nur einen Einzelfall-Antrag bei einer Behörde stellen müssen, sondern den Einsatz des Pflanzenschutzmittels am Feldrand kenntlich machen.

Zusätzlich würde jeder Einsatz eines für sensible Gebiete „verbotenen“ Pflanzenschutzmittels in einem Online-Register veröffentlicht.

Was planen die Umweltpolitiker zum integrierten Pflanzenschutz?

Angelehnt an den Vorschlag der EU-Kommission fordert auch der EU-Umweltausschuss den integrierten Pflanzenschutz als Pflicht für EU-Landwirte. Dazu gehört laut dem Verordnungsvorschlag etwa eine Dokumentationspflicht zu den Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes sowie zum Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln.

In den Aufzeichnungen sollen Landwirte nachweisen, dass sie alle Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz in Erwägung gezogen haben. Laut der EU-Umweltpolitiker könnten das etwas weite Fruchtfolgen, der Anbau von Mischkulturen, der Anbau „robuster Sorten“, oder mechanische Bodenbearbeitung sein.

Welche Reduktionsziele plant der EU-Umweltausschuss für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln?

In den Landstrichen, die nicht als sensible Gebiete gelten, sollen Landwirte weiterhin chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel einsetzen können.

Doch auch hier sollen die Mitgliedstaaten Mengen reduzieren. Die Frage ist jedoch, welche Mengen an Pflanzenschutzmitteln sie einsparen sollen. Die Kommission will eine Halbierung „von Verwendung und Risiko chemischer Pflanzenschutzmittel“ bis 2030 mit separaten nationalen Zielen.

Wieners Kompromisse sieht bis 2030 „mindestens“ eine Halbierung des Einsatzes des chemischen Pflanzenschutzes vor. Bei gefährlicheren („more hazardous“) Pflanzenschutzmitteln sollen Landwirte bis 2030 sogar 65 % einsparen. Als Berechnungsbasis sollen die Jahre 2013-2017 dienen.

Wer hat für den Kompromiss gestimmt und wer dagegen?

Der von Wiener ausgehandelte Kompromiss zur SUR-Verordnung fand im Umweltausschuss eine klare Mehrheit von 47 zu 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen.

Ein in Teilen gegensätzlicher Antrag zur SUR bekam jedoch vor wenigen Wochen im Agrarausschuss des Europaparlamentes ebenfalls eine klare Mehrheit von 26 zu 9 Stimmen bei drei Enthaltungen.

So stimmten etwa alle Sozialdemokraten im Agrarausschuss dafür, die SUR deutlich abzuschwächen, im Umweltausschuss folgen die Sozialdemokraten hingegen geschlossen Wieners Linie. Ein gleiches Bild zeigt die liberale Renew-Gruppe (u.a. FDP und Freie Wähler).

Im Umweltausschuss stimmte lediglich der deutsche FDP-Abgeordnete Andreas Glück gegen Wieners Pläne, die restlichen Umweltpolitiker der Renew befürworten Wieners Kompromissvorschläge.

Sind noch Änderungen an der EU-Pflanzenschutzverordnung möglich?

Dass es im Laufe des EU-Gesetzgebungsverfahrens noch zu Änderungen am Vorschlag des EU-Umweltausschuss ist nicht nur möglich sondern sogar wahrscheinlich. Im EU-Parlament gehen die Meinungen zur SUR auseinander.

Eine Reihe Abgeordneter hat bereits angekündigt neue Änderungsanträge ins Plenum einzubringen. Es ist also gut möglich, dass der Vorschlag der Umweltpolitiker noch einmal geändert wird, bevor er zur offiziellen Position des Parlamentes wird.

Wie geht es jetzt weiter?

Klar ist, dass die EU-Abgeordneten am 22. November über ihre finale Position zur SUR abstimmen werden. Vermutlich wird der hier beschriebene Vorschlag des EU-Umweltausschuss jedoch nicht ohne weiteres eine Mehrheit finden.

Damit ein EU-Gesetz in Kraft tritt, muss das Parlament einen Kompromiss mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten aushandeln. Auch in den sogenannten Trilogverhandlungen könnte es noch zu größeren Änderungen kommen.

Bislang konnten sich die Mitgliedstaaten nicht auf eine gemeinsame Position zur SUR einigen – ein Zeichen für die unterschiedlichen Positionen unter den EU-Staaten.

Was ist Sarah Wieners Aufgabe mit Bezug zur EU-Pflanzenschutzverordnung?

Wiener kommt als Berichterstatterin die Aufgabe zu, mit den politischen Gruppen im Umweltausschuss mehrheitsfähige Änderungsvorschläge am Verordnungsentwurf der EU-Kommission auf den Weg zu bringen. In diesen sogenannten Kompromissvorschlägen hat Wiener eine Reihe der insgesamt 2959 Änderungsanträge der Abgeordneten im Umweltausschuss zusammengefasst.

Steht die Position des EU-Parlamentes nach der Plenarabstimmung (vrs. Ende November), wird Wiener als Chefverhandlerin des Parlaments im Trilog mit den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission einen finalen Kompromiss zur SUR aushandeln, der dann in Kraft tritt.

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