Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat seine Erwartungen an die diesjährige Getreideernte noch einmal deutlich nach unten revidiert. Nach jetzigem Stand sei es fraglich, ob die 40 Millionen Tonnen-Marke beim Getreide noch erreicht werden könne, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied bei einer vorläufigen Erntebilanz heute in Berlin.
Dies wäre deutlich weniger als im letzten Jahr (43 Mio. t) und ebenfalls weniger als in der ersten DBV-Schätzung von Ende Juli, als der Bauernverband noch von 40,9 Mio. t ausgegangen war.
Die Getreideernte ist bis zuletzt durch die ergiebigen und häufigen Regenfälle in weiten Teilen des Landes immer wieder ausgebremst worden. Noch immer steht in einigen Regionen Weizen auf dem Halm. Der Rest sollte in dieser Woche vom Feld kommen.
Nach den bisher vorliegenden Zahlen werden die Erträge beim Weizen wesentlich unter denen des Vorjahres liegen. Nur bei der Wintergerste, die noch vor der Regenperiode eingebracht werden konnte, liegt die Erntemenge mit 9,5 Mio. t deutlich über der des Vorjahres (8,7 Mio. t). Die diesjährige Winterrapsernte liegt mit einem geschätzten Ertrag von 35,1 dt/ha deutlich unter dem Niveau des Vorjahres (39,6 dt/ha). Trotz der Ausweitung der Flächen um rund 80.000 ha sinkt die Gesamterntemenge auf 4,07 Mio. t (Vorjahr 4,28 Mio. t).
Rukwied: Landwirte haben Enormes geleistet
Aus Sicht von Rukwied war der gesamte Vegetationsverlauf bis in die Ernte eine echte Zitterpartie, die den Berufsstand vor gewaltige Herausforderungen gestellt hat. „Die Bauern haben in den letzten Tagen und Wochen enorm viel geleistet, um ihre Ernte einzubringen“, betonte der Bauernpräsident.
Gleichwohl erwartet er nach derzeitigem Stand auf Grund der schwierigen Wetterbedingungen in diesem Jahr eine unterdurchschnittliche Getreideernte. Die lange Regenperiode habe für deutliche Mengen- und Qualitätsverluste gesorgt, wenn auch gerade beim Weizen in Spätdruschgebieten immer wieder von positiven Überraschungen berichtet wird. Für Rukwied ist dennoch klar: „Der diesjährige Witterungsverlauf zeigt aufs Neue die deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Wir müssen alles dafür tun, um zukünftig unsere Erträge und die Ernährung sichern zu können.“
Dafür brauchen die Bauern laut dem DBV-Präsidenten unter anderem die Züchtung resilienterer Pflanzensorten, eine breite Palette an Wirkstoffen für den Pflanzenschutz, wassersparende und konservierende Bodenbearbeitung und die gezielte Förderung einer Bewässerungsinfrastruktur.
Ukraine bei Exporten unterstützen
Kritisch blickt Rukwied auch auf die derzeitige Marktlage: „Die russische Blockade ukrainischer Getreidelieferungen schafft eine paradoxe Situation: Zum einen ist die Versorgungslage am Weltmarkt nach wie vor angespannt – darunter leiden vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer in Afrika, im Nahen Osten und in Asien. Zum anderen drängt die Ware in die angrenzenden europäischen Länder und sorgt für starken regionalen Preisdruck. Wir müssen alles dafür tun, dass der Transit durch Europa funktioniert und der Seeweg wieder in Gang kommt, damit das ukrainische Getreide dort ankommt, wo es gebraucht wird.“ Die Verantwortung dafür sieht Rukwied bei der Politik. Die müsse alles dafür tun, den Transport in die internationalen Bedarfsregionen zu gewährleisten.
Sachsen-Anhalt: Qualitäten bei Weizen und Roggen im Keller
Auch in Sachsen-Anhalt werden sich nach Darstellung des Präsidenten des dortigen Landesbauernverbandes, Olaf Feuerborn, die mäßigen Erntemengen, lokale Ernteschäden und besonders die durchwachsenen Qualitäten auswirken. Er hofft zumindest darauf, dass die Niederschläge für gute Ernten bei Rüben, Kartoffeln, Mais und Grünland sorgen.
Beim Getreide fiel die Ernte immerhin bei Wintergerste mit einem durchschnittlichen Ertrag von 74 dt/ha noch vergleichsweise gut aus. Beim Weizen liegt der Ertrag im Schnitt bei mäßigen 69,8 dt/ha, hinzu kommen hier aber neben direkten Ernteverlusten noch die teils deutlich verschlechterten Qualitäten. Gleiches gilt für den Roggen, der neben hohen Schmachtkornanteilen, viel Auswuchs und schlechte Fallzahlergebnisse aufweist. Den durchschnittlichen Roggenertrag schätzt der Bauernverband Sachsen-Anhalt auf gerade einmal 40,1 dt/ha. Das ist nochmal 1,3 dt/ha weniger als im Durchschnitt der Dürrejahre seit 2018.
Konrad: Landwirtschaft anpassungsfähiger machen
Für die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, zeigt die diesjährige Erntebilanz die Schwierigkeiten auf, die durch ein sich wandelndes Klima mit extremen Regen- und Dürrephasen entstehen. Sie erinnert daran, dass die deutschen Bauernfamilien dennoch bemerkenswerte Arbeit geleistet haben. Ihre Anpassungskompetenz und ihr Engagement seien beispielhaft. Damit die Landwirtschaft zukunftssicher bleibt, müssen brauchen die Landwirte nach Konrads Auffassung mehr Anpassungsmöglichkeiten. Auch sie plädiert für die Entwicklung robusterer Pflanzensorten als auch den Einsatz von Techniken, die Wasser effizienter nutzen.
"Wenn wir in Deutschland auch weiterhin verlässlich unser Getreide für den täglichen Bedarf produzieren wollen, trotz der klimatischen Veränderungen, ist politisches Handeln gefragt", betont die FDP-Politikerin. Dies bedeute, den Bauern mehr Freiheiten zu gewähren, innovative Züchtungsansätze zu fördern, Bürokratie abzubauen und eine stabilere Planungsgrundlage zu schaffen.
Stegemann: Wetter und Ampel bremsen die Landwirtschaft aus
„Nicht nur das Wetter hat die Bäuerinnen und Bauern in diesem Jahr bei der Ernte ausgebremst, sondern auch die Ampel durch ihre sich gegenseitig blockierende Agrarpolitik. Das Ziel einer gleichzeitig effizienten und nachhaltigen Landwirtschaft ist bei Minister Cem Özdemir leider aus dem Blickfeld geraten", meint der agrar- und ernährungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann.
Nicht zuletzt, um Ernten auch in Zukunft zu sichern, braucht es nach seiner Überzeugung wieder Wissenschaftlichkeit, faktenbasierte Politik und Perspektiven. "Aber die Ampel weigert sich konsequent neue Züchtungsmethoden und moderne Pflanzenschutzmittel zuzulassen, damit Pflanzen auch unter veränderten klimatischen Bedingungen wachsen“, so Stegemann.